1 Ein Erlebnisbericht über diesen Treck befindet sich bisher auch nicht in der Dokumentensammlung. - Die Ereignisse auf dem Fluchtweg des Trecks, der bereits am Vortage aufgebrochen war, schildert der Lehrer Josef Zundl aus Milititsch folgendermaßen: "Am 8. Oktober kam der Aufruf zur Abfahrt, denn die Russen kamen jeden Tag näher, und die Partisanen ließen sich auch schon bald hier, bald dort sehen. Zögernd nur kamen einige Wagen angefahren, insgesamt waren es nur 20, die losgefahren sind. Nach und nach kamen andere Wagen dazu, so daß der Treck auf 100 Wagen anstieg. Die Fahrt ging über Sombor, Baja, Kolocsa bis Dunaföldvär längs der Donau. Bei Donaföldvär fuhren wir über die Donaubrücke, und dann ging es weiter gegen Westen. Inzwischen sind wir an andere Trecks aus der Batsdika gestoßen, und auf der Straße bewegte sich eine endlose Kolonne von Flüchtenden aus der Batschka und aus dem Banat. Täglich machten wir 70-80 km. Zu Mittag wurde gerastet und gegessen, abends suchten wir einen guten Platz für das Nachtlager. Nie waren wir in Dörfern über die Nacht, sondern im Freien außerhalb der Gemeinden. Lebensmittel baten wir auf den Wagen genügend noch aus der Heimat. Abends sah man überall Feuer aufflackern, und es wurde eifrig gekocht. In der Früh ging es dann wieder weiter ins Ungewisse, denn wohin wir ziehen, wußte von uns niemand. Einige Pferde sind uns ausgefallen, diese wurden entweder durch gekaufte ersetzt oder es ging einspännig weiter. Unterwegs gingen Männer und Frauen meistens zu Fuß neben dem Wagen, und nur die Kinder blieben auf dem Wagen, so wurde es den Pferden leichter gemacht. Oft mußten wir stundenlang stehen, weil die Straße verstopft war. Nebst allen Entbehrungen hatten wir Glück, daß das Wetter schön war, geregnet hat es bisher nicht. So kamen wir am 30. Oktober in dem westungarischen Dorf Tüskevar an.

Hier und in den umliegenden Dörfern hatten wir eine große Rast von 14 Tagen. Die Bevölkerung empfing uns sehr unfreundlich, nur wenige hatten ein Zimmer bekommen, die meisten unserer Leute mußten auf ihrem Wagen hausen, und es war ein Glück, wenn sie mit dem Wagen in eine offene Scheune fahren konnten, obzwar unsere Leute der Bevölkerung mit ihrem Gespann beim Maiseinfahren und Ackern behilflich waren. Dazu regnete es noch fast jeden Tag. An Menschenleben hatten wir bisher 3 Tote zu beklagen, zwei Erwachsene und ein Kind. In Tüskevar hatten sich noch 20 Wagen aus der Heimat angeschlossen, so daß unser Treck 120 Wagen zählte, mit insgesamt 860 Personen.

Am 13. November kam der Befehl zum Weiterfahren; rasch wurde das ganze Hab und Gut auf den Wagen geladen, und der Treck setzte sich wieder gegen Westen in Bewegung. Nach vier Tagen kamen wir in ödenburg (Sopron) an, und am 17. November überschritten wir die österreichische Grenze bei Klingelbach. Wieder ging es weiter nach Westen über Günseldorf, Wilhelmsburg, St. Georgen, St. Polten und Kappein. Hier starb am 22. November Lemli Franz. Den nächsten

Tag ging es weiter über Stockerau, Korneuburg, Wolkersdorf, Erdberg, und so kamen wir am 27. November in Nikolsburg an. Da wir jetzt schon große Verluste an Pferden hatten, mußten wir einen Tag Rast halten. Manche haben Pferde vertauscht und da auch viele Wagen unbrauchbar wurden, mußten viele unserer Leute mit der Eisenbahn von hier nach Schlesien weiterbefördert werden. Schon am nächsten Tag setzte sich der arg zusammengeschmolzene Treck wieder in Bewegung. Bei Latz überschritten wir die tschechische Grenze und kamen am 28. November mit 75 Wagen nach Modritz. Von hier aus ging unsere Fahrt nördlich ... Am 2. Dezember überschritten wir die schlesische Grenze bei Müglitz. Weiter ging es nordwärts ... und am 9. Dezember kamen wir, durchgefroren und müde, mit 70 Wagen in Waldenburg an. Fünf Wagen gingen uns wieder verloren. In Waldenburg und Umgegend wurden unsere Leute in Lagern verteilt. Alles war froh, endlich ausruhen zu können und einen warmen Ort zu haben. Die Freude dauerte aber nicht lange. Schon am 14. Februar kam ein Marschbefehl, weil die Russen sich näherten, und wir fuhren wieder zurück in die Tscheche! . . . und am 17. Februar kam der Treck, der nur noch 40 Wagen zählte, in Königgrätz an. Schon den nächsten Tag fuhren wir weiter über . . . Kolin . . ., Beneschau . . ., Tabor . . ., Budweis . . ., Krumau . . . und kamen am 1. März 1945 in Hohenfurth an. Diese Fahrt, die 14 Tage lang dauerte, war die schrecklichste, denn es herrschte grimmige Kälte; Leute und Pferde waren durchgefroren und völlig erschöpft. Unser Häuflein zählte noch 300 Personen, die ihr Schicksal in der Umgegend von Hohenfurth erwarteten. Damit fand die Wanderung ein Ende; es war ein Weg von ungefähr 2000 km, den wir mit Roß und Wagen zurücklegten." Anschließend erwähnt der Vf. noch, daß sich gleich nach der Kapitulation Deutschlands 200 Personen mit 32 Wagen auf den Weg in die Heimat nach Jugoslawien machten, von denen einige in Ungarn blieben, die übrigen die jugoslawische Grenze überschritten, dort interniert wurden und das Schicksal der Deutschen in den jugoslawischen Lagern erleiden mußten. (Erlebnisbericht; Original, 28. Oktober 1958, 6 Seiten, hschr.)