1. Der Balkanfeldzug; die Volksgruppe im Krieg; die Zerschlagung Jugoslawiens.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Nach der Aktion der Oppositionsgruppen um Simović trieb die Entwicklung in Jugoslawien schnell auf eine Krise in den Beziehungen zum Reich hin. Dennoch waren es nicht primär die deutsch-jugoslawischen Beziehungen, sondern die Mißerfolge des italienischen Balkankrieges, welche das militärische Eingreifen Deutschlands herbeiführten 1 . Um die mit einer drohenden italienischen Niederlage und dem Eingreifen der Engländer in Griechenland heraufziehenden Gefahren zu bannen, entschloß sich Hitler, dem bis dahin "kein Opfer" als zu hoch "für ein freundschaftliches Verhältnis zu Jugoslawien" erschienen war 2 und obwohl damit seine Rußlandpläne verzögert wurden, zum Losschlagen, als mit dem Simović-Putsch das auslösende Moment gegeben war. Nach einer kurzen, heftigen Pressekampagne mit den üblichen Vorwürfen wegen Vergehen an den Volksdeutschen 3 begann am 5. April 1941 der Krieg gegen Jugoslawien. Starke Panzertruppen unter Generaloberst v. Kleist, motorisierte Kräfte, Infanterie- und Gebirgsdivisionen, ebenfalls unterstützt von einem Panzerkorps unter Generaloberst v. Weichs, und Truppen der 12. Armee unter Generalfeldmarschall List stießen aus dem Norden und von Bulgarien her nach Jugoslawien hinein. Am 6. April


46E

bombardierte die Luftwaffe pausenlos die Hauptstadt Belgrad; durch diese als "Strafaktion" 4 gegen die Putschisten aufgefaßten Angriffe entstanden unter der Zivilbevölkerung hohe Verluste. Auch Volksdeutsche fielen den Angriffen zum Opfer. Das jugoslawische Heer vermochte die Angriffskeile der deutschen Verbände nirgends nachhaltig aufzufangen. Am 17. April wurden nach dem Rücktritt des Oberbefehlhabers Simović Waffenstillstandsverhandlungen eingeleitet; am Tage darauf trat der in Belgrad unterzeichnete Vertrag über die bedingungslose Kapitulation der jugoslawischen Wehrmacht in Kraft. Er bedeutete zugleich de facto das politische Ende Jugoslawiens, am 8. Juli 1941 verkündeten Deutschland und Italien das staatsrechtliche Ende des Königreichs Jugoslawien, dessen emigrierter König und seine Regierung allerdings im Exil den Anspruch auf daš Fortbesteheu des Staates erhoben.

Die Volksdeutschen in waffenfähigem Alter gerieten in den Tagen vor und nach dem Kriegsausbruch in einen tiefen inneren Zwiespalt. Befolgung des Gestellungsbefehls und damit Kampf gegen deutsche Truppen oder Vermeidung des Kriegsdienstes durch Flucht oder im Versteck - das war für viele die Alternative. Im Norden und Nordosten des Landes wählte mancher den Weg in die Steiermark, nach Ungarn oder Rumänien 5 , andere verbargen sich bis zum Eintreffen deutscher Soldaten. Sich dem jugoslawischen Militärdienst zu entziehen, hatte auch eine vom OKW der "Volksdeutschen Mittelstelle" (VOMI) übermittelte "Führerweisung" gefordert, deren Inhalt über die Volksgruppe bekannt gemacht werden sollte. Darin hieß es, "der Führer (hat) entschieden, daß sich die Betreffenden dem Stellungsbefehl entziehen und verstecken sollen .. ." 6 . Dennoch wurde eine nicht genauer zu bestimmende Zahl von Jugoslawiendeutschen, zweifellos die Mehrheit der Dienstpflichtigen, eingezogen; sie gingen häufig nach der ersten Feindberührung, ähnlich wie kroatische Einheiten, zu den deutschen Truppen über und wurden alsbald wieder nach kurzer Gefangenschaft entlassen 7 .

Inmitten der überhitzten Atmosphäre dieser ersten Apriltage wurden die verantwortlichen Männer der Volksdeutschen Gemeinden und der Volks-


47E

gruppenleitung in tragische Verhängnisse verstrickt, in denen es für sie zu einem fast unlösbaren Problem wurde, die richtigen Grundsätze für ihr Verhalten zu finden. Wenn es dabei zu Entscheidungen kam, in denen das Bedürfnis nach Selbstschutz und sogar eigener Aktion die Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem jugoslawischen Staat überwog, so war diese Handlungsweise in starkem Maße von der nahezu unerträglich gespannten Situation und der sicher nicht ganz unberechtigten Furcht vor Ausschreitungen gegen Deutsche diktiert. Für die deutschen Geiseln, die an vielen Orten in Haft genommen und meist nach Peterwardein gebracht worden waren, war unmittelbare Gefahr für Leib und Leben heraufbeschworen 8 . In manchen Orten der Batschka und im Banat, auch in Slawonien und Bosnien wurden daher bewaffnete Streifen gebildet, die häufig von den Mitgliedern der halbmilitärischen "Deutschen Mannschaft" 9 gestellt wurden, sich dann aber nicht auf den Schutz der Volksdeutschen beschränkten. In Neusatz, wo sich Dr. Janko mit seinen Mitarbeitern im Habag-Haus (Haus-Bau-AG) versammelt und verbarrikadiert und nach Verhandlungen die Aufstellung einer Deutschen Bürgerwache von 150 Mann erreicht hatte, gab das Erscheinen deutscher Truppen am anderen Donauufer und die Sprengung der beiden Brücken "das Zeichen, nun vollends frei in Aktion zu treten" 10 . Die inzwischen mit Gewehren bewaffnete Wachmannschaft besetzte das Postgebäude, den Bahnhof, das Kraftwerk und begann mit der Entwaffnung serbischer Truppenteile; die deutschen Geiseln wurden von einem Stoßtrupp befreit. Während im Habag-Haus Waffentransporte eintrafen, so daß dort "etwa 1000 Gewehre, etwa 30 LMG, 15 SMG, 3 PAK, etwa 60 000 Schuß Infanteriemunition, große Mengen Handgranaten usw." gestapelt werden mußten, wurden zwei serbische Regimenter zur Waffenniederlegung überredet. In Esseg beim Kampf um die Hauptpost und bei der Verteidigung der beiden großen Dranbrücken, in der Gottschee 11 , in Marburg (Dräu), Vukovar, Ruma, Beschka, Indjija, Neu-Pasua und Franztal griffen bewaffnete Einsatztrupps der "Deutschen Mannschaft" im Rücken der Front ein und nutzten die Auflösungserscheinungen unter den zurückflutenden Truppen aus. Eine wertvolle Unterstützung für die deutschen Angriffsspitzen bedeutete die Besetzung des mit neuea MesserschmittJägern ausgerüsteten großen Militär-


48E

flughafens Semlin bei Belgrad durch eine Gruppe von Volksdeutschen 12 . Es kann nicht verwundern, daß in den Tagen des jugoslawischen Zusammenbruchs, bei der Panik und Hysterie der Militäreinheiten und der Zivilbevölkerung in den Kampfgebieten, die Nachrichten über solche Vorgänge und die Zusammenstöße vieler serbischer Soldaten mit der "Deutschen Mannschaft" und dem Ortsschutz der Dörfer die sicherlich irrige Vorstellung genährt haben, es mit der wohlüberlegten Tätigkeit einer deutschen "5. Kolonne" zu tun zu haben. Ihr wurde die katastrophale Niederlage zum guten Teil zugeschrieben, was historisch indessen keineswegs zutrifft 13 .

Auf der anderen Seite muß festgehalten werden, daß sich das vielerorts ungestörte gute Verhältnis zwischen den Deutschen und Andersnationalen auch in der Krise des Aprils 1941 und später bewährte. Nach dem Einzug der Ungarn in Neusatz suchten und fanden Serben aus der Stadt und auch aus den Landgemeinden Schutz im Habag-Haus. Auch später noch wurde von den Deutschen im Banat und in der Batschka zahlreichen Serben gegen die Ungarn und Kroaten Hilfe gewährt, gleich, ob es sich um exponierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder um bäuerliche Nachbarn handelte. In Syrmien und in Kroatien gefährdeten Deutsche ihr Leben, da sie sich für verfolgte Serben einsetzten; so wurde z. B. der Bezirksvorsteher von Alt-Pasua, Rometsch, aus Rache dafür erschossen, daß er kroatische Ustaschi ausweisen ließ, die Serben abführen wollten. Auch die deutschen Geistlichen suchten oft unter Lebensgefahr ihre orthodoxen Amtsbrüder zu schützen 14 . Bis in die Nachkriegsjahre hat in zahllosen Fällen diese enge Verbindung mit Andersnationalen die Leidenschaften und Gegensätze des Krieges überdauert.

Die militärische Niederlage Jugoslawiens gab den Achsenmächten, denen sich nach Kriegsausbruch Ungarn und Bulgarien angeschlossen hatten, Spielraum zur Zerschlagung des südslawischen Königreichs, wobei ihnen die starken innerstaatlichen Spannungen zweifellos weit entgegenkamen 15 . Der Leiter der nationalrevolutionären, halbfaschistischen kroatischen Ustascha-Bewegung, Dr. Ante Pavelić, ließ am 10. April durch den ehemaligen k. u. k. Obersten E. Kvaternik einige Stunden vor der Ankunft deutscher Verbände den "Unabhängigen Staat Kroatien" ausrufen; Pavelić übernahm als "Poglavnik" (Staatsführer) die autoritäre Regierung des von Deutschland


49E

und Italien als Bündnispartner anerkannten Nachfolgestaates 16 . In den Wiener Verhandlungen vom 20. bis 22. April 1941 wurden dann die Annexionen der einzelnen Mächte festgelegt. Das Reich erhielt vom nördlichen Slowenien die Oberkrain und die früheren Kärnter und steirischen Gebiete der Donaumonarchie, während Italien außer der Unterkrain die dalmatinischen Inseln und ausgedehnte Streifen der Adriaküste aus der jugoslawischen Konkursmasse gewann, sich dazu eine südlich von Agram, Banja Luka und Sarajewo liegende Besatzungszone zuweisen ließ und den - dann niemals amtierenden - kroatischen König Tomislav II. mit Herzog Aimone v. Spoleto zu stellen beanspruchte. Ungarn gliederte sich die Murgebiete und die westliche Woiwodina an, Bulgarien das serbische Mazedonien. Ein Streifen Westmazedonicns wurde zu dem mit Italien in Personalunion verbundenen Großalbanien geschlagen. In Cetinje proklamierte eine "Konstituierende Nationalversammlung" am 12. Juni 1941 die Unabhängigkeit eines ebenfalls eng mit Italien liierten Montenegro. Allen großserbischen Tendenzen war durch diese Abtrennungen die Basis entzogen, so daß für den ungefähr mit Altserbien übereinstimmenden Reststaat Serbien, in dem nach dem Zwischenspiel einer provisorischen Regierung der General Nedić die Geschäfte übernahm (29. August 1941), nur die Rolle eines abhängigen Satelliten der Achsenpartner blieb. Das von Rumänien beanspruchte Westbanat, das Hitler indessen für später auch noch Ungarn zugesichert hatte 17 , unterstand Serbien der Verwaltung und Kontrolle des deutschen "Militärbefehlhabers Serbien". In neun verschiedenen Zonen also: teils annektierten oder von Militärs verwalteten Gebieten, teils Staaten im Genuß einer PseudoUnabhängigkeit, spielte sich bis 1944/45 das politische Leben Jugoslawiens ab.

Die Volksdeutschen Südslawiens hatten im Norden Sloweniens den erstrebten Anschluß an das Reich gewonnen. In den Wiener Vereinbarungen war die neue deutsch-italienische Grenze, in nordwestlich-südöstlicher Rich-


50E

tung durch Slowenien verlaufend, festgelegt worden 18 . Der deutsch-kroatische Vertrag vom 13. Mai 194l 19 folgte den ehemaligen Kronlandgrenzen. Die Sloweniendeutschen unterstanden damit bis Kriegsende der Hoheit und den Gesetzen des Reiches, wenn sie auch formell nie eingegliedert wurden. Der neugewonnene Teil Kärntens und der Krain wurde dem Gau Karaten,, der größere steiermärkische Teil dem Gau Steiermark unter Gauleiter und Reichsstatthalter Uiberreither angeschlossen, der dort als Chef der Zivilverwaltung amtierte, während diese Funktion in Kärnten-Krain der stellvertretende Gauleiter von Karaten, Kutschera, ausübte 20 . - Südlich von Laibach unterstanden die Jugoslawiendeutschen italienischer, ihre Mehrheit in der Batschka und Baranja ungarischer Oberhoheit; Ungarn zählte daher nach 1941 mit ca. 1,2 Millionen die größte deutsche Minderheit in Südosteuropa.

Im "Unabhängigen Staat Kroatien" sollte die deutsche Volksgruppe sehr bald eine eigene Rechtsstellung gewinnen, während die deutsche Minderheit im Banat eine eigene Volksgruppe unter der Leitung Dr. Jankos bildete; ihr wie dem Streudeutschtum Serbiens wurde die Protektion der deutschen Militäradministration zuteil 21 . Spätestens seit dem Hochsommer 1941 waren die Jugoslawiendeutschen außerhalb der Batschka und Baranja unmittelbar und ohne Einschränkung von reichsdeutschen Direktiven abhängig.