Nr. 9: Vorgänge in Storzendorf und Umgebung vor und nach der Besetzung durch sowjetische Truppen.

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Bericht des F. S. aus Storzendorf, Kreis Sternberg.

Original, April 1947, 16 Seiten, hschr. Teilabdruck.

Nach einem kurzen Rückblick auf die Lage der Deutschen in der Tschechoslowakei bis zur Eingliederung des Sudetenlandes ins Reich schildert der Vf. die Stimmung der Bevölkerung seines Heimatortes unter dem Eindruck der sowjetischen Offensive zu Beginn des Jahres 1945 und fährt dann fort:

Mittlerweilen hatten die Tschechen schon längst Partisanen aufgestellt, die überall sich schon fühlbar machten. Am schlechtestem war es in Mähr. Schönberger Kreis, wo Ihnen schon verschiedene Zugsentgleisungen zuge-


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schrieben wurden. Bei uns in Meedl und Storzendorf, wo Erz-Bergwerke in Betrieb waren, kam es zu Diebstählen von Sprengmitteln, ja es kam so weit, dass im Jänner 1945 die Zivilbewachung von den Gefangenen Russen bei diessen Berkwerksbetrieb angefallen (die Partisanen wollen zu Waffen kommen) und angeschossen wurde von zwei Unbekannten. Der angeschossene R. F. aus Dörfel hatte seine Pistole unter den Mantl und konnte die Waffe nicht gleich zur Hand kriegen, Er feuerte 3 Schüsse nach und hat auch einen Verwundet. Obzwar auch bald der Volkssturm von Dörfel und später auch Gendarmerie eingesetzt wurden, konnten die Täter doch nicht gleich gefunden werden. Erst später, als der Verwundete Partisan im Keller der Frau S. in Pissendorf nicht mehr aushalten konte, vielmehr veraten wurde. Es wurden dann soweit zu ermitteln es ging, die Betroffenen nach Mähr. Schönberg gebracht und dort die Todesstrafe über 17 Personnen vollsogen und dan in Stadtpark in Massengrab verschart. Nach Einmarsch der Russen wurde das Massengrab verraten, und Deutsche musten die Leichen, welche doch schon cirka 5 Monate eingeschart lagen, mit blosen Händen ausscharen und Abwaschen. Dann wurden die Leichen jede in Ihre Heimat überführt, wo auch wieder Deutsche die Gräber ausheben musten. Dann wurden dieselben als Nationalhelden Feierlich beigesetzt, an der Kirchenmauer in Meedl Utičeny Vater und Sohn, Langer und Strick, alle Vier aus Königlosen. In Markersdorf wurden [die] aus Pissendorf [und] aus Treublitz beigesetzt, die übrigen in Mähr. Schönberger Kreis. R. F., der seine Pistole freiwillig nicht hergab und schuld daran war, dass Partisanen aufgedekt wurden, wurde beim Einmarsch der Russen von zuhause durch Partisanen von seiner Frau weggeholt und im nächsten Ort, in Treublitz, mit einer Holzhacke erschlagen.

Als aber die Russen im Frühjahr 1945 immer sich näher heranschoben, so wurde es auch den grösten Nazischreiern bange, und sie fingen an, sich für das Ausreissen herzurichten. Es kämmen täglich Neue Flüchtlinge aus Schlesien aus den Ratiborer und Leobschützer Kreisen an. Die Strassen waren ganz verstopft, und die Kolonen nahmen keine Ende mehr. Auch Flüchtlinge aus Mähr. Ostrau kämmen einige Familien zu uns. Schon anfangs 1944 kämmen einige Familien aus Berlin, weil Sie wegen Ihrer Kinder die Stadt verlassen musten, bei uns an. Die wurden von der Bahn per Wagen abgeholt und wurden dann Bewirtet mit Kuchen und Kaffee und dann in Ihre Wohnungen geführt, welche Möbelirt mit Betten und allen möglichen sogar Blumen von der N. S. F. eingerichtet waren. Später wurde bei den grossen Flüchtlings Trecks, welche mit ROSS und Wagen [kamen], auch sehr vielle [mit] Kühen, nicht mehr so grosse empfange abgehalten, und es musten grössere Gemeinschaftslager eingerichtet werden. Trotzdem hat sich die Ortsbevölkerung Mühe gegeben (hauptsächlich die kleinen Leute), das Mass der Noht zumildern. Nach dem Einmarsch der Russen, der bei uns am 7. 5. 1945 stadtfand, musten die Armenteufel, die ohnehin schon das meiste verloren baten, wieder in Ihre alte Heimat zurück. Die Leute Jamerten, da Sie doch wüsten, daß nach Ihrer Vertreibung durch die SS alles Ausgeraubt wurde und Sie nichts mehr besassen, als was [sie] bei sich hatten. Aber so


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glatt ging auch der Heimmarsch nicht; da Tauschten die Russen, so auch die Tschechen die Pferde um. Kühe wurden Ihnen weggenommen und etc. Obzwar wir ausgemacht hatten, uns zuberichten, wie Ihnen die Heimfahrt gelungen, haben wir leider keine Nachricht mehr erhalten, weder aus Ratibor noch Leobschütz.

Die Russen Maschinen am 7. 5. 1945 gegen 17 Uhr in unseren Ort ein, in den schon seid Früh von Meedl aus die Anhöhe Dörfel, Storzendorf, Mähr. Aussee, Hliwitz Bekämpft wurde. Infantrie ging vor, und die Artelerie nahm in Ort aufstellung, auch wurde alsbald mit der Schiesserei begonnen. Die Anhöhe wurde von cirka 40 Mann und 6 Panzer, denen noch etwas SS aus Brünn zur Verstärkung gesand wurde, gegen Dausende Russen längere Zeit gehalten; und erst Dinstag, 8. 5. Früh gingen die Russen wieder vor. Das erste, was die Russische Inft. anrichtete, aus den letzten haus den Besitzzer mit sich cirka 200 Schritte zu nehmen und zu erschlossen, in anfang eines Busches. Derselbe wurde erst, nachdem die Russen vorgegangen waren, von einen Tschechischen Bauern aufgefunden.

Abends, am 7. 5. wurde uns von den Tschechen mitgeteilt, dass noch Abends die Stalinorgel eingesetzt wird, daher alle Fenster und Türen wegen Luftdruck offenzuhalten sind, die Bevölkerung aber nach Meedl gehen oder sich in die Keller zu verstecken hat. Die meisten Leute gingen daher in den nächsten Ort, nach Meedl, wo Sie Unterschlupf fanden. Es war aber blos ein Manöver von den Tschechen aus, damit der Russe sowie sie auch selbst Plündern konnten, wie sie wollten. Ich habe den Braten geschaut und bin geblieben, auch sind dan noch einige Männer geblieben. (Wier waren blos 15 Deutsche Männer im Orte.) Meine Frau ist mit der Frau von Nachbar um 21 1/2 Uhr wieder von Meedl zurückgekehrt, da die Offieziere sich schon zuviel mit den Frauen beschäftigten. — Es hat sich dann später herausgestellt, dass sämtliche Frauen aus diesen Haus in die Felder Flüchten musten. — Bei mir sollten 8 Offiziere Übernachten. Indem aber keine Frauen auser meiner bei mir waren, kämmen Sie wohl öfters nachschauen, aber zum Nächtigen kam es nicht. Es kämmen wohl ununterbrochen immer andere, die Übernachten wollten, musten aber immer wieder abziehen, da sie doch vor den Offizieren angst zu haben schienen. Dabei wurden mir wohl l00mal Pistole oder Maschinen Pistole angesetzt. So verging auch diese Nacht, und bei Anbruch des Tages zogen Sie weiter, obzwar wieder andere kämmen. Aber da hat man gesehen, wie die gewirtschaftet haben; wo die Leute weg waren, alles aus geplündert. Die zweite Nacht sind schon mehr Frauen zu hause geblieben, musten sich aber sehr bald verstecken, den die Jagd nach Frauen wurde immer Schlechter.

Am 9. 5. hies es dann, dass Feldmarschall Schörner, der noch bei uns in diesen Abschnitt wiederstand leistete, in Waffenstillstand eingetreten ist. Aber die Frauenjagd ging weiter, und die Tschechen haben noch die Russen unterstützt und dieselben noch in die Häuser geführt, und Alt und Jung muste dran glauben, wen Sie nicht rechtzeitig Flüchten konnten. Ja, es kam so weit, daß Klement Rudolf (Meedl), der seiner Tochter helfen wolle, erschossen wurde. Indem Er aber vielle Goldzähne hatte und sie dieselben nicht so einfach heraus bekamen, so wurde Ihm der Mund auf beiden


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Seiten aufgeschnitten und die Goldzähne herausgebrochen. K. J. aus Meedl, Ortsleiter Stellvertreter, hat zuerst sein Mädl, dann seine Frau und sich selbst erschossen. Er sowie Frau waren gleich Tod, seine Tochter, da Sie noch Lebenszeichen gab, von einer Russischen Ärztin verbunden, später in Krankenhaus ausgeheilt. Frau A. samt Tochter (Meedl) beide vergiftet aus Angst. In Pinke haben sich die Familie M. F. sowie Frau M. O. samt zwei Kindern, die Familie K. und Familie K. F., in ganzen 17 Personen, aus Angst Selbstmord durch Durchschneiden der Handgelenke und des Halses verübt. Bei uns hat sich der Ortsleiter sowie seine Frau beide Angeschossen. Er selbst ist mit einer Schramme davongekommen, wärend seine Frau auf beiden Augen Erblindet ist. In jeden Ort sind einige Leute erschossen oder erschlagen worden. Auch die Tschechischen Partisanen beteiligten sich an dieser Arbeit. So wurde in Hliwitz der Schulleiter von den Partisanen erschossen und dan in die Jauche geworfen.

Mitlerweilen hatten die Tschechen (so sagten sie wenigstens) den Ornungsdinst1 Übernomen, und es gingen immer einige mit Gewehren herum. Die Deutschen wurde aufgefordert, alle Schusswaffen abzugeben, auch die Radios sowie die Fahrräder musten abgegeben werden. Den der Deutsche hatte kein Recht mehr Rad zufahren oder sogar Radio zu hören. Es wurde uns gesagt, dass den Deutschen nichts mehr als das Nackte Leben gehört. — Der Deutsche durfte auch nicht ohne Erlaubnisschein den Ort verlassen und weder per Bahn noch Autobus fahren. — Folgedessen haben die Tschechen gleich mit der wegnähme des Viehes begonnen; da die Russen nur jeden Bauer eine Kuh belassen wollen, so führten die Tschechen in jedes Haus, wo es nur möglich war, eine Kuh hien. Die Pferde hatten die Russen schon gestohlen oder miendesten vertauscht. Die übrigen Kühe, welche nicht im Ort selbst untergebracht wurden, in die Kolonie Taubenbusch, was aus 10 Tschechischen Häusern besteht, geführt, da die Russen den Tschechen, wenigstens bei uns, nichts nahmen. Auch die Schweine, das Mehl sowie das Getreide und alle anderen Sachen, soweit sie nicht schon durch die Partisanen gestohlen waren, wurde dorthin geräumt mit der begründung, es zu schützen. (Die Deutschen sahen nie wieder etwas davon.)

Obzwar doch alles auf Karten im Reich war, so hat man gesehen, was in einen Bauernhaus für voräte waren. Ganze Fuhren Mehl, 100te Kilogram Zucker, sehr viel Schweine-Fett und Speck, Fleischkonserven und andere köstliche Sachen. Trotz alldem haben doch vielle Bauern doch noch immer Vorräte gehabt, die bis zur Aussiedelung 1946 anhielten.

In den Moment, als sich die Russen mehr und mehr verzogen, so haben die Tschechen die Herschaft Übernomen, und wir Deutschen haben sich alle getäuscht, wen wir glaubten, daß das schlechteste nun vorüber währe.

Es war nun die höchste Zeit, dass mit den Landw. Arbeiten begonnen wurde. Die Tschechen brauchten nicht zu arbeiten, und nur die Deutschen von 12 Jahren au mustert auf arbeiten gehen. Dabei haben die Nazi, Männer sowie Frauen, geglaubt, dass Sie eine ausnahme haben. Ich selbst war mehr als 66 Jahre alt, und man hat mir die Aufsicht über sämtliche Feldarbeit


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übertragen. Dabei muste ich solchen Tschechischen Lausbuben noch Raport abgeben. Die Arbeiten wurden Gemeinsam durchgeführt.

Es wurde in jeden Ort ein Národní Výbor gebildet, der jetzt die Ornung übernahm. Und nun kämmen Hausdurchsuchungen an der Tagesordnung. Die Bauern wurden von Ihren Wirtschaften abgesetzt und musten in die Ausgedinghäuser oder in andere Häuser umziehen. Dan kämmen die besseren Privathäuser an die reihe.

Es kamen zuerst Gendarmerie sowie Lehrer angerückt, und für die musten die Häuser geräumt werden. Dan kam die Suche der Wohnungseinrichtung für diese Personen dran; die nahmen, was Ihnen gefiel. Dan kam das andere Gesindl, dabei sehr vielle Verbrecher und setzten sich auf das erst beste Haus, das Ihnen gefiel. — In meinen Ort ist der Ortspolizeiführende ein Vatermörder. — Es kam daher, dass manche Deutsche Parteien 3- bis 4mal umziehen musten, da Sie nur die von Národní Výbor zugewiesene Wohnung beziehn durften.

Das Deutsche Volk war schon verängstigt, dass es nimmer ein noch aus wüste. Dazu kam noch, dass alle Tage Deutsche in die Lager abgeführt wurden und dort fürchterlich Misshandelt wurden. Es waren natürlich auch wieder ausnahmen, zum Beispiel wurden zwei Brüder, der Ortsleiter, der andere Bürgermeister zwar auch abgeführt, Ihnen aber in Lager Sternberg nichts getan. Sie wurden von Tschechischen Bauern herausgeholt zur Arbeit, und da es den gewessenen Ortsleiter nicht paste, so ging er Freiwillig ins Lager zurück. Auch der Ortsleiter aus Meedl wurde durch verwandte Tschechen beschützt, dafür musten die Armenteufel dran glauben.

Für die Arbeit, welche wir bei der Landwirtschaft leisten musten, erhielten wier nichts und einige blos ein Trinkgeld gezahlt. Die Arbeit machte bei einen Stundelohn von 28 Pfenigen 54.000 Kč aus.

Auch kamen die Russen noch mit Autos angefahren, um zu plündern, und die Tschechen haben sie noch Unterstützt.

Es folgt die Schilderung der weiteren tschechischen Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung und ihrer Aussiedlung1,