1 Über den Verlauf der vorhergehenden Verhandlungen berichtet Direktor Heinrich Schiel, Inhaber der Papierfabrik, in dessen Haus der deutsche kommandierende Oberstlt. Schade wohnte: „Am 23. August, dem Tag der Kapitulation Rumäniens, wurde die Lage für die deutschen Truppen recht ernst, alles war in ständiger Bereitschaft. Herr Oberstleutnant Schade stand wegen der Wichtigkeit seiner Mission in direkter Verbindung mit dem Führerhauptquartier. Er rechnete mit einer vorübergehenden Räumung Rumäniens von den deutschen Truppen, bis die Befreiungsarmee, die angeblich im Anmarsch war, eintreffen würde. Angeblich hätte er auch den Befehl aus dem Hauptquartier erhalten, uns Volksdeutsche beim Abzug wenigstens bis über die alte Landesgrenze (Predea!), bis ins siebenbürgische Siedlungsgebiet mitzunehmen . . .„ Am 24. August hatten wir daher mit dem Oberstleutnant und seinen Offizieren eine diesbezügliche Beratung, wobei eine eventuelle vorübergehende Evakuierung der Volksdeutschen aus Buşteni besprochen wurde. Ein Verständigungssystem wurde ausgearbeitet und die Parole ausgegeben, daß sich alle bereit halten müßten. Weiter wurde gesagt, daß jeder nur soviel mitnehmen solle, als er tragen kann, also einen Rucksack und noch einen Koffer oder eine Kiste, Lebensrnittel für einige Tage, die nötigsten Kleider und eine Schlafdecke. Hausrat und sonstige Gegenstände, die einen unnötig belasten würden, müßten zurückbleiben. Wußten wir doch nicht, wie der Abtransport erfolgen würde, zu Fuß oder mit der Bahn. Wir alle sahen diese Anordnungen nicht allzu ernst an, nötigenfalls wollten wir die ersten Tage nach dem Abzug der Wehrmacht in Kronstadt verbringen, um dann so schnell wie nur möglich wieder nach Busteni zu kommen. Im großen und ganzen verlief der 24. August recht ruhig und normal. Alle gingen ihrer Beschäftigung in der Papierfabrik nach. Auch wir Direktoren ergriffen keine besondere Maßnahme, vor allen Dingen um keine Beunruhigung hervorzurufen. Wir glaubten, daß es nicht zu der besprochenen Evakuierung kommen würde . . .„ „Am Fluchttag, dem 25. August, begann das Leben wie an jedem ändern Tag. Die Arbeit in der Fabrik und im Büro verlief am Vormittag ganz normal. Gegen 15½ Uhr rief midi Herr Oberstleutnant Schade im Büro an, sagte mir nur kurz, daß Rumänien an Deutschland den Krieg erklärt habe und er mit uns über die jetzt nötigen Fluchtmaßnahmen sprechen müsse. Bei der nun erfolgten kurzen Aussprache in meiner Wohnung mit meinen Brüdern und noch einigen Herren, in der Herr Schade nochmals betonte, erneut den Befehl erhalten zu haben, uns Volksdeutsche mitzunehmen, wurde dann das vereinbarte Stichwort zur Flucht durch das festgelegte Verständigungssystem durchgegeben. Um 16½ Uhr, also in einer knappen Stunde, sollten sich alle am Bahnhof treffen. Für uns Direktoren war es außerdem ordentlich schwer, diesem Entschluß beizustimmen, mußten wir doch unsere schöne Fabrik, das Werk unserer Väter, das unsere Generation schon über 20 Jahre vergrößert, entwickelt und geleitet hatte, so plötzlich verlassen. Ausschlaggebend für unsere Zustimmung war die Nachricht, die Oberstleutnant Schade von einem befreundeten Oberstleutnant

aus dem rumänischen Generalstab erhalten hatte. Diese lautete, daß er, der rumänische Oberstleutnant, den Befehl erhalten habe, die deutschen Truppen in Buşteni zu entwaffnen und die Familie Schiel in Schutzhaft zu nehmen. Der rumänische Oberstleutnant war in Sinaia bei den Gebirgsjägern.” (Erlebnisbericht; Original, 8. April 1956, 5 Seiten, mschr.)

Frau Minna Schiel, die Witwe eines der Inhaber, erklärt gleichfalls, Oberstleutnant Schade habe „inoffiziell Kenntnis davon erhalten, daß Befehle, dai deutsche Militär zu entwaffnen und die Familie Schiel zu verhaften, in Sinaia zwar schon vorlägen, aber zurückgehalten würden, bis der Zug Buşteni verlassen habe”. Es heißt in ihrem Bericht u. a.: „Aus persönlichem Entgegenkommen versprach ein rumänischer General, dem Transportkommando einen Zug zur Verfügung zu stellen, und gab die Erlaubnis, die deutsche Zivilbevölkerung in diesem Zug mitzunehmen.” Am Paßbahnhof Predeal habe ihr Mann aus dem Gespräch zweier rumänischer Offiziere auf dem Bahnsteig gehört: „Das ist der Zug der Familie Schiel. Der darf noch passieren”. In der Tat gehörten von den 300 Flüchtlingen, die schließlich im Lager Schiltern ankamen, wie Frau Schiel später schreibt, „über ein Fünftel unserer Famile an, darunter 47 namens Schiel”. (Erlebnisbericht; Original, April 1956, 3 Seiten, mschr.)