Nr. 23: Die Maßnahmen der amerikanischen Militärbehörden nach der Besetzung Schönthals; der Einmarsch sowjetischer Besatzungstruppen nach dem Abzug der Amerikaner.

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Erlebnisbericht des ehemaligen Bürgermeisters Tiberius Luderer ans Schönthal, Kreis Tepl.

Original, 14. September 1955, 3 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Einleitend macht der Vf. einige Angaben über seinen Heimatort und fährt dann fort:

Schönthal wurde anfangs Mai 1945 von amerikanischen Truppen besetzt, und [es] wurde daselbst ein General Stiller mit einigen Hundert deutschen Soldaten gefangengenommen. Der Ort war mit Flüchtlingen bereits überbesetzt. Zu Kampfhandlungen kam es bei uns nicht mehr. Der große Marktplatz war mit Militärfahrzeugen vollgestopft, in den umliegenden Wäldern standen viele Hunderte Militärfahrzeuge verlassen. Nach der Kapitulation kam zu uns noch ein Flüchtlingstransport und darunter viele aus Dresden, rund 1000 Menschen, welche auftrags der amerikanischen Besatzung untergebracht werden mußten. Flüchtlingstrecks, meist motorisiert, standen außerhalb Schönthals und der Nachbargemeinden auf freiem Feld. — Zu Plünderungen kam es nicht. Die in der Gemeinde Schönthal beschäftigten Fremd-


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arbeiter wurden, nachdem sie zu Plünderungen ansetzten, von der amerikanischen Besatzung in die von den Russen besetzten Nachbargemeinden abgeschoben.

Schönthal hatte nach dem Kriege mit Frankreich französische Kriegsgefangene, welche durchwegs bei Bauern in Arbeit standen. Die französischen Gefangenen benahmen sich vollkommen korrekt, und kam es mit ihnen zu keinerlei Zwischenfällen.

Einige Tage nach der Besetzung durch die Amerikaner erschien bei mir amerikanische Staatspolizei, umstellte mein Haus, ich bekam den Auftrag, alle Gemeinde- und Parteifunktionäre anzugeben. Während ich noch mit dem amerikanischen Dolmetsch sprach, kam eine Abordnung der französischen Gefangenen, einer davon sprach perfekt Englisch und Deutsch, und innerhalb 10 Minuten ernannte mich der amerikanische Kommandant über Antrag der Franzosen trotz meiner politischen Tätigkeit während des Krieges zum Bürgermeister für die Heimatgemeinde Schönthal.

Noch kurz vor dem Zusammenbruch blieb in Schönthal ein Transport KZler hängen, da die Begleitmannschaft abhaute. Ich quartierte rund 60 Männer und Frauen in der Schule ein, finanzierte die Verpflegung. Ein KZler, wie er mir erklärte, war er ein polnischer Gutsbesitzer, Name ist mir leider nicht mehr erinnerlich, nahm sich um die Verpflegung der KZler an, beschaffte bei der Besatzung Brot, Kartoffeln hatte ich von der letzten Lieferung rund 300 Ztr. zurückbehalten. Die gefangenen Soldaten unter General Stiller verpflegten sich aus Beständen der Gemeinde.

Am 26. 5. 1945 kam der amerikanische Dolmetsch zu mir und erklärte, er würde mich und den Bauern Ludwig Pichl mit einem 5-to-Wagen nach Bayern fahren, wir könnten aufladen, was das Auto trägt. Ich und Pichl — derselbe war seit 1924 ununterbrochen zweiter Stellvertreter — lehnten ab und erklärten, wir könnten die Gemeinde in dieser Notzeit doch nicht im Stich lassen.

Am 28. 5. 1945 gingen die Amerikaner aus dem Ort hinaus und zelteten außerhalb Schönthals neben der Bezirksstraße zur Kreisstadt Tepl auf freiem Felde, russische Besatzung kam in den Ort. Die Amerikaner nahmen General Stiller und sämtliche Soldaten mit. Was später mit ihnen geworden, ist mir nicht bekannt.

Nach Einzug der russischen Besatzung wurden sofort Erhebungen wegen der Gemeindeverwaltung und Partei bei den Sozialdemokraten angestellt und ich noch am selben Tage wieder zum Bürgermeister bestellt. Es gab durch die Russen im Orte auch keine Plünderung oder Vergewaltigung. Der russische Kommandant, soviel ich mich erinnere ein Mongole, schaute sehr auf Ordnung in unserer Gemeinde.

Am 18. 6. 1945 kam ein motorisierter Bote von Petschau und trug mir auf, am 19. 6. 1945 die alte Gemeindevertretung und die Sozialdemokraten auf der Gemeindekanzlei zusammenzunehmen. Am 19. 6. 45 kamen 2 Gendarmen und 2 Zivilisten vom Národní Výbor Petschau und bestellten mit Rücksicht auf den von der Gemeinde selbst bewirtschafteten Hof und den großen Waldbesitz und das lagernde Holz einen neuen Gemeinderat. Ich


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wurde, trolz meiner Weigerung, wieder zum Bürgermeister bestellt. Diesbezüglich ist das Original-Protokoll in meinen Händen. Kurz darauf wurde ein čechischer Kommissar aus Pilsen und ein Kommissar für die Ernte eingesetzt. Nach Übernahme der Zivilverwaltung durch die Čechen mußten alle Wertgegenstände, Radio, Musikinstrumente, Schmuck, Pelze, Bücher, alle von den Flüchtlingen eingelagerten Gegenstände, Koffer abgegeben werden. Die Hausdurchsuchungen durch die Čechen nahmen kein Ende. Nur ein Beispiel: Einer Landwirtstochter wurde die Ausstattung abgenommen, sie ging zu den Russen, und selbe holten die Sachen dann wieder aus dem noch am Markt stehenden čechischen Autobus.

In der Umgebung von Schönthal, gegen Karlsbad zu, lagen auf dem sogenannten Killmesberg wohl an die 3000 russische Soldaten, und [es] mußten von Schönthal täglich Fuhrwerke und Männer abgestellt werden. Zu der Zeit der einsetzenden Heuernte wandte ich mich an den russischen Kommandanten, und wir brauchten dann keine Gespanne und Männer mehr zu stellen.

Der Bericht schließt mit einer kurzen Darstellung der späteren Ereignisse bis zur Aussiedlung des Vfs. im August 1946.


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