3 Über die Internierung der deutschen Bevölkerung von Schlappenz berichtet Herr Franz Neubauer jun.:

„Der schlimmste Tag in der Geschichte der Gemeinde Schlappenz kam am 19. Juli 1945. Der Tag der Vertreibung von Haus, Hof und Scholle, man kann sagen Raub des wertvollsten Gutes, das man besaß: ‚die liebe Heimat'. Morgens kam der Befehl, daß die Gemeinde von der deutschen Bevölkerung binnen einer Stunde geräumt sein muß. Es durfte nur das allernotwendigste an Hausrat, Kleidung und Wäsche, sofern noch was da war, mitgenommen werden. Alles

andere mußte liegen und stehen gelassen werden, welches gleich von den sogenannten Neusiedlern in Besitz genommen wurde. Diese waren zum Großteil schon in die Häuser eingezogen. Das wenige Gepäck wurde von mehreren Familien zusammen auf einen Wagen geladen, auf welchen auch noch die alten und gebrechlichen Leute, die nicht mehr laufen konnten, gesetzt wurden. In diesen Minuten spielten sich Szenen ab, für die man gar keine Worte finden kann. Es war ein Abschiednehmen für immer von dem, was man über alles liebte. Mitnehmen konnte man nur all die Erinnerungen, sei es von guter oder schlechter Art. Doch es war dies das einzige, welches von niemandem diesen Menschen geraubt werden konnte.

Es setzte sich ein Zug zusammen, den man nicht mal einem Trauerzug vergleichen konnte. Eine Länge, vom Dorfende bei Bärtl, Haus Nr. 11 (Morkes), bis zur Pfaffendörfer Höhe. Und weiter ging dieser schwere Gang des Zuges über Pfaffendorf hinaus bis nach Pattersdorf ins Sammellager.” (Bericht; Original, Ende 1955, 6 Seiten, mschr.)

Eine Internierungsaktion in Deutsch Gießhübel schildert die Bauerntochter L. S.: „Am 20. Mai 1945 wurde in der Volksschule ein Teil der Gießhübler untergebracht. Das Gepäck wurde durchsucht, Schmuck, Eheringe weggenommen, Wäsche und Kleider nur zum einmal Wechseln gelassen. Alle jungen Leute mußten bei Tag auf die Höfe arbeiten gehen. Niemand ahnte, was geschehen wird. Am 6. Juli wurde bekanntgegeben, wer nächsten Tag das Dorf verlassen muß (60 Personen). In der Nacht kamen noch Russen und Tschechen und nahmen uns die letzte Habe.

Mich wollte man von Mutter und Tante trennen und allein ins Ungewisse schicken. Unser tschechischer Nachbar Valenta unterstützte unser Bitten beim Národní Výbor, und meine Mutter und Tante konnten mit. Es hieß, nur mitnehmen, was man tragen konnte, es geht zu Fuß und weit. Niemand wußte wohin. Wir gingen los, und es wurden doch drei Gespanne mitgegeben. Partisanen, Tschechen aus den Dörfern Jesau, Irschings und Weißenstein, gingen mit Gewehren neben uns her. Über Altenberg, Stecken, Schlappenz, Pattersdorf. Liefen die Pferde Trab, mußten wir mit. Frau Lehrer Wittek hatte ein Baby (Friedrun) im Wagen und konnte nicht mehr. Wir halfen und blieben etwas zurück, schon kam ein Jesauer Partisan-Wolf und schlug mit dem Gewehrkolben drein.

Die übrigen Gießhübler standen am Weg und weinten, als wir fortgingen. Da sah man viele liebe Dorfbewohner zum letzenmal. Sie zitterten um uns, und wir zogen traurig von daheim fort. In Pattersdorf war ein Maidenlager und ein Landdienstlager. Wir kamen dorthin, es war alles überfüllt. Lagerleiter (Pawlik) sagte zu Prochaska, er hat ja keinen Platz. „Jag sie in den Teich”, sprach Prochaska — wir hörten es.

Nächsten Tag war Menschenmarkt im Lager. Tschechische Bauern kamen und suchten sich Arbeitskräfte aus, junge Leute, Frauen ohne Kinder. Wir kamen nach Květinov bei Deutsch Brod, ein großes Gut. Wir waren 20 Personen, alles Frauen.

Wir schufen auf den Feldern, die Tschechen im Dorf haßten uns sehr. Die Unterkunft war klein, verwanzt. Wir mußten hungern und waren Tag und Nacht unter Aufsicht. Das Dorf durften wir nicht verlassen. Arzt kam keiner zu uns; es war eine bittere Zeit. Nach der tschechischen Währung gab es geringen Lohn, und es wurde für uns zum Teil besser.” (Erlebnisbericht; Original, ohne Datum, 4 Seiten, hschr.)