Nr. 44: Zwangsarbeitseinsatz der Vfn. bei tschechischen Bauern im Bezirk Groß-Meseritsch von Oktober 1945 bis zu ihrer Entlassung im August 1946 und ihrer anschließenden Ausweisung.

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Erlebnisbericht der Bauersfrau Anna Bieberle aus Langenlutsch, Kreis Mährisch Trübau.

Original, 12. März 1951, 5 Seiten, hschr.

Am 10. Mai kamen die Russen und haben schrecklich gehaust. Einige Tage später kam ein tschechischer Kommissar, H. von Markt Türnau, der schützte die Deutschen, wo er nur konnte, leider mußte er seinen Posten bald verlassen, es kam ein anderer. 50 Partisanen sollen gewesen sein, ich habe sie aber nicht gezählt. Es wurden einige Bauernhöfe besetzt, denn die GPU hatte viele verschleppt. Auch der zweite Kommissar war nicht lange, dann kam ein dritter, Kotschera von Opatowitz, dann ging die Hölle los. Die Partisanen quälten die Menschen, wie und wo sie konnten. Die ganzen Nächte wurde geschossen, und bei Tag wurde immer ein Bauer hinter dem anderen vollends ausgeplündert. Was die Russen nicht gefunden haben, fanden die Tschechen, und die Prügelei ging los.

Die Vfn. erwähnt anschließend einige Gewalttaten und nennt die Augenzeugen.

Wir wurden 10. August 45 enteignet, unser Verwalter Anton (den anderen Namen konnte ich nicht aussprechen) aus Chrudin bei Prag1 tat uns nicht viel zuliebe und nicht viel zuleide. Die Arbeit mußten wir macheu, bekamen dafür zu essen, wenn wir arbeiteten. Haben letzten Endes meinen Mann auch bezahlt. So kam der 16. Oktober 45. In der Nacht um l Uhr wurden wir mit Poltern und Schießen geweckt. Gegen 2 Uhr kamen sie, sieben Mann mit Gewehren, um meinen Mann. Er ist Kriegsversehrter aus dem Ersten Welt [krieg] und nahmen ihn gleich mit. Früh um 7 Uhr trug ich ihm Kleider nach ins Gasthaus Schuster. Da [waren] zirka 80 Personen, Männer und Frauen. Als mich die Wache erblickte, haben sie mich mit Stiefel ins Kreuz bearbeitet, daß ich kaum gehen konnte. Um 9 Uhr hörte ich, wie sie mit Schießen und Schreien die Menschen getrieben bringen. Ich


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trat zu meinem Mann in die Reihe und verabschiedete mich. Da sprach mich F'rau Maria Hertl an, und dies sah der Tscheche Gritzbach, schlug mich im Nacken und warf mich in einen Dornenstrauch, wo ich erst zum Bewußtsein kam. Mein Mann kam abends zurück.

Donnerstag wurde ich abends von einem Tschechen geholt mit Gewehr, das war kein Partisan. Der gab mir noch Rat, wie ich sagen soll, daß ich zurückkomm. Um 2 Uhr nachts wurden wir, ich denke 22 Personen, in einen kleinen Kohlenkeller gesperrt, unter lauter Qual und Kränkung seitens der Bewachung wurden wir 8 Uhr auf die Straße gejagt, mit zwei Posten bewacht. Dann gings nach Mähr. Trübau. Dort [wurden] von einem jungen Arzt zirka 400 Menschen arbeitsfähig geschrieben, dann auf Lastwagen geladen, mit MP bewacht. Dann gings nach Brünn, alles ohne Essen.

Die jüngeren Menschen waren bald verteilt, vier oder fünf junge Frauen mit zwei Kindern, eine ältere mit einem Mädl und wir vier älteren Frauen kamen weiter nach Groß-Meseritsch ins KZ und mußten dort bleiben, bis wir wieder unter dem Namen KZlerin zu Bauern kamen. Von den Jungen wußte ich nichts mehr. Wir kamen: Therisa Ille zu Herrn C.; Anna Bieberle, Eierhändlerin, 60 Jahre, zu Herrn L. H.; Emilie Maurer, 54, zu Herrn J. P.; lauter gute brave Tschechen; Anna Proksch, 54 Jahre mit 8jährigem Mädl, zu Herrn J. S. und ich, 54 Jahre, zu Herrn J. T., alle nach Horní Heřmanice. Frau Proksch war bald kaputt und wird wohl Ende 46 gestorben sein. Im Stall bei Pferden und Kühen ging es bergab mit ihr.

Solange meine mitgebrachten Kräfte aushielten, ging es ja so halbwegs. Anfang Jänner war ich das erstemal krank. Nicht das übrige Essen und schwere, sogar Männerarbeiten haben mich auch bald zum Krüppel gemacht1. Wenn ich krank war, hieß es, ich will nicht arbeiten. — Daheim in Langenlutsch wurde derweil mein Mann blutiggeschlagen. Den 27. Jänner 46 kam er mir freiwillig mit 62 Jahren nach in die Zwangsarbeit. Mein Mann hatte in Groß Meseritsch gute Tschechen getroffen, die verkauften ihm Kleidersachen, Brot bekam er geschenkt.

März 46 bekamen wir keine Post mehr, sogar einen eingeschriebenen Brief schickten sie zurück. Beweis ist hier. Im Frühjahr bekam ich ein Telegramm: Mutter schwer krank; ich durfte nicht fahren. Den zweiten bekam ich nicht. Dann Ende April kam mein Mann vom Felde, der arbeitete bei Herrn Rösch Nr. 1, da warteten zwei Polizisten auf ihn, einer ohrfeigte ihn. Mitte Juli 46 kam mein Mann ins Krankenhaus. [Am] sechsten Tag kam [er] wieder zurück, arbeitsfähig. Drei Tage später kam ich ins K rankenhaus nach Trebitsch für acht Tage. Sehr schlechtes Herz, Magensenkung und -erweiterung, trotzdem [wurde ich] für leichte Arbeit geschrieben von Herrn Dr. Otto Krupica in Groß Meseritsch. 6. August drittes Telegramm: Mutter tot; wieder kein Urlaub. Mein Bruder Josef und seine Tochter Elisabeth boten alles auf, uns aus diesem Jammer zu befreien. 21. August 46 konnten wir und Therisa Ille heimfahren, die anderen restlichen zwei mußten noch bleiben und sind von dort gleich ausgesiedelt.


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Als wir endlich in Langenlutsch ankamen, wurde Kommissar Kotschera wild und schrie: „Ihr seid ausgesiedelt, was wollt Ihr mehr hier!” Traurig gingen wir zu meinem Bruder, Schwägerin und Tochter Elisabeth nach Langendon, Gemeinde Hinter Ľhrnsdorf1. Dort wurden wir gut aufgenommen. Der Bürgermeister gab uns die [Unterkunft]. Ein Tscheche sagte uns, wenn wir bis 23. August nicht wären hiergewesen, hätte er uns selbst zur Aussiedlung abgeholt. Ein älterer Tscheche hat geholfen, wo er nur konnte. Beide [waren] von Albendorf bei Gewitsch. Sie haben uns ein scharf abgefaßtes Begleitschreiben nach Langenlutsch mitgegeben mit dem Befehl, uns unser Aussiedelgut herauszugeben, was doch Kotschera dann bewilligte.

So konnten wir Anfang September aussiedeln. Von den guten Hinter Ehrnsdorfer Tschechen begleitet, weil wir das schlimme Langenlutsch mit der bösen Horde passieren mußten. Kamen bis Zwittau, dort war noch eine schlimme Kontrolle. Alles Geld, was sie fanden, bis auf 2 RM, wurde abgenommen und jedes Papier, was nur irgend einen Wert hatte.