e) Der Partisanenkrieg von 1941 bis 1944.

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Der jugoslawische Partisanenkrieg seit dem Frühjahr 1941 läßt sich weder ausschließlich formaljuristisch nach den Normen des herkömmlichen Kriegsrechts beurteilen, noch als Kampf der Sozialrevolutionären und militärisch-aktivistischen Elite der kommunistischen Volksrevolution glori-


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fizieren - beide Auffassungen vereinfachen die innere Zwiespältigkeit der jugoslawischen Widerstandsbewegung, in der sich ideologische und nationale Gegensätze mit der Frontstellung gegen die Okkupationsmacht überschnitten 1 . Die Erbitterung über den deutschen Angriff im April 1941, die. jahrhundertelange Hajduken- und Komitadschitradition des romantisierten Bandenlebens, großserbische und kommunistische Ideologie, soziale Unrast und aufgestauter Nationalitätenhaß verbanden sich auf der einen Seite zu einer rücksichtslos-radikalen Kriegsführung. Auf der anderen Seite führte die Empörung über die eigene Hilflosigkeit gegenüber der Tätigkeit der Partisanen, die aus unzugänglich-wildem Gebiet heraus mit großer Brutalität operierten, sehr schnell zu maßlosen Vergeltungshandlungen der deutschen Besatzungsmacht, die seit dem OKW-Befehl vom 16. 9. 1941 für einen erschossenen deutschen Soldaten je hundert, für einen verwundeten Deutschen je fünfzig Geiseln exekutieren ließ 2 .

Die kurze erste Phase des jugoslawischen Partisanenkrieges 3 ist durch die Aktionen der nationalbewußten, königstreuen Gruppen unter dem groß-serbischen royalistischen Obersten Draža Mihajlović gekennzeichnet, der seit dem Sommer 1941 als Kriegsminister der Exilregierung Simović fungierte und sich, von den Italienern begünstigt, auf die Heimwehrorganisationen des konservativen Landvolks, die Tschetniks, stützte. Erst der Beginn des Rußlandfeldzuges gab ihrer Tätigkeit Auftrieb und löste auch das Eingreifen der bis dahin passiv abwartenden Kommunisten unter Josip Broz-Tito aus, deren "proletarische Brigaden" bis in den Winter 1941/42 in dern Verhältnis eines oft ungeklärten Zusammenspiels, dann allmählich vorherrschender erbitterter Bürgerkriegsgegnerschaft zu den Tschetniks standen.


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Mit der Niederschlagung des Partisanenaufstandes in Serbien durch deutsche Truppen im Spätherbst 1941 endete diese erste Phase. Titos Anhänger schlugen sich nach Ost- und Nordwestkroatien durch, wo sie wegen der grauenhaften Massaker der Ustaschamiliz des Pavelić-Regimes unter den griechisch-orthodoxen Serben starken Zulauf und Unterstützung fanden. Dort und in den Karst- und Urwaldgebieten Dalmatiens, Bosniens, der Herzegowina, Montenegros und des alten Sandschaks Novi Bazar sammelten sich fortan ihre Einheiten und wußten sich der Verfolgung, wenn auch unter hohen Verlusten und Strapazen, immer wieder zu entziehen. Ihre erbarmungslose, energische Kampfweise, ihr gegen den Belgrader groß-serbischen Zentralismus gerichtetes Programm eines demokratischen jugoslawischen Föderativstaates auf der Basis völliger Gleichberechtigung aller Nationalitäten, das von Titos "Antifaschistischem Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens" (AVNOJ) auf der zweiten Tagung in Jajce (29. und 30. November 1943) verkündet wurde 4 , verschafften ihr allmählich das Übergewicht über die Mihajlović-Tschetniks während der zweiten Phase vom Frühjahr 1942 bis zum Winter 1944/45. Diese Wendung wurde dadurch begünstigt, daß nach der Konferenz von Teheran die alliierte Unterstützung den durch gelegentliche Zusammenarbeit mit der Nedic-Regierung und deutschen Einheiten kompromittierten Tschetniks entzogen wurde und Tito zugute kam.

Die jugoslawiendeutschen Siedlungsgebiete wurden in unterschiedlichem Maße vom Partisanenkrieg betroffen. In Slowenien richtete sich gegen die forcierte Volkstunispolitik des Gauleiters Uiberreither bald bewaffneter Widerstand, der sich seit Anfang 1942 hin und wieder sogar zu lebhafter Partisanentätigkeit steigerte 5 . Obwohl dieser Widerstand zu keiner Zeit ein mit der Lage in Kroatien auch nur entfernt vergleichbares Ausmaß annahm, flackerte er trotz scharfer Gegenmaßnahmen immer wieder auf, kostete Menschenopfer und verursachte Nachrichtenunterbrechungen und Verkehrsstörungen'. Daraufhin erließ Himmler am 35. 6. 1942 eine Anord-


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nung. wonach bei der Partisanenbekämpfung in den vom Reich annektierten slowenischen Gebieten die männlichen Gefangenen zu exekutieren, die Frauen in KZ-Lager einzuweisen und ihre Kinder ins "Altreich" zu verschicken, ..hochwertige Kinder" dagegen "dem Lebensborn zu übergeben" seien 6 . Diese von der Sicherheitspolizei durchgeführten Repressalien führten zu einem gewissen Abklingen der Überfälle, obwohl die erzwungene Ruhe häufig genug unterbrochen wurde 7 .

Die Batschka genoß ebenfalls nach den als Razzia auf Guerillas begonnenen Serbenpogromen der ungarischen Truppen im Januar 1942 relative Sicherheit. Die unmittelbar an der Donau gelegenen Gemeinden erlebten zwar manche nächtliche Schießerei, aus den unübersichtlichen Kukuruzfeldern und von sogenannten Hauspartisanen wurden hier und dort Angriffe riskiert, die mit Erhängungen und Füsilierungen serbischer Geiseln hart geahndet wurden, aufs Ganze gesehen blieb jedoch die Wirksamkeit der Partisanen auf gelegentliche Aktionen beschränkt 8 .

Ähnliches gilt für die Situation der Banaler Deutschen, die sich mit den auf Wunsch der Volksgruppenführung gebildeten "Selbstschutzeinheiten" 9 der "Deutschen Mannschaft" gegen Vorstöße der Partisanen aus der Fruška Gora und dem Südbanater Waldgebiet verteidigten. Einheiten der Volksdeutschen SS-Division "Prinz Eugen" standen ihnen bisweilen dabei zur Seite 10 .

Da das Streudeutschtum in Serbien, wo sich die "Serbische Staatswache" der Regierung 3\edic und die mit der Ljotic-Bewegung zusammenwirkenden Heimwehren unter Košta Pećanać vor allem im Süden mit den Partisanen Gefechte lieferten, bereits im Winter 1941/42 vollzählig umgesiedelt worden war 11 , wurde es nicht mehr in diese blutigen Auseinandersetzungen verwickelt; die deutsche Bevölkerung in Belgrad blieb ebenfalls bis zur Evakuierung verhältnismäßig unbehelligt.

Am meisten bekam das Deutschtum im "Unabhängigen Staat Kroatien" die Härten des Partisanenkrieges zu spüren, da sich in diesem Gebiet das Gros der Verbände Titos konzentrierte. Dies galt indessen nur bis zur Umsiedlung des bosnischen Streudeutschtums im Oktober/November 1942 12 , die wegen der ständigen Partisanengefahr beschleunigt abgewickelt wurde. Die ohnehin weniger gefährdeten, geschlosseneren Siedlungen in Slawonien und


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Syrmien ließen sich von der "Einsatzstaffel" der "Deutschen Mannschaft", die im Juli vom Poglavnik legalisiert worden war 13 , und von dem bewaffneten Ortsschutz, in dem seit dem Sommer 1942 die gesamte männliche Bevölkerung der Dörfer zusammengeschlossen war, besser verteidigen. Die "Einsatzstaffel" unterstand der Disziplinargewalt Altgayers, der über den sog. Landesmannschaftsführer, SS-Obersturmführer J. Lichtenberger, seine Befehle weitergab, und übernahm den Schutz der deutschen Siedlungsgebiete. Sie setzte sich aus dem Stab in Esseg samt einer "Stabswache", dem seit Oktober 1941 gebildeten Verfügungsbataillon "Prinz Eugen" mit sechs Kompanien von insgesamt ca. 1500 Mann und den bis Ende August 1942 formierten drei Bereitschaftsbataillonen "Ludwig von Baden", "General Laudon" und "Emanuel von Bayern" mit je vier Kompanien, insgesamt 1800 Mann, zusammen 14 und rekrutierte sich bis zu den Waffen-SS-Werbungen aus 17- bis 22jährigen Freiwilligen, deren Dienstzeit als aktiver kroatischer Wehrdienst angerechnet wurde. Sämtliche Einheiten befanden sich dauernd im Einsatz gegen Partisanen. Sie wurden von den beiden seit Dezember 1941 im Rahmen der kroatischen Landwehr aus deutschen Reservisten aufgestellten Jäger- und Eisenbahnsicherungsbataillonen unterstützt, die im Laufe des Jahres 1942 auf zwei, bzw. drei Bataillone verstärkt wurden 15 . Alle Angehörigen dieser Verbände wurden bis zum Frühjahr 1943 zur Waffen-SS eingezogen, worauf ältere Jahrgänge der Volksgruppe in die Bataillone einrücken mußten. Daher wurde auch der Ortsschutz im Februar 1943 als "Heimatwache der Deutschen Volksgruppe" für alle Männer vom 16. bis 60. Lebensjahr neu organisiert 16 . Wegen der immer stärker spürbaren Partisanenüberfälle schaltete sich Himmler im gleichen Jahre ein. Die Volksgruppe und Altgayers Stab wurden einem unmittelbar Himmler untergeordneten "Beauftragten des RFSS" beim "Bevollmächtigten Deutschen General in Kroatien" unterstellt. Der in diese Stellung nach Agram berufene SS-Brigadeführer Kammerhofer sollte das von Partisaneneinheiten "befreite Gebiet" "zur endgültigen Befriedigung" sichern 17 .

Von einer dauerhaften Eindämmung der Partisanentätigkeit konnte aber trotz vorübergehender Erfolge der deutschen Truppen längst keine Rede mehr sein, eher gelang es den Partisanengruppen bei der sich allgemein für Deutschland verschlechternden Kriegslage, ihre Operationsgebiete


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auszudehen und ihre Verbände zu verstärken. Die Kriegsführung wurde auf beiden Seiten zunehmend erbitterter und grausamer. Überfälle und Sabotageakte der Partisanen forderten Vergeltungsaktionen und Sühnemaßnahmen der deutschen Truppen heraus. Zu ihnen wurden häufig auch Volksdeutsche Einheiten der Selbstschutz- oder Waffen-SS-Verbände herangezogen; diese in der Kriegs- und Bürgerkriegssituation entstandene Mitwirkung an Geiselerschießungen oder beim Niederbrennen von Feldern und Dörfern hatte später für das Jugoslawiendeutschtum insgesamt unheilvolle Konsequenzen. Die jugoslawischen Partisanen wollten darin nur einen Beweis für die gleichbleibend aggressive und illoyale Haltung der Jugoslawiendeutschen sehen. In ihren Augen zog sich eine gerade Linie von den Ereignissen im April 1941 über das Vorgehen der in vielen deutschen Siedlungen eingesetzten Hilfspolizei bis zum militärischen Einsatz der "Deutschen Mannschaft" in der Umgebung Volksdeutscher Gemeinden und ihrem Anteil an Geiselverhaftungen und Sühneexekutionen 18 . Hier hatte der Deutschenhaß der jugoslawischen Widerstandsgruppen, der schließlich in der Forderung nach kollektiver Vergeltung am Jugoslawiendeutschtum gipfelte, eine seiner Wurzeln 19 .