Nr. 69: Maßnahmen der tschechischen Behörden in Znaim nach der Übernahme der Regierungsgewalt; Vertreibung des Vfs. Ende Mai 1945 nach Österreich.

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Bericht des Landgerichtsrats Dr. Heinrich Krbalek aus Znaim.

Original, (Sommer 1947), 5 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Einige Tage nach dem Einzug der Russen in Znaim (Südmähren), Anfang Mai 1945, wurde die Bevölkerung durch Plakatanschläge verständigt, daß die Regierungsgewalt der tschechische Nationalausschuß übernommen hat. Dies zeigte sich auch sofort. In den Geschäftslokalen mußte die Bedienung nach der Nationalität durchgeführt werden. Auf der einen Seite hatten sich die Tschechen, die in Znaim wohnten (es waren ihrer 3000—4000), aufzustellen, auf der anderen Seite die Deutschen1. Es wurden sonach die Tschechen nahezu immer sofort bedient, während die Deutschen oft eine Stunde lang warten mußten. Einige Bäcker hatten für die Tschechen allein zu backen. Eine Zeitlang erhielten die Tschechen Brot ohne Lebensmittelmarken uad umsonst. Es wurden nur tschechische Zeitungen verkauft.

Die Gesinnung der Tschechen zeigte sich am besten darin, daß in den Zeitungen ausdrücklich erklärt wurde, daß Geschäftsannoncen von deutschen Geschäftsleuten nicht angenommen werden. Partisanen führten Hausdurchsuchungen durch. Man hörte von Einlieferungen in das Konzentrationslager. Als Konzentrationslager wurden militärische Baracken in Znaim in Verwendung genommen. Namentlich wohlhabende Geschäftsleute kamen in das


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Lager1. Die Geschäfte übernahmen tschechische Handlungsgehilfen, welche an Stelle der eingerückten deutschen Handlungsgehilfen massenhaft in den Geschäften wirkten. Beunruhigende Gerüchte durchschwirrten die Stadt. Man sprach von Greueln im Protektorate, von der Ausweisung sämtlicher Deutschen aus dem Protektorate. Dann wurden Radiomeldungen weitergegeben. Sie beinhalteten, daß sämtliche Deutschen die Tschechoslowakei und sonach auch Znaim zu verlassen hätten. Diese Meldungen waren unklar. Man glaubte nämlich, daß sich diese Meldungen auf Beamte und sonstige Bevölkerungskreise, die aus dem Altreich stammten, beziehen. Tatsächlich waren aber die Beamten aus dem Altreich und auch die anderen Bevölkerungskreise, so namentlich die Evakuierten aus dem Altreich, schon vor dem Einzug der Russen aus Znaim geflohen. Auch von den Österreichern hieß es, daß sie Znaim verlassen müßten. Es verließen auch die zahlreichen österreichischen Beamten, die nach dem 1. Juli 1939 nach Znaim gekommen waren, da mit diesem Tage Südmähren in den ehemaligen Reichsgau Niederdonau eingegliedert wurde, mit ihren Familien die Stadt.

Die Radiomeldungen, wonach die Deutschen aufgefordert wurden, die Tschechoslowakei zu verlassen, häuften sich aber, und es begann die deutsche Bevölkerung Znaims selbst Znaim zu verlassen. Die erste Zeit jedoch wurde sie von den in Znaim ansässigen Tschechen noch verlacht, da diese die Radiomeldungen für übertrieben hielten; denn von der entsetzlichen Entwicklung waren auch die einheimischen Tschechen vollkommen überrascht. So forderte mich der in Znaim wirkende tschechische Anwalt unter Berufung auf meine objektive Amtsführung zur Zeit des früheren Systems auf, mich zum Dienstantritte in der tschechischen Justizverwaltung sobald wie möglich zu melden, was ich auch tat. Doch das Unheil nahm seinen Lauf. Tschechische Polizeistreifen fingen Spaziergänger und andere Leute, die Einkäufe besorgten, zusammen und forderten sie auf, Znaim zu verlassen, da dies so angeordnet sei. So ging es bis Ende Mai 1945. Ein oder zwei Tage vorher hieß es, daß der Bevölkerung Arges bevorstehe, es komme Polizei aus Mährisch Budwitz, einer schon seit Österreichs Zeiten bekannten fanatischen tschechischen Stadt.

Ende Mai, an einem Mittwoch um 1/2 12 Uhr vormittags wurde auf meine Wohnungstür geschlagen, und als ich diese öffnete, kamen zwei Polizisten, denen man den Fanatismus vom Gesichte ablas, herein und brüllten mich und die Schwester an, daß wir zur Untersuchung unserer Personalpapiere sofort in das Lager kommen sollten. Wir folgten diesem Auftrag und begaben uns auf die Gasse, wo schon der größte Teil der Bewohner dieser Gasse versammelt war. — Die Bahnhofstraße, wo wir wohnten, ist eine der schönsten Straßen von Znaim, und wurde mit der Räumung der schönsten Straßen zunächst begonnen. Die Bewohner der Straße wurden in das Lager getrieben, wo eine Polizeikommission tagte. Gegen 7 Uhr abends wurde ich vorgerufen und wurde mir eröffnet, d. h. ich wurde tscheschich angebrüllt, daß ich österreichischer Richter sei und daher schon längst hätte Znaim verlassen sollen. Meine Einwendung, daß ich Sudetendeutscher sei, wurde nicht beachtet. Im Gegenteil, man teilte mir im schroffen Tone mit, daß ich binnen 12 Stunden das Stadtgebiet und die Tschechoslowakei zu verlassen hätte. Ein junger Fanatiker fand es als richtig, mir noch die Worte zuzuschleudern:


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„Wenn Sie in der Frühe Znaim nicht verlassen haben, werden Sie erschossen!” Zugleich notierte er sich meine Wohnung, indem er mir noch mitteilte, daß er sich von meinem Fortgang überzeugen werde.

So mußte ich in der Frühe vor 7 Uhr Znaim verlassen. Die nach Niederösterreich führende Bahn konnte ich nicht benützen, da Deutschen das Fahren auf der Bahn bereits verboten war. Ich mußte daher zu Fuß gehen und kam nach einem Tagmarsch nach Retz in Niederösterreich. Auf dem Wege dorthin wurde mir meine Schweizer-Omega-Uhr von einem Russen geraubt. In einem Rucksack konnte ich nur das Notwendigste mitnehmen, nämlich Wäsche und Lebensmittel. Ich war in Niederösterreich, und zwar in Wien und dann in Laa a. d. Thaya bis zum Ende April 1946. Dann wurde ich zwangsweise evakuiert und kam nach Wertheim a. Main.

Abschließend schildert der Vf. seine vergeblichen Versuche, die in der Heimat zurückgelassene Bekleidung zu retten, und das Schicksal seiner Schwester, die im Februar 1946 aus Znaim ausgewiesen wurde.