23 Die Differenz von 3686 zwischen der Zahl der statistisch ungeklärten Fälle von 72 350 und den gezählten 68 664 Sterbefällen beruht im wesentlichen darauf, daß in der Berechnung des statistisch errechneten Sollstandes im Oktober 1944 (Ausgangszahl für die Bilanz) an der gegenüber den Erhebungen der "Heimatortskartei" um ca. 2500 überhöhten statistischen Sollzahl der Volksdeutschen, die am 1.9. 1939 ihren Wohnsitz in den Gebieten Banat, Batschka, Daranja und Syrmien hatten, festgehalten wurde (s. Anm. 8). Wird das Ergebnis der Berechnung, wie schon als richtig vermutet, auf das Ergebnis der Zählung hin bereinigt, so ist in

der Bilanz mit der Ausgangszahl von 479 400 zu rechnen, wonach sich dann eine Gesamtzahl von 69 900 statistisch ungeklärten Fällen und nur eine Differenz von ca. 1200 gegenüber den gezählten Sterbefällen ergibt.

Zur Zeit ist es noch nicht ausgeschlossen, daß sich das Zählungsergebnis der Verluste durch Meldungen bisher in den Unterlagen der Heimatortskartei nicht erfaßter Personen um einige Hundert Fälle erhöht. Für die tatsächlich endgültige Zahl der Zivilverluste ist wohl ein Mittelwert zwischen bisherigem Zählungsergebnis und bereinigtem Berechnungsergebnis anzunehmen.

Aus den Unterlagen der Heimatortskartei, die alle Volksdeutschen (und ihre Nachkommen bis Ende Oktober 1944) erfaßt, die am 1.9. 1939 ihren Wohnsitz in Jugoslawien hatten, wurden nur diejenigen Personen zu den Verlusten der Zivilbevölkerung gezählt, die seit Oktober 1944 als vermißt gelten oder unter folgenden Umständen den Tod fanden:

1. Auf der Flucht gestorben: 2361.

Gezählt wurden alle Personen, die seit Beginn des Einmarsches der Roten Armee (1. Oktober 1944) auf ihrem Fluchtweg aus Jugoslawien oder in ihren verschiedenen Aufenthaltsorten in Ungarn, Österreich, Böhmen-Mähren, Schlesien, Sachsen usw. bis Kriegsende (9. Mai 1945) gestorben sind.

2. Gewaltsam ums Leben gebracht, zumeist erschossen: 5777.

Dabei handelt es sich um Zivilpersonen, die in den Wirren nach dem Einmarsch der sowjetischen und jugoslawischen Truppen, unter dem Terror des Partisanenregimes (Massenerschießungen als sog. Vergeltungsaktionen) und in den jugoslawischen Internierungslagern erschossen wurden; darunter befinden sich auch ehemalige Soldaten oder Angehörige bewaffneter Hilfsdienste, die sich bei der Besetzung im Heimatort befanden.

3. Nach der Verschleppung gestorben oder vermißt: 5683.

Darunter befinden sich alle Personen, die um die Jahreswende 1944/45 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden und dort oder auf dem Transport gestorben sind (etwa 4500-5000, d. h. 16 vH der Deportierten); bei den übrigen handelt es sich meistens um Männer, die in den Monaten Oktober/November 1944 von Partisanenkommandos aus ihren Heimatorten verschleppt wurden und von denen man seither nichts mehr gehört hat.

4. In den verschiedenen Internierungs- und Arbeitslagern bis 1948 in Jugoslawien gestorben: 48027.

Darin einbegriffen sind auch einige Hundert Selbstmorde, von denen nicht genau festgestellt werden konnte, ob sie im Lager oder in der Heimatgemeinde verübt wurden. Nicht gezählt wurden diejenigen, die vor der (zeitlich in den einzelnen Orten auch unterschiedlichen) Errichtung der Lager eines natürlichen Todes im Heimatort gestorben sind, und die nach dem 31. 10. 1944 geborenen und auch im Lager gestorbenen Kleinkinder.

5. Inhaftiert und seither verschollen: 187.

Es handelt sich um Zivilpersonen, von denen man weiß, daß sie eine Zeitlang in einer Haftanstalt waren, von denen man seither aber nichts mehr gehört hat.

6. Vermißt: 6273.

Das sind Zivilpersonen, deren Aufenthalt zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Ende 1944 und 1948 bekannt war, über deren weiteres Schicksal man aber nichts mehr erfahren konnte und die seitdem als verschollen gelten. Nach den einzelnen Angaben und den Kriterien der Auszählung war eine genaue Bestimmung oder Scheidung der Gruppen nicht immer möglich. So dürften wohl von den Vermißten der Gruppe 3 je 500 in die Gruppen 2 und 4 gehören und ebenfalls in Gruppe 4 der größte Teil der Vermißten-Gruppe 6. Die Gesamtzahl der gewaltsam Getöteten (Gruppe 2) dürfte einschließlich der bei den militärischen Kriegsverlusten mitgezählten Erschossenen (s. Anm. 11) über 7000 betra-

gen. Die Gesamtzahl der in den Lagern Gestorbenen kann auf annähernd 55 000 veranschlagt werden (der ehemalige Abgeordnete des Belgrader Parlaments und Gerichtspräsident Dr. Wilhelm Neuner aus Groß-Betschkerek schätzte nach seiner Entlassung aus Jugoslawien im April 1948 die Zahl der in den Lagern zugrunde gegangenen Volksdeutschen auf 50000 bis 60000; vgl. Keesing's Archiv der Gegenwart, Jg. 18/19, S. 1463 H); allein in den Zentrallagern und in den Konzentrationslagern für Arbeitsunfähige - ältere Personen, Kinder, Kranke und Mütter mit mehreren Kindern - in Rudolfsgnad (s. Bericht Nr. 62, S. 496 ff.), Molidorf (Nr. 52, S. 368 ff.), Jarek (Nr. 56, S. 395 ff.), Gakovo und Kruševlje (Nr. 59, S. 414 ff.), Sremska Mitrovica (Nr. 58, S. 406 ff.), Krndija und Valpovo (Nr. 66 u. 68, S. 525 u. 541 mit Anm. 3) und Sterntal (Nr. 70 u. 71, S. 548 ff.) sind insgesamt fast 38 000 Personen gestorben.

Von den beim Anmarsch der Roten Armee und der Partisanen nicht geflüchteten und in ihren Heimatorten zurückgebliebenen Volksdeutschen ist durch Gewaltakte und unter den Zwangsmaßnahmen des jugoslawischen Naehkriegsregimes über ein Drittel ums Leben gekommen (vgl. die Berichte Nr. 40, Anm. 22, S. 259f.; Nr. 54, Anm. 7, S. 380; Nr. 55, Anm. l, S. 381 f. und Anm. 8, S. 386; Nr. 56, Anm. 8, S. 398f.; Nr. 59, Anm. 5, S. 419f.).

Wie oft in der Geschichte haben genauere Nachforschungen ergeben, daß die ursprünglich angenommenen Verlustzahlen tatsächlich geringer sind; die hohen Verlustzahlen, die G. Wolfrum (Osteuropa-Handbuch, Jugoslawien, S. 36: Mindestverlust 183 000), L. Rohrbacher (Die Ausrottung der deutschsprachigen Minorität in Jugosawien in den Jahren 1944-46, Salzburg 1949; ders., Ein Volk - ausgelöscht, Salzburg 1950), G.Rhode (Zeitschrift für Ostforschung, 2. Jg. 1953, S. 384: 385 000 Personen Gesamtverlust), W. Krallert (Zur gegenwärtigen zahlenmäßigen Stärke des Deutschtums in und aus Südosteuropa. In: Südostdeutsche Heimatblätter, 4. Jg. 1955, S. 95: 260000 Gesamtverluste), Jahrbuch der Deutschen aus Jugoslawien 1960 (Stuttgart 1959, S. 41, jeder Dritte "vernichtet") angegeben haben, halten der Überprüfung nicht stand.