c) Kroatien.

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Die Selbstschutzeinheiten der deutschen Volksgruppe in Kroatien und die im Rahmen der kroatischen Landwehr aufgestellten Bataillone 1 sollten nicht die einzige Form des Wehrdienstes für die Kroatiendeutschen bleiben. Nach den Angaben der Volksgruppenführung gehörten im Oktober 1941 ca. 1200 Männer der Waffen-SS, die sogleich nach dem Einmarsch mit der Werbung begonnen hatte, 900 der Wehrmacht und 400 dem Werkschutz beim Militärbefehlshaber Serbien an 2 .

Durch interne Absprachen war der Waffen-SS ursprünglich ein Anteil von zehn Prozent aller wehrpflichtigen Kroatiendeutschen zugebilligt worden, womit sie sich indessen keineswegs zufrieden zu geben bereit war 3 .

Dem Drängen Himmlers, der die Menschenreserve der südosteuropäischen Volksdeutschen ausschließlich für die SS auszunutzen strebte, gelang es schließlich, im Mai 1942 einen OKW-Befehl zu erreichen, in dem "die Erfassung, Einstellung und Ausbildung wehrfähiger Volksdeutscher im Süd-


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ostraum" allein zur Aufgabe der Waffen-SS erklärt wurde 4 . Der Kompetenzwirrwarr, der sich bisher zwischen der VOMI, dem SS-Führungshauptamt, der SS-Ergänzungsstelle Südost, dem Oberbefehlshaber Südost und dem Agramer Gesandten Kasche als Repräsentanten des Auswärtigen Amtes entwickelt hatte, wich einer klaren Vorrangstellung der SS-Dienststellen, wenn auch die Praxis keinesfalls immer eine einheitliche Linie aller deutschen militärischen und diplomatischen Vertreter in Kroatien verriet 5 . So versuchte Generaloberst Löhr, der Nachfolger Lists als Oberbefehlshaber Südost, noch im August 1942 die SS-Werbung in Kroatien zu unterbinden und zwei weitere Volksdeutsche Regimenter im Rahmen der kroatischen Armee aufstellen zu lassen 6 . Dieser nicht einmal mehr geheime Widerstand der Wehrmacht wurde jedoch bald dadurch unmöglich gemacht, daß sich die SS durch ein zwischenstaatliches Abkommen das alleinige Rekrutierungsrecht in Kroatien sicherte. Da der Unabhängige Staat Kroatien als handlungsfähiges Völkerrechtssubjekt angesehen wurde 7 , auf dessen formale Selbständigkeit trotz aller politischen Abhängigkeit man in Berlin in gewissen Grenzen Rücksicht nahm, wurde die rechtliche Grundlage für zukünftige Werbeaktionen der Waffen-SS durch einen Verbalnotenaustausch zwischen der deutschen Gesandtschaft in Agram und dem kroatischen Außenministerium am 21. 9. 1942 gelegt 8 , worin die Pavelić-Regierung allerdings ausdrücklich auf der Aussiedlung aller in der Wehrmacht und Waffen-SS dienenden Volksdeutschen einschließlich ihrer Familien nach Beendigung des Krieges bestand.

Ohne das Inkrafttreten der Vereinbarung abzuwarten, hatte die SS-Musterungskommission schon am 1. 9. 1942 ihre Tätigkeit in Esseg aufgenommen, obwohl Altgayers - ebenfalls noch verfrühter - Aufruf zur Musterung erst vom 15. 9. 1942 datiert war 9 und eigentlich vorher die Um-


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siedlung des bosnischen Streudeutschtums abgeschlossen sein sollte 10 . Bis Mitte Oktober wurden 15 000 Mann gemustert; tatsächlich wurden nach Abschluß der ersten Aktion, während der häufig über Dienstverweigerung geklagt wurde. 6529 Kroatiendeutsche zur Waffen-SS und zu aktiven SS-Polizeieinheiten im Reich überführt, so daß sich am Ende des Jahres 1942 5700 Angehörige der Volksgruppe bei der Waffen-SS und 3000 bei der deutschen Polizei befanden 11 .

Nachdem die Waffen-SS in Kroatien eine derart starke Position gewonnen hatte 12 , zögerte sie auch nicht, entgegen den Wünschen Altgayers Kroatiendeutsche noch im September 1942 der Banater SS-Division "Prinz Eugen" zur Verfügung zu stellen. Am 30. 9. wurden die ersten 200 Mann nach Groß-Betschkerek in Marsch gesetzt 13 . Auch weiterhin wurden Ersatzmannschaften für diese Division unter den Kroatiendeutschen gemustert, vor allem, als die Division Anfang August 1943 zeitweilig nach Kroatien verlegt wurde, um an der Partisanenbekämpfung teilzunehmen 14 . Die gesamte "Einsatzstaffel", einschließlich der kroatiendeutschen Landwehr, wurde in die Division "Prinz Eugen" überführt, wodurch die Volksgruppenführung sich zu einer neuen, einschneidenden Erweiterung der Wehrdienstpflicht genötigt sah 15 . Hingegen scheiterte der Plan Bergers, eine eigene kroatiendeutsche "SS-Brigade" aufzustellen, an der Ablehnung Hitlers, die von Rücksichtnahme auf Pavelić bestimmt gewesen zu sein scheint 16 . Die Rekruten wurden vielmehr auf verschiedene SS-Einheiten, unter anderem auf die Division "Prinz Eugen" und die SS-Gendarmerie, verteilt.

Da die Waffen-SS seit dem Abkommen vom 10. 10. 1942 nicht mehr zur Zurückhaltung oder Berücksichtigung von Wünschen der Volksgruppen-

eingezogen zur Waffen-SS wurden die Jahrgänge 1907-23, vgl. Telegr. Kasches v. 19. und 22. 9. 1942 (P. A., Bd. 305), Bergers Schreiben vom 6. 8. 1942 (NO-2049), 14. 8. 1942 (NO-5778) und v. 29. 8. 1942 (P. A., Bd. 305), über die Werbung und ihre technischen Einzelheiten.


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führung bestimmt werden konnte, gelang es ihr, die Zahl der Waffen-SS-Angehörigen aus Kroatien relativ schnell in die Höhe zu treiben. Noch vor Beginn des Jahres 1944 zeigten sich die Merkmale des "totalen Krieges" in der Beanspruchung der Volksgruppe ganz offensichtlich. Es gehörten nämlich damals zur Waffen-SS: 17 538 Mann; zur deutschen Wehrmacht, einschließlich mehrerer hundert Dolmetscher: 1386; zur kroatischen Wehrmacht: 2636^ zu den "wehrähnlichen Verbänden" der Volksgruppe: 3488; zu diesen insgesamt 25 048 Kroatiendeutschen, die in irgendeiner Form zum Wehrdienst verpflichtet waren, traten noch 410 deutsche Angehörige des kroatischen Arbeitsdienstes, 2200 Angehörige der "Organisation Todt" und ca. 4500 Arbeiter, die seit dem April 1941 zum "Einsatz im Reich" nach Deutschland gebracht worden waren 17 .

Die materielle Versorgung der Familienangehörigen von Waffen-SS-Soldaten blieb dauernd unsicher. Die schleichende Geldentwertung traf sie hart, so daß Himmler im Januar 1944 sich zu der Anordnung gezwungen sah, die Fürsorgegelder durch wöchentliche Lebensmittelzuteilungen zu ersetzen 18 . Die wachsende Kriegsmüdigkeit und Hoffnungslosigkeit, die sich bis zum Herbst 1944 in den kroatiendeutschen Siedlungsgebieten ausbreitete, ließ sich allerdings auch mit solchen Maßnahmen nicht beseitigen.