Nr. 11: Vorgänge in Mährisch Trübau in den Tagen des deutschen Zusammenbruchs; die Übernahme der Verwaltung durch die Tschechen; Einsatz der männlichen Bewohner zu Aufräumungsarbeiten im Heimatort und ihre Verschickung zur Zwangsarbeit nach Kolin.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Erlebnisbericht des ehemaligen Bürgermeisters Franz HickI aus Mährisch Trübau.

Original, Ende 1954, 52 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Ein nicht enden wollender Flüchtlingsstrom aus Oberschlesien, dem ehemals österreichischen Schlesien und Ostmähren flutete seit März 1945 über unsere Heimatstadt Mährisch Trübau. Viele Dienststellen, besonders aus Cosel, Ottmachau, Ratibor, Troppau usw. ließen sich bei uns nieder, und es mußte für sie, ihre Leute, Tiere und Kraftwagen Unterkunft und Verpflegung besorgt werden. So wuchs die Bevölkerungszahl täglich, man sah auf den Gassen fast keine Trübauer mehr, sondern nur Fremde. Dazu kamen noch allerhand Wehrmachtsabteilungen, Kommandos der Polizei, Gruppen der Organisation Todt und dergleichen. Die Einwohnerzahl stieg in den ersten Maitagen auf ungefähr 25 0001; ich wundere mich heute noch, wie es möglich war, immer wieder ein Plätzchen zur Unterbringung der Menschen und all dessen zu finden, was sie mitbrachten. Sogar in meinem Amte hatte ich einige Dienststellen geschlossen mit ihren Leuten untergebracht und einen Permanenzdienst eingerichtet.

Die eingesessene Bewohnerschaft, besonders die Frauen, bestürmten mich dauernd, alles zu veranlassen, daß die Stadt selbst nicht noch in den Krieg hineingezogen werde. Ich stand in Verbindung mit dem Platzkommandanten, einem alten Reiterobersten, der im ehemaligen Versorgungshause seine Dienststelle aufgeschlagen hatte, bis er selbst jede Fühlung mit seinen Vorgesetzten verlor und abrückte. So war ich auf mich allein angewiesen und war trotz aller Widerstände von mancher Seite fest entschlossen, alles zu tun, daß nicht noch weitere unnütze Blutopfer und Zerstörungen das über unsere Heimat hereingebrochene Elend vergrößern.

Am 8. 5. hörte man im Rundfunk, daß die deutsche Armee kapituliert habe und daß ab 9. 5. allgemeiner Waffenstillstand eintreten werde. In dem Chaos war diese Nachricht ein kleiner Trost, glaubte man doch überall, daß die Front um diese Zeit stehen bleibt und damit weiteres Unheil vermieden wird. Am 8. 5. gegen 23 Uhr erschien in meiner Kanzlei ein Oberstabsarzt der Wehrmacht und ersuchte um Räume für ein Feldlazarett. Ich sagte ihm von der erwähnten Rundfunkmeldung, die auch er freudig aufnahm. Wir vereinbarten eine Unterredung um 7 Uhr früh, um die weiteren nötigen Maßnahmen zu treffen, worauf wir uns verabschiedeten. Ich glaube, er legte sich in seinen im Vorhause eingestellten Wagen, und ich ging gegen l Uhr nachts nach Hause. Endlose Kolonneu aller Wehr-


39

machtsteile wie auch Flüchtlinge kamen von der Olmützer Straße her und überquerten den „Praterstern” beim Gymnasium. Abgemüdet und voll Sorge um das weitere Schicksal der Stadt und ihrer Bewohner ging ich zur Ruhe, um zeitig früh wieder im Amt zu sein.

Vor 7 Uhr des 9. 5. ging ich meinen üblichen Weg zur Gemeinde. Zu meiner großen Bestürzung rollten bereits russische Autos über die Kreuzung beim Gymnasium, wo Herr Pavliš in der Uniform eines Zugführers der ehemaligen tschechoslowakischen Armee stand und den Verkehr regelte. Er sagte mir, daß er der Chef aller Partisanen des Trübauer Kreises sei, und daß ich in mein Amt gehen und dort auf ihn warten möge. Ich wunderte mich über Pavliš, der wohl Tscheche war, aber als Mann einer deutschen Frau immer den loyalen Reichsbürger hervorgekehrt hatte, dem ich während meiner Amtszeit als Bürgermeister manche Gefälligkeit erwiesen, und den ich auch vor manchem Leid bewahrt hatte. Doch nicht nur er, sondern sogar einige Deutsche, ja selbst Parteileute, hatten insgeheim mit den tschechischen Partisanen zusammengearbeitet, gingen nun nach dem Einmarsch der Russen mit Maschinenpistolen bewaffnet und mit dem tschechoslowakischen Hoheitszeichen herum und taten in unterwürfigster Weise und Liebedienerei Dienst bei den neuen Machthabern.

Nach kurzer Zeit kam Pavliš mit dem ehemaligen sozialdemokratischen Krankenkassendirektor Friedl und einigen mir unbekannten jungen Leuten in meine Kanzlei und forderte mich höflich auf, sofort eine weiße und eine Sowjetfahne auf dem Amtsgebäude zu hissen. Ich ließ ein weißes Leintuch und eine rote Fahne ohne Hammer und Sichel aushängen. Friedl und seine Mitläufer entfernten sich darauf. Dem neuen Allgewaltigen über Stadt und Kreis übergab ich als Zeichen unfreiwilliger Unterwerfung meine Pistole und die Schlüssel zu meinem Schreibtisch. Die Pistole übernahm Pavliš, die Schlüssel sollte ich, wie er sagte, vorläufig behalten und dem neuen Bürgermeister übergeben, auf den ich bis etwa elf Uhr warten solle. Dann ließ er mich allein, und ich hatte Muße, vom Fenster aus das Plündern der Russen in den Geschäften des Stadtplatzes und ihre Jagd nach Frauen und Mädchen zu beobachten. Um elf Uhr erschien der neue Bürgermeister. Es war der Gärtnereibesitzer Žák, ein früherer österreichischer und nach 1918 tschechoslowakischer Gendarmeriewachtmeister, der sich während der Reichszeit Schak nannte und dessen Kinder bei der Hitlerjugend gewesen waren. Ihm übergab ich die Schreibtischschlüssel und verabschiedete mich mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen für Ihr Amt recht viel Glück, hoffentlich haben Sie mehr Erfolg als ich.” Daß dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen war, erfuhr ich später durch Zufall, als ich in die Wohnung des Herrn Žák gehen mußte, um dort zwei Männern aus dem Arbeitslager, die in der Gärtnerei beschäftigt waren, einen Bescheid des Velitel zu überbringen. Nach kurzem Gespräch erfuhr ich von Žák. daß er nicht mehr Vorsitzender des Ortsnationalausschusses (Bürgermeister) sei. Seine Amtszeit hatte nur ein paar Wochen gedauert. Wie im Kreis fand auch in den führenden Stellen der Stadt ein häufiger Wechsel statt, weil sich die tschechischen Parteien und ihre Günstlinge gegenseitig heftig bekämpften. So mußte auch Pavliš weichen, er wurde sogar einige Male verhaftet. Gegen ihn


40

wurde als angeblichen Deutschenfreund heftig intrigiert. Wie ich später erfuhr, wurde auch das Braunerhäusel zweimal von Partisanen — diesmal hießen sie „penderovci”1 — überfallen und ausgeplündert, schließlich auch die Bewohner, die Familien Steiner und Pavliš aus Heim und Besitz verjagt und das Braunerhäusel in ein Kindererholungsheim umgewandelt. Pavliš fand später Beschäftigung beim staatlichen Forstamt, dann in der Staatsbank (ehemalige Sparkasse) und erhielt 1952 seinen Braunerhäuselbesitz wieder zurück; die Gastwirtschaft blieb aber geschlossen. So hat Pavliš, der tatsächlich in den kritischen Tagen manches Unheil von den Deutschen abwenden konnte, durch die Machtkämpfe innerhalb seiner Konnationalen für seine Tätigkeit um die „Befreiung des tschechischen Volkes von den bösen Deutschen” vieles erleiden und dulden müssen.

Auf dem Stadtplatz traf ich Herrn Steiner aus dem Braunerhäusel, der mich einlud, mit ihm zu kommen und mir sagte, daß meine Frau und meine Kinder und viele andere Trübauer oben im Walde beim Braunerhäusel wären. Ich hatte Frau und Kinder bereits am 8. 5. in die ehemalige Schießhütte in der Nähe des Hellgrabens geschickt, wo sie auf mich warten sollten. Es war gut, daß sie Herr Steiner mit zu sich hinausgenommen hatte, denn diese Hütte wurde gleich am 9.5. von allen möglichen fremdvölkischen Elementen ausgeplündert und verwüstet. Oben im Wald fand ich einige Hundert Trübauer, die dort Schutz suchten und fanden. Wir mußten auch die Nächte im Freien verbringen. In unserem Schlupfwinkel hörten wir immer wieder die fürchterlichen Nachrichten von den Geschehnissen in der Stadt und in den Dörfern. Wir erfuhren von den Mißhandlungen aller Deutschen, von den Vergewaltigungen, von der Erschießung der deutschen Männer in Markt Türnau, darunter auch der ehemalige Abgeordnete Dr. h. c. Franz Hodina, von den vielen Selbstmorden und anderen Greueln.

Samstag, den 12. 5., an meinem 56. Geburtstage, ging ich mit Frau und Kindern zurück in die Stadt, in unsere Wohnung. Wenn uns das auf dem Heimweg Gesehene nichts Gutes ahnen ließ, so waren wir doch beim Betreten unserer Wohnung einfach starr, welcher Anblick sich uns bot. Die massive Eingangstür zerschlagen, alle Türen zu den einzelnen Räumen, zu den Schränken, Laden und dergleichen gewaltsam erbrochen, diese gründlich entleert, kurzum die ganze gut ausgestattet gewesene Wohnung ausgeraubt und vollkommen besudelt. Was mögen da wohl für Orgien gefeiert worden sein! Wer solches nicht gesehen, wird nicht glauben, wozu „Kultur” aus dem Osten und Haß gegen alles Deutsche imstande sind. Langsam machten wir sauber vom Boden bis in den Keller, wo ich unter den Kohlen noch einige Kleiderreste und Eßbestecke fand. Alles, was in der Wohnung gewesen war, war weggeschleppt oder unbrauchbar gemacht worden. So verbrachten wir den 12. und 13. Mai mit Aufräumungsarbeiten und richteten uns aus den Resten notdürftig ein Zimmer ein. Das Traurigste an dem


41

großen Verluste war, daß sämtliche Urkunden, Zeugnisse der Familie sowie unersetzliche Erinnerungsstücke und Andenken mitverschwunden waren.

An diesem 13. 5. 1945, gegen 15 Uhr, erschien ein Partisanenkapitän — es war dies der Förster Jaroslav Pouliček, der Schwiegersohn meines Schwagers Emil Schrötter in Markt Türnau —, erklärte mich für verhaftet und brachte mich zu einem Major der russischen Staatspolizei im Hause der Frau Margarete Meyer am Stadtplatz. Zu meinem Erstaunen entließ mich der Major nach kurzem Verhör mit dem Auftrage, morgen um 10 Uhr wiederzukommen, jedoch in die neue Bibusvilla. Zeitgerecht war ich dort und wurde neuerlich über verschiedene Parteiamtswalter und mein Urteil über die Rote Armee befragt. Ich antwortete so, daß ich keinem meiner früheren Mitarbeiter und auch mir selbst nicht schadete. Den überaus vornehmen Offizier interessierte besonders meine Offizierslaufbahn im ersten Weltkrieg und die Organisation der ehemaligen k. u. k. Armee. Er entließ mich abermals und bestellte mich wieder für den folgenden Tag. So ging es bis Freitag. Er stellte mich und meine Familie unter seinen Schutz, aber als ich ihn bat, mir dies schriftlich zu geben, lehnte er es mit dem Bemerken ab, er habe kein Stampiglie seiner Dienststelle. An diesem Freitage fragte er mich nach allgemeiner Unterhaltung, ob ich denn nicht einige Schnapsvorräte hätte. Ich sagte ihm, daß mein ganzes Hab und Gut gestohlen worden sei, daß ich daher auch keinen Alkohol mehr habe, versprach ihm aber eine Flasche Kognak, die ich noch in meinem Luftschutzgepäck vorgefunden hatte. Er bestellte mich wieder für den nächsten Tag und bat mich, den Kognak mitzubringen. Abends saß ich mit meiner durch die üblen Ereignisse verängstigten Frau im Garten; plötzlich stand ein kleiner russischer Soldat vor uns, den ich als einen aus der Umgebung des Majors erkannte. Er verlangte den Schnaps, wahrscheinlich hatte sein Herr schon heftiges Sehnen danach, ich folgte ihm die Flasche aus und ging nicht mehr zu dem Major.

Trotzdem wir aller Habseligkeiten beraubt waren, kamen immer wieder tschechische junge Leute und suchten alles aus, ob nicht noch etwas für sie zu ergattern wäre. Besonders in der Nacht gab es oft unter dem Vorwand „Kriminalpolizei” bewaffneten Besuch, der immer wieder das Wenige, das wir uns wieder zusammengesucht hatten, durchstöberte. Solche, oft Stunden dauernde Durchsuchungen, die mit den größten Beschimpfungen verbunden waren, konnten einen verrückt machen. Es bedurfte großer Beherrschung, um nicht ausfällig zu werden. So erschien eines Nachts eine Gruppe bewaffneter Tschechen, fragte, ob wir nicht Soldaten verborgen hätten und begann gleich mit dem Absuchen der Räume. Ich sagte den Plünderern: „Ja, wir haben in unserer Wohnung Soldaten, aber russische.” Meine Frau weckte die Russen inzwischen, und es kam zu einem heftigen Streit, bis schließlich die Russen ihre verbündeten Abenteurer fortjagten und wir so zur Ruhe kamen.

Unsere beiden Kinder hatte ich, um sie vor den Russen zu schützen, ins Krankenhaus geschickt, wo Inge auf der Diphtherie- und Traute auf der Typhusabteilung der Internen bei Dr. Bier als Pflegerinnen schafften, so daß ich mit meiner Frau allein war. In unsere Wohnung hatte man noch das obdachlos gewordene Ehepaar Professor Sandbach gesteckt.


42

Am 20. 5. mußte ich mit vielen anderen Männern täglich auf dem Stadtplatz vor der Sparkasse antreten, wo der tschechische Leiter des Arbeitsamtes die einzelnen Gruppen einteilte. Ich wurde einer Abteilung zur Aufräumung des Museums zugewiesen. Was sich in diesem Gebäude heimatlicher Kultur zugetragen hatte, ließ uns alle erschrecken. Wohin man blickte, überall alles zerschlagen und mutwillig zerstört. Im Lichthof sah es besonders wüst aus: der große Globus in tausend Scherben, die Büsten Dr. Giskras1 und des Malers Kasparides2 entsprechend „bearbeitet”, nun ohne Nasen und Ohren, die Ölgemälde zerrissen, das Fahnentuch des ehemaligen Gesangvereines Lyra voll Unrat, die Sammlungen durcheinandergeworfen — halbwegs unversehrt war lediglich die Mineralien- und Schmetterlingssammlung —, kurzum Verwüstungen höchsten Grades, wohin man schaute. Das Wondrazimmer3 lag besonders arg da: die herrlichen großen Ölbilder mit Messern von oben nach unten zerschlitzt, das Spinett unbrauchbar gemacht, die Ehrenurkunden Dr. Giskras zerwühlt, deren Schutzdecken der Metallbeschläge beraubt — vermutlich glaubten die Missetäter, daß diese Verzierungen aus Gold sein müssen —, Bilder und Reliefs als Zielscheiben benutzt und zerschossen, sogar mit den Pfeilen der Waffensammlung muß viel „geübt” worden sein. Die ungefähr 25 000 Bände zählende Bibliothek war aus den Regalen geworfen und stark beschädigt. Hier gab sich Kamerad Professor Franz Nowak, der später an den Folgen der in Kolin erduldeten Strapazen und Quälereien starb, die größte Mühe, nur einigermaßen wieder Ordnung zu schaffen. Tierisch war die Verwüstung in der Schönhengster Webstube. Die weibliche Trachtenpuppe lag in eindeutiger Stellung im Bett und die männliche auf ihr. Im Uhrenzimmer fehlte jeder der ausgestellten Uhren das Werk. So mancher der naiven Moskowiter mag sich ein solches Uhrwerk beigebogen haben, um sich daraus eine oder mehrere Taschenuhren machen lassen zu können. Für Taschenuhren und Fahrräder waren ja die Sieger besonders empfänglich. Im Vortragssaal lag der Flügel mit abgebrochenen Beinen verkehrt vor den ersten Bankreihen im Parkett, die Fenster waren zum größten Teil zerschossen, besonders auf der Seite gegen die Nowakgasse. Viele Körbe mit Scherben trugen wir hinaus in den Park zum Zuschütten der seinerzeit dort ausgehobenen Splitterschutzgräben. Gottlob blieb das Archiv unbeschädigt, da im Sitzungszimmer die Notverwaltung der Stadt Troppau untergebracht war. Über 14 Tage arbeiteten wir dort an der Reinigung und Aufräumung der Zimmer, am Einordnen der Trümmerstücke und versuchten dem Ganzen wieder ein nur halbwegs museales Aussehen zu geben.

In der zweiten Woche unserer Arbeiten hatten wir ein nicht gerade angenehmes Erlebnis. Wie üblich kamen wir eines Tages nach 7 Uhr hin, einer holte die Schlüssel bei der tschechischen Gendarmerieabteilung in der ehemaligen Reichsautobahnraststätte, und da fanden wir das Museum von


43

fremden Partisanen, natürlich schwerbewaffnet, umstellt. Wir durften das Gebäude nicht betreten, mußten vor dem Nebeneingang warten und wußten natürlich nicht, was los sei. Schließlich mußten wir eintreten, uns im Lichthof in einer Reihe aufstellen, wurden nach Namen und Wohnung gefragt und durften uns nicht rühren. Unter den Partisanen erkannte ich einen Kraftwagenfahrer, der früher den Troppauer Bürgermeister geführt und viele Gemeindefahrzeuge zu uns nach Trübau in Sicherheit gebracht hatte. Nun spielte er als Partisan eine führende Rolle und verfügte über die armen Troppauer in Trübau, deren größter Teil später auf seinen Befehl zu Fuß, jeder seiner Habe beraubt, nach Troppau zurück mußte. Von ihm erfuhren wir nun auch den Grund der Maßnahmen an diesem Tage: Aus den Mauern des Museums war angeblich in der Nacht auf Tschechen geschossen worden, es müßten daher noch unbedingt irgendwelche deutsche Soldaten im Museum verborgen sein. So mußte nun Kamerad Dr. Linhart von unserer Arbeitsgruppe, ausgerüstet mit einer starken elektrischen Taschenlampe, begleitet von zwei Partisanen mit schußfertiger Maschinenpistole, jeden Winkel des Museums vom Boden bis zum Keller ableuchten, um die bösen, versteckten deutschen Soldaten zu finden. Leider, oder Gott sei Dank, ohne Erfolg! In Wirklichkeit hatten betrunkene Partisanen den nächtlichen Feuerzauber ausgelöst. Wir standen weiter im Lichthof und bekamen schließlich den Auftrag, die zerschlagenen Fenster mit Brettern zu vernageln. Nicht gesagt wurde uns allerdings, woher wir Bretter, Nägel und sonstiges Werkzeug nehmen sollten. Inzwischen machten einige Partisanen in unseren Wohnungen zum Schrecken der Frauen Hausdurchsuchungen, um vielleicht da die gesuchten deutschen Soldaten zu finden. Wir wurden dann heimgeschickt und konnten die folgenden Tage ohne Störung unsere Arbeit fortsetzen.

Am 7. 6. sahen wir beim Antreten auf dem Stadtplatz tschechische Soldaten, die alle Zugänge abgesperrt' hielten und ständig weitere Männer brachten. Der Haufen wurde immer größer, bis schließlich alle in der Stadt befindlichen Männer aufgetrieben waren. Es sollen ungefähr 600 gewesen sein. Das Kommando über die Soldaten führte ein wüst aussehender Stabskapitän, namens Beštiak, im wahrsten Sinne des Wortes wirklich eine Bestie. Niemand wußte, was mit uns geschehen wird. Um 13 Uhr wurde der Haufen in Bewegung gesetzt, und ein bewaffnetes Aufgebot brachte die Kolonne zum Bahnhof. Meine stets um mich besorgte Frau gab mir während des Marsches einen Mantel und eine Aktentasche mit Kleinigkeiten. Ohne mich von ihr verabschieden zu können, ging's zum Bahnhof, wo schon ein Zug mit Viehwaggons zu unserer Verschickung bereit stand. Wie Tiere wurden wir in die Waggons hineingezwängt, und gleich begann nun die Fahrt ins Ungewisse, Richtung Triebitz. Nach der äußerst anstrengenden Fahrt wurden wir gegen 23 Uhr in Kolin auswaggoniert.

Es folgt die Schilderung der Erlebnisse während des Arbeitseinsatzes in Kolin, der Rückkehr nach Mährisch Trübau Ende Juni 1945, der Verhaftung und Verurteilung durch einen Volksgerichtshof1 und der Ausweisung im Februar 19542.


44