Nr. 63: Zwangsarbeitseinsatz deutscher Frauen aus Einsiedl in Strojetitz, Kreis Podersam; Ausschreitungen des tschechischen Bewachungspersonals im Lager Auschowitz bei Marienbad.

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Erlebnisbericht der Frau Therese Reisser aus Einsiedl bei Marienbad.

Original, 15. Juni 1947, 4 Seiten, hschr.

Den 16. August 1945 mußte ich mit 28 Frauen und Mädchen aus Einsiedl b. Marienbad nach Strojetitz bei Saaz in die Hopfenpflücke. Wir wurden nachts um 11 Uhr auf 2 Leiterwagen verladen und unter tschechisch-militärischer Bewachung (jeder Wagen hatte vorne und rückwärts je 2 Mann mit schußbereiten Maschinenpistolen) nach Marienbad (Bahnhof) transportiert. Darunter waren auch Kinder unter 14 Jahren. Nach sehr bedrückendem Transport kamen wir in Strojetitz an, wo wir in der größten Hitze auf einem freien Platz den ganzen Nachmittag lagerten. Hier waren die ganzen Häuser mit tschechischen Kornmissaren besetzt, die deutsche Bevölkerung durfte nicht mit uns sprechen. Unsere traurige Lage kam uns so richtig zum Bewußtsein, denn wir fühlten uns wie auf einem Sklavenmarkt. Die Kommissare, ausschauend wie die Räuber, kamen, schätzten uns ab, suchten sich die ihnen passenden Frauen und Mädchen aus. Wir wurden in 7 Gruppen geteilt und durften uns durch strenges Verbot die ganze Zeit nicht treffen. Als wir mal vom Felde heimgingen und die 14jährige Ilse Schurwonn infolge der Hitze die Weste mit der gelben Armbinde über dem Arm trug, so daß die Binde gut sichtbar war, stürzte sich im Ort ein tschechischer Soldat auf sie und schlug sie ins Gesicht.

Als wir den 31. August Mittag aus der Hopfenpflücke zurückkamen, wurde ich nachts um 10 Uhr sowie noch l Frau, 7 Mädchen, 5 Männer, darunter der 83jährige Franz Zeidler (der durch die Folgen der Haft und der unmenschlichen Behandlung bald starb), der 13jährige Willi Brandl und die 14jährige Ilse Schurwonn, verhaftet. Wir wurden in der Nacht ins KZ Auschowitz bei Marienbad (Rennbahn) eingeliefert, und es begann die Hölle auf Erden. In einem 7 m2 großen Raum waren wir 28 Frauen, man konnte kaum atmen, mußten auf Brettern schlafen. Schon bei der Einlieferung bekamen wir ohne jeden Grund Schläge mit dem Gummiknüttel und der Peitsche ins Gesicht, auf den Kopf und Rücken, so daß wir nach Wochen noch die Striemen hatten. Als diese Bestien die mit uns eingelieferten Männer unmenschlich schlugen, so daß das Blut in Strömen floß, sie mit Füßen stießen und auf ihnen herumtrampelten, mußten wir an der Wand stehen und zusehen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß es solche Menschen geben kann und hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte.

Als wir am 2. September, einem Sonntag, von der Arbeit ins Lager kamen, stürzte sich der Kommandant Latke, von uns nur Tiger genannt, auf unsere Arbeitsführerin Frau Lotz und schlug sie derart ins Gesicht, daß sie zusammenbrach. Dann mußten alle Männer, an die 400, antreten und wurden von dieser Bestie und 2 seiner Posten der Reihe nach nieder-


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geschlagen. 50, 80 und über 100 Hiebe (je nachdem die Männer ihm zu Gesicht standen) mit einem armstarken Gummiknüttel, wo ein Draht durchgezogen war. War dieser Sadist mit seinen Henkersknechten von ihrer bestialischen Arbeit ermüdet, dann mußte ein Kamerad den anderen schlagen. Wehe, wenn dieser nicht fest genug hinschlug. Dann riß er ihm den Knüttel weg, und der bekam von ihm das 3- und 4fache. Diese Schlägerei, wo einige Gummiknüttel in Studie gingen, dauerte von 5 bis 10 Uhr. Nun mußten die armen zerschlagenen Männer noch bis 12 Uhr exerzieren und tschechische Lieder singen. Wer nicht sang, bekam die Peitsche. Am 4. September schlug Latke ein Fräulein Schulz aus Jauer fast tot und legte sie in Ketten. Am ganzen Körper hatte sie keinen heilen Fleck. In unsere Zelle kam er hereingestürmt, brüllte Fräulein Reiprich auf tschechisch an. Da sie diese Sprache nicht beherrschte, konnte sie keine Antwort geben. Darauf schlug er sie 2mal ins Gesicht und mit dem Gummiknüttel über den Rücken sowie noch 10 Frauen und Mädchen, darunter auch mich, eine 68jährige Frau und die 14jährige Schurwonn mit solcher Gewalt, daß wir fingerstarke Schwielen hatten und 3 Wochen nicht auf dem Rücken liegen konnten. Einige Tage später hat sich aus Einsiedl A. H. im Waschraum erhängt. Zuvor ist er auf der Wachstube halbtot geschlagen worden. Ich sah ihn aus der Wachstube heraustaumeln, wo er noch mit Fußtritten bearbeitet wurde. Er konnte nicht mehr aufrecht gehen. Es war um 12 Uhr nachts. Habe die Schläge bis in unsere Zelle gehört. Anfang Oktober hat Latke Frau Utschig mit Sohn, die über die Grenze wollten, aufgegriffen und ins KZ eingeliefert wurden, so geschlagen, daß die Hand und der Arm geschwollen war wie zum platzen, Rücken und Brust ganz mit Blut unterlaufen, das Gesicht zerschlagen, die Augen waren noch verschwollen und blau, als sie nach Wochen zum Verhör gingen. Der Arm war wie gelähmt. Ebenso ging es Frau B., Marienbad, deren Mann sich vergiftete, als ihn die Tschechen aus seiner Apotheke warfen. Die Besitzerin vom Zoo Mbd.1, deren Mann schon im Juli verhaftet wurde, hat sich bei ihrer Verhaftung im November vergiftet. Förster Pöppal, Sangerberg, wurde erschlagen, Vater von 3 Kindern. Von Juni bis Dezember waren täglich diese unmenschlichen Schlägereien. Wievielen wurde das Trommelfell, Augen, Zähne, Kiefer, Rippen zerschlagen. Dr. Kopetz, Mbd.1, wurde an einem Nachmittag 4mal bewußtlos geschlagen. Im Oktober, als wir an einem Samstag geimpft wurden, deshalb nicht auf Arbeit, sondern im Lager waren, wurden 6 Männer eingeliefert, darunter Roth, Mbd.1 der beide Hände amputiert hat. In der Wachstube wurden sie fast erschlagen, mit Füßen hinausgestoßen, ein großer Wolfshund auf sie losgelassen, sie konnten nicht mehr gehen, der Hund fiel sie wütend an, Herrn Schwinger hat er 7mal ins Bein gebissen. Dann mußten sie bis in die Nacht an der Wand stehen, wo sie immer wieder mit dem Kopf an die Wand gestoßen wurden, daß das Gesicht eine Blutkruste war. Im Lagerhof waren große Löcher, wievielen Häftlingen wurden bei der Herumjagerei von den Posten das Bein gestellt, daß sie in die Löcher fallen mußten, dann trampelten sie mit den Füßen auf die Köpfe. Es ist unmöglich, alles anzuführen, es gäbe ein ganzes Buch.


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Wir dachten, nur in Auschowitz ist ein solcher Unmensch als Kommandant, doch als wir in die anderen Lager kamen, erzählten die Häftlinge von der gleichen Bestialität. In Neu Rohlau war es noch furchtbarer1. 5 m außerhalb des Stacheldrahtes, ganz nahe an der Frauenbaracke, sind einige achtzig Erschlagene eingescharrt. Im vergangenen Sommer war der Verwesungsgeruch so stark, daß wir es in der Baracke kaum aushielten. Durch die Tausende von Wanzen war es unmöglich, daß ich schlafen konnte.

Gesund wurde ich eingeliefert, durch die unmenschliche Behandlung, Aufregungen und das seelische Leid bin ich nun schwer herzkrank. Vier Monate lag ich in Karlsbad im Krankenhaus.

Die Vfn. erklärt dann, daß sie in diesem Krankenhaus nicht medizinisch korrekt behandelt wurde. Sie äußert sogar die Vermutung, daß man an ihr als Häftling ein Experiment versuchte.

Zu meinem Glück kam mein Entlassungsschein. Nach 13monatiger Haft wurde ich wegen Mangel an Beweisen entlassen. Mußte unterschreiben, daß ich keine Ansprüche auf Entschädigung stelle. Ich durfte nicht mehr in meinen Heimatort Einsiedl. Mein jetzt 18jähriger Sohn bekam nie, trotzdem ich schwer krank war, eine Fahrbewilligung. Auch er wurde ohne jeden Grund von den Tschechen so geschlagen, daß er heute noch eine Beule am Hinterkopf hat.

Während meiner Haft waren 5 Hausdurchsuchungen, wo sie Wäsche, Kleider, was ihnen eben gefiel, mitnahmen.

Wir können es heute noch nicht fassen, daß man uns Sudetendeutsche als Bettler aus unserer Heimat jagte, die unsere Ahnen urbar machten, die durch unermüdlichen Fleiß, Genügsamkeit, Kultur zur blühenden Landschaft wurde.

Einsiedl feierte 1934 das 500jährige Jubiläum als Stadt, wo bis 1918 nie ein tschechischer Einwohner war. Unser Besitz geht auf den Namen Reisser zurück bis ins 15. Jahrhundert. Wir haben unserer Heimat die Treue gehalten in guter wie in schlechter Zeit.


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