9 Die Ermittlungen der "Heimatortskartei" erfaßten Personen, die von den daran beteiligten Gewährsleuten aus den Heimatgemeinden (Bürgermeister, Gemeinde-

beamte, Pfarrer, Lehrer und viele andere besonders ortskundige Personen) als deutsche Einwohner am 1. 9. 1939 bezeichnet oder in irgendeinem amtlichen Vorgang (bis Mai 1961) als Volksdeutsche aus Jugoslawien registriert wurden. Daß die Sprachenerhebung bei der Volkszählung 1931 insbesondere in den deutschen Streusiedlungen nicht alle hier als Volksdeutsche anzusehenden Personen erfaßte, zeigt z. B. die Ermittlung nach Beherrschung der deutschen Sprache, die unter den Umsiedlern aus Bosnien und Kroatien bei ihrer "Schleusung" in der deutschen Einwandererzentralstelle Ende 1942 mit folgendem Ergebnis durchgeführt wurde:

Männer Frauen Kinder insgesamt

 MännerFrauenKinderinsgesamt
gut3 6923 7414 60312 036
mittelmäßig3853805911 356
schlecht2593589901 607
nicht deutsch sprachen2486231 4972 368

(Nach: Abschlußbericht der Einwandererzentralstelle über die Erfassung der Deutschen aus Bosnien; bei F. Sommer, Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde Schutzberg in Bosnien 1895-1942 / Das Schicksal der Bosniendeutschen 1942-1960, Mülheim 1960, S. 141.)

Unter dem Einfluß der völkischen Bewegung und der wirtschaftlichen Prosperität wurde auch in Kroatien-Slawonien Ende der 30er Jahre die bisherige Assimilation an die umwohnende Bevölkerung in einen Dissimilationsprozeß umgekehrt (Ende 1941 veranstaltete die deutsche Volksgruppe in Kroatien eine Erhebung, die die zweifellos überhöhte Zahl von 199042 Deutschen ergab; der Leiter der VOMI führte die Zunahme im wesentlichen auf die "Rückdeutschung" bereits kroatisierten Deutschtums zurück. (Himmler Files, Roll 11, Folder 120.) So wurden z. B. 27 Ortschaften verzeichnet, in denen 1931 keine Deutschen ermittelt worden waren.). Seine Fortsetzung wurde jedoch trotz der Begünstigungen, die die besondere Rechtsstellung der Deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien 1941 bot, in den folgenden Kriegsjahren vor allem durch die wechselnde Lage in den zeitweise von Partisanen beherrschten Gebieten, durch die rigorosen Aushebungen zur Waffen-SS und die Furcht vor einer künftigen Aussiedlung der Deutschen wieder in Frage gestellt.

Gleichwohl dürfte sich die Differenz zwischen den Berechnungen auf Grund der Sprachenerhebung von 1931 und den Ergebnissen der für diese Gebiete im einzelnen noch nicht abgeschlossenen Auszählung der "Heimatortskartei" nicht als erheblich erweisen, da der Dissimilationsprozeß wohl nur eine geringe Zunahme über den Wiedergewinn der Assimilationsverluste hinaus einbrachte, und im wesentlichen die Zahl der Slowenien-Deutschen betreffen. Ihre Zunahme hat folgende Gründe. Unter dem Druck der nationalitätenpolilischen Maßnahmen in Slowenien haben viele der nach dem Ersten Weltkrieg noch im Lande verbliebenen Personen deutscher Herkunft die slowenische Sprache angenommen oder sich aus wirtschaftlichen Gründen zu äußerlicher Assimilation genötigt gesehen und ihre Deutschsprachigkeit verleugnet. Der Umschwung der Verhältnisse während des Zweiten Weltkrieges, die Umsiedlung der Deutschen aus den 1941 von Italien okkupierten Gebieten und die deutsche Bevölkerungspolitik nach Übernahme der Verwaltung in der Untersteiermark und Oberkrain, begünstigte dagegen das Bekenntnis zum Deutschtum und den Wunsch nach Anerkennung als Deutscher oder ließ eine "Rückerinnerung" an die nunmehr vorteilhafte deutsche Volkszugehörigkeit geraten sein. Durch das jugoslawische Nachkriegsregime wurden in Slowenien 1945/46 alle, die sich jemals als Volksdeutsche bekannt hatten, radikal außer Landes getrieben, darunter auch mehrere Tausende, die 1931 nicht als Deutschsprachige gezählt worden waren.