Nr. 42: Die kirchlichreligiösen Verhältnisse in Deutsch-Jasnik unter tschechischer Verwaltung; Entrechtung des deutschen Pfarrers, seine persönlichen Drangsale; allgemeine Lebensbedingungen der deutschen Bevölkerung.

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Erlebnisbericht des Pfarrers J. K. aus Deutsch Jasnik, Kreis Neu Titschein

Original, (1947), 7 Seiten, hschr. Teilabdruck.

Einleitend beschreibt der Vf. sein gutes Verhältnis zu seinen tschechischen Pfarrangehörigen, die sich auch nach dem deutschen Zusammenbruch für ihn einsetzten.

Im Mai 1945 kamen die Tschechen angezogen, auch die Gendarmen kamen zurück3. Solange die bekannten Tschechen maßgebend waren, war das Verhältnis zu mir nicht übel. Bald bekamen die Fremden die Oberhand. Es bildete sich ein Místní Národní Výbor (MNV) = Ortsnationalausschuß mit einem Předseda = Vorsitzenden an der Spitze. Der hatte die Machtvollkommenheit wie ein Bürgermeister und Ortsgruppenleiter.


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Sie forderten von mir, daß von nun an in der Kirche alles tschechisch sein müsse und nichts mehr deutsch. Mein Vorschlag, getrennt tschechischen und deutschen Gottesdienst zu halten, wurde abgelehnt. Mein Einwand, eine so wesentliche Änderung der Gottesdienstordnung könne nur vom Bischof eingerichtet werden, wurde abgetan mit der Antwort, auch Olmütz1 müsse sich jetzt fügen.

Vom 10. 6. 1945 an war in der Kirche alles tschechisch. Kein Evangelium, keine Vermeidung durfte deutsch gelesen werden, kein Lied, kein Vaterunser deutsch. Nicht einmal bei Begräbnissen. Obwohl noch alle deutschen Pfarrkinder da waren und nichts tschechisch verstanden.

Ferner führte ich allen Amtsverkehr und alle Bücher in tschechischer Sprache.

Doch das war nicht genug. Der Pfarrer war noch deutsch. Deshalb wollte man mich entfernen, in die Kohlengruben abführen. Durch Vermittlung des Herrn Dechant durfte ich zwar bleiben, aber es mußte ein tschechischer Kaplan kommen. Er kam im September.

Er wurde von uns behandelt, verpflegt, bedient, verköstigt wie ein geistlicher Gast, damit er sollte zufrieden sein. Ich überließ ihm die Ordnung des Gottesdienstes, den öffentlichen Amtsverkehr, die Betreuung der tschechischen Pfarrkinder, wie wenn er Pfarrer wäre. Das war noch nicht genug. „Die Pfarrei muß 100 % tschechisch sein”, sagte der Herr Předseda.

Am 30. 11. abends kam der Předseda, rief mich ins Kaplanzimmer, und da, im Einvernehmen mit dem Kaplan wurde mir im herrischen Ton befohlen, die Pfarrei, Amtsbücher, Schlüssel, kurz alles dem Kaplan zu übergeben. Ich dürfe nichts tun, als Brevier beten und privat die Messe lesen. Ich protestierte, daß das ohne Auftrag von Olmütz (Bischof) nicht geschehen kann. Der Protest wurde abgetan mit der Antwort, sie wären selbst in Olmütz beim Konsistorium gewesen und wüßten, wie die sich dazu stellen. Noch abends gegen 10 Uhr wurde mein Wohnzimmer dem Kaplan übergeben, mir wurde ein anderes angewiesen, meine Wirtschafterin mußte aus ihrem Zimmer heraus in eine Kammer. Zimmereinrichtung aber mußte zurückbleiben. Noch um 10 Uhr abends holten Předseda mit dem Kaplan eine tschechische provisorische Wirtschafterin. Am 1. 12. kam ein Gendarm mit einem Mann vom Výbor (Ausschuß) und nahmen alle Pfarreinrichtung, alles lebende und tote Inventar, alle Speisevorräte auf, alles wurde mir abgesprochen und dem Kaplau überwiesen, seinem Gutdünken blieb es anheimgestellt, was er uns zur Benutzung überlassen wollte. Ich erstattete durch Vermittlung eines mir gut bekannten tschechischen Priesters über alles Bericht nach Olmütz ans Konsistorium und forderte eine Entscheidung, ob es diese rechtswidrige Handlungsweise für recht halte. Habe bis heute noch keine Antwort von Olmütz darauf erhalten. So war ich vom Místní Národní Výbor im Einvernehmen mit dem Kaplan auf gewaltsame, allem Recht hohnsprechende Weise, durch Stillschweigen dazu vom Erzbischöflichen Konslistorium gebilligtes Vorgehen aller meiner Pfarrechte und meines privaten und pfarrlichen Eigentums beraubt. Doch das war nicht der Schluß.


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Wir hatten nun keine Vorräte mehr. Nur die Kartoffeln, die wir eingekellert hatten, konnten wir benutzen. Sonst hatten wir nur das, was auf die Lebensmittelkarten zu haben war, und das war im Winter 1945/46 nicht viel. Den Weizen, den wir auf unserem Felde gebaut und geerntet hatten, nahm der Kaplan, ließ ihn gegen schönes Weizenmehl eintauschen, wir bekamen davon kein Stäubchen. Er schlachtete eine Ziege, die wir teuer gekauft hatten und fett gefüttert hatten und die 12 Liter Ziegenfett hatte, wir bekamen nichts davon. Von unseren Hühnern bekamen wir kein Ei. Das Mitbenutzen der Küche war uns unmöglich gemacht. In der Kammer der Wirtschafterin stellten wir einen ganz kleinen eisernen Ofen auf, auf dem gerade ein Topf zum Kochen Platz hatte. Wenn sich die Wirtschafterin einen Topf aus unserer Küche, wo doch alle Küchengeräte unser waren, holte, um kochen zu können, lief schon der Kaplan oder seine Köchin zur Gendarmerie klagen, daß die deutsche Pfarrwirtin ihnen alles aus der Küche stehle. Alle Zugänge zur Pfarrei verschloß er mit Vorhängeschlössern, so daß wir nicht fort konnten und niemand zu uns herein konnte. Nur die eine Tür zur Kirche konnte ich benutzen. Dadurch waren alle, die zu uns kommen wollten und die fortgingen unter Kontrolle. Obwohl wir alle Vorräte abgegeben hatten, schickte er immer noch die Gendarmen auf uns, zu kontrollieren und Vorräte suchen, „weil sie immer noch essen”. Die ständige Beunruhigung durch die Gendarmen, unter Drohen mit Lager und Volksgericht hatte uns schon ganz verängstigt und krank gemacht. Meine deutschen Pfarrkinder und die mir guten altbekannten Tschechen hätten mir ja gern geholfen, aber das wurde nicht zugelassen. Am 6. 1. gar vermeldete der Kaplan in der Kirche, die Leute sollten nicht zu mir auf die Pfarrei kommen! Die Schikanierung wurde dem Herrn Dechant bekannt, der dann in Olmütz darauf drang, daß dem ein Ende gemacht werde. Ende März wurde der Kaplan versetzt.

Es kam ein anderer Kaplan, der sich persönlich gegen uns anständig benahm, aber das wesentliche der Entrechtung als Pfarrer blieb bestehen, bis ich dann ausgesiedelt wurde.

Die Deutschen mußten auf der linken Seite der Brust ein Abzeichen tragen, und zwar in einem weißen runden Fleck von 15 cm Durchmesser ein „N" aus schwarzem Stoff. Wurde jemand ohne das „N" angetroffen, wurde er grob bestraft. Deutsche durften ohne besondere Erlaubnis den Ort nicht verlassen. Diese Erlaubnis wurde vom MNV zum öftesten verweigert. Zu bestimmter Abendstunde durfte kein Deutscher mehr abends sich außer Haus zeigen. Weil die Jasniker gern Sonntagnachmittag den Friedhof besuchten, kam ein Verbot, nach dem sonntags um l Uhr kein Deutscher außer Haus sich zeigen dürfe. Deutsche durften mit Fahrrad, Motor, Bahn, Kutsche nicht fahren, durften Gaststätten, öffentliche Plätze und Anlagen nicht besuchen, Geschäfte nur zu bestimmter Stunde betreten. Fleisch, Milch, Eier und viele andere Nahrungsmittel waren nur auf die Karten für Tschechen. Von den Sendungen der UNRRA haben die Deutschen nichts bekommen.

Grund und Boden, Haus und Hof, lebendes und totes Inventar, Wohnung und Einrichtung, Kleidung, Wäsche, Betten, Papiere, Gelder in jeder Form,


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alles wurde den Deutschen weggenommen. Nur das Allernotwendigste wurde zur Benutzung überlassen und der mindeste Raum im Haus zum Wohnen. Die Deutschen mußten ohne Entlohnung oder [für] ganz minimale Bezahlung, oft auch ohne hinreichende Kost arbeiten für die Tschechen.

Im Anschluß zählt der Vf. einige Fälle von schweren Mißhandlungen auf, die Deutsche seiner nächsten Umgebung erfahren haben.