1 Eine protokollierte Aussage des Schuhmachermeisters T. L. ans dem Nachbardorf Pesak (Pesac) trägt zur Klärung des zeitlichen Ablaufs bei. L. berichtet: „Die russischen Truppen hatten auf ihrem Vormarsch unser Dorf Pesak ereicht und waren schon vier Tage im Ort. Zwei Straßen hielten sie besetzt, meist bei Rumänen; die hatten sie auf andere Straßen verteilt. Es war zu keinen Gewaltakten gekommen. Pesak bestand zu zwei Dritteln aus rumänischer und zu einem Drittel aus deutscher Bevölkerung. Von den Deutschen des Dorfes verlangten sie die Stiefel, Pelzmäntel der Männer, Pferde und Sattelzeug, was man ihnen auch gegeben hat. Es waren auch Kosaken, die haben mit den Deutschen gehalten; es waren so 50 Mann zu Pferde. Diese Kosaken nahmen den rumänischen Frauen ihren Geldschmuck ab, die sogenannten »Galbene«; das waren große Maria-Theresia-Taler aus Gold oder Silber, zu einer Kette aneinandergereiht. Diese Seite des Dorfes war besetzt, welche gegen Warjasch und Alexanderhausen zu lag. Am 21. September kamen die deutschen Truppen von Westen her auf unser Dorf zu, um die Russen hinauszuschlagen. Die Schießereien und Straßenkämpfe dauerten vom 21. September bis 6. Oktober. Die Bevölkerung verbrachte diese Zeit in Kellern. Es gab auch zwei Tote unter den deutschen Zivilisten, alte Männer, Schneider und Zeller Michael. Viele Häuser wurden beschädigt. Bei manchen waren die Dächer und Dachböden durchgeschlagen, und das dort oben befindliche Getreide fiel hindurch in die unteren Räume. Totes Vieh lag in den Ställen.

Die Deutschen konnten unseren Ort leider nicht halten. Sie forderten uns auf, das Dorf zu verlassen und uns in Sicherheit zu bringen. Wir sammelten unsere Sachen und konnten mit dem Gepäck bei unseren Nachbarn W. und E. mit vier Personen (meine Frau und ich, meine Tochter mit 18 und ein Sohn mit 13 Jahren) auf die Wagen aufsitzen. Die Fahrt ging zunächst über Lovrin, Groß - Sankt Nikolaus und den Grenzort Keglevich. Es war der 6. Oktober; wir machten die erste Rast. Am nächsten Morgen ging es über die rumänisch-unga-

rische Grenze weiter. Abends 10 Uhr in Szegedin. Aus unserem Ort Pesak waren 13 Wagen, aus Lovrin, Perjamosch und anderen deutschen Orten waren noch sehr viele Wagen gekommen. Genau die Zahl kann ich nicht sagen, es war aber eine unübersehbar lange Wagenkolonne. Schwer war es, Lebensmittel zu beschaffen, unsere Vorräte waren bald aufgebraucht. Die Leute, die eigene Wagen hatten, konnten mehr mitnehmen. Wir hatten kein ungarisches Geld, mußten von unseren Schuhen ein Paar verkaufen, um das Nötige wieder zu kaufen. Die Pferde brauchten Futter; wir mußten es von den Feldern unterwegs nehmen. Wir kamen weiter über Dunaföldvár, Raab, Bakonywald, Plattensee nach Ödenburg; hier war es Sonntagnachmittag, und die Bevölkerung bewirtete uns mit Brot und Wurst, Marmelade, was die Leute selber eben hatten. Neufeld war schon österreichischer Boden. Hier machten wir die erste längere Rast; auch die Pferde waren ermüdet, wir selbst verschmutzt und erschöpft. Wir waren schon zehn bis zwölf Tage unterwegs, sind meistens, um die Pferde zu entlasten, neben dem Wagen gegangen. Zwei Tage und drei Nächte blieben wir in Neufeld. Die Leute waren gut zu uns, wir durften unsere Wäsche waschen; dafür halfen die Männer bei der Arbeit im Hofe mit.

Nun fuhren wir ohne längere Ruhepausen — nur Nachts wurde Halt gemacht — bis Hollabrunn; dort war die Kreisstelle für Flüchtlinge, wo wir uns melden mußten. Wir wurden nach Mariathal eingewiesen. Wir bekamen für uns vier Personen ein Zimmer, etwa 20 Quadratmeter groß. Hier wohnten wir vom 29. Oktober bis 18. Dezember 1944.„ (Original, 23. Juni 1956, 3 Seiten, hschr.)