Nr. 46: Verurteilung des Vfs. durch ein tschechisches Volksgericht zu einer mehrjährigen Kerkerstrafe und seine Einweisung in ein Straflager.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Erlebnisbericht des ehemaligen Bürgermeisters Franz Hickl ans Mährisch Trübau.

Original, Ende 1954, 52 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Der Vf. schildert zunächst die Übernahme der Verwaltung von Mährisch Trübau durch die Tschechen, den Einsatz der männlichen Bevölkerung zu Aufräumungsarbeiten1, seine Verhaftung nach der Rückkehr vom Arbeitseinsatz in Kolin, die Erlebnisse im Internierungslager Mährisch Trübau und fährt dann fort:

Allmonatlich tagte eine Woche hindurch das Volksgericht, dessen Urteile hart waren und das sogar zwei Todesurteile fällte.

Am 28. 8. 1946 wurden wir 120 internierten und noch nicht abgeurteilten Männer in drei Autoladungen nach Mürau2 überführt. Hier wurden wir auf der Abteilung 2 untergebracht und zu Arbeiten in der Anstalt herangezogen.


249

Am 12. 9. begann abermals eine Tagung des Volksgerichtes in Trübau. Die Verurteilten wurden gleich nach Mürau gebracht und die für den 13. 9. Bestimmten, darunter auch ich, ins Lager nach Trübau mitgenommen. Als wir morgens fertig waren, sagte uns ein Gendarm: „Burschen, jetzt gehen wir zum Theater.” Auch diesem Hüter des Gesetzes erschien also das ganze Volksgericht als Theater.

Wir sechs Kandidaten wurden nicht mehr gefesselt, nicht in den „Grünen Heinrich” gesteckt, sondern gingen ganz gemütlich in Begleitung zweier Gendarmen vom Lager über Neuhäusel, Weidlichgasse, Schurgassi, Museumpark, Zwittauer Straße zum ehemaligen Landratsamt. In der Küche des früheren Hauswartes Frimmel mußten wir unter Bewachung durch einen Gendarmen warten, bis einer nach dem ändern aufgerufen wurde. Als letzter kam ich daran; durch das mir so gut bekannte Gebäude wurde ich in den Verhandlungsraum, den früheren Sitzungssaal, geführt. Der hohe Gerichtshof saß an einem langen Tisch auf dem Podium. Vorsitzender war ein allerer Berufsrichter namens Mazal, ihm zur Seite saßen die drei Beisitzer, darunter eine Frau, Staatsanwalt und ex offo Verteidiger hatten an je einem Tische unten vor dem Podium ihren Platz1. Ich als Angeklagter saß zwischen zwei Gendarmen in der ersten Stuhlreihe. Zu meinem Erstaunen gab es nur wenige Zuhörer, ein Beweis, daß diese Schauprozesse um diese Zeit keine Sensation mehr bei dem schon etwas beruhigten tschechischen Volk erregten.

Der Vorsitzende beginnt mit der üblichen Personalienaufnahme und verliest die umfangreiche Anklageschrift, darunter einige Protokolle aus der Zeit vor Oktober 1938 — von damaligen „Geheimen” der tschechischen Staatspolizei, des damaligen Gendarmen Stratil —, die mich vieler gegen den tschechoslowakischen Staat gerichteter Handlungen beschuldigten. Die Verhandlung wird in tschechischer Sprache geführt, obwohl ich diese nur mangelhaft beherrsche. Der Vorsitzende bezichtigt mich weiter verschiedener staatsgefährlicher Handlungen als Bezirksleiter der Sudetendeutschen Partei. Als mir dies schon zu bunt wird, bitte ich ums Wort und sage, daß diese Anschuldigungen nicht zu recht bestünden, da die Sudetendeutsche Partei doch eine von der tschechoslowakischen Regierung zugelassene Partei war, wie jede andere deutsche oder tschechische Partei, in allen öffentlichen Körperschaften ihre Vertreter hatte und im Prager Parlament nach den Wahlen im Mai 1935 die stärkste deutsche und zweitstärkste Partei im Staate war, daß alle Veranstaltungen stets von Regierungsvertretern überwacht wurden, die sicherlich gegen mich eingeschritten wären, wenn ich mich vergangen hätte.

Meine Tätigkeit als Bürgermeister, meine Mitgliedschaft bei der Heimat-SS geben dem Vorsitzenden Anlaß, mich zum größten Feind des tschechischen Volkes zu stempeln. Sogar dem Staatsanwalt scheint dieses SS-Kapitel schon nichtssagend zu sein, da er einige Male erklärt, daß ich lediglich ehrenhalber, sozusagen nur als Uniformträger gelte, da ich als Bürgermeister eben eine Uniform haben mußte. Unter anderen Zeitungsausschnitten muß


250

ich eine von mir im November 1938 in der Schönhengster Zeitung erschienene Notiz verlesen. Ich forderte darin die Bevölkerung auf, nach nun erfolgter Eingliederung ins Reich die damit verbundenen Feiern zu beenden, wieder an die Arbeit zu gehen und alle Kräfte dem deutschen Vaterlande zu widmen. Mir wird zur Last gelegt, den Artikel schon vor Oktober 1938 geschrieben zu haben. Nach ungefähr einer halben Stunde zieht sich der Gerichtshof zurück, erscheint nach kurzer Zeit wieder und verkündet das Urteil: Acht Jahre schweren Kerker, jeden Monat ein hartes Lager und zwölf Jahre Ehrverlust1. Der Vorsitzende begründet das Urteil, erklärt, daß eine höhere Strafe beantragt war und nur auf Grund der mich entlastenden Aussage des tschechischen katholischen Pfarres Dr. Simon dieses milde Urteil erfolge2.

Im folgenden berichtet der Vf. ausführlich über seine Erlebnisse während der 8jährigen Haft, die er in verschiedenen Strafanstalten und Zwangsarbeits-Sonderabteilungen verbüßte3, und über seine Entlassung und Ausweisung zu Beginn des Jahres 19544.