d) Die Umsiedlung des Streudeutschtums aus Bosnien.

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Von den geschlosseneren deutschen Siedlungen im Vrbastal nördlich von Banja Luka abgesehen, war das wirtschaftlich schwache Streudeutschtum in Bosnien dem Einfluß einer natürlichen Kroatisierung ausgesetzt, zu der nach dem Sommer 1941 die ständige Gefährdung durch Partisanen hinzutrat 1 . Das eigentliche Motiv der Umsiedlungspläne, die seit dem Frühsommer 1942 diskutiert wurden, war hier der Wunsch Himmlers, die waffenfähigen Volksdeutschen aus Kroatien im Alter von 17 bis 30 Jahren für die SS-Freiwilligen-Division "Prinz Eugen" zu mustern 2 . Da sich daraus die Notwendigkeit ergab, die "Einsatzstaffel" bei der Abwehr der Partisanenangriffe zu entlasten, entschloß er sich, das schwer zu verteidigende, gesamte bosnische Streudeutschtum, das auf ca. 20 000 Personen geschätzt wurde, schon zu diesem Zeitpunkt umzusiedeln. Der deutsche Gesandte Kasche fühlte bei der Regierung Pavelić vor und konnte am 18. 7. 1942 ihr Einverständnis mit der Werbung für die Waffen-SS und der Aussiedlungsaktion nach Berlin telegraphieren 3 . Der am 30. 9. 1942 unterzeichnete deutschkroatische Umsiedlungsvertrag 4 , nahm nur einige größere Siedlungen wie


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Brčko, Windthorst und Adolfstal (früher: Rudolfsthal) aus und überließ einer gemischten Kommission die technische Abwicklung. Faktisch lag sie in der Hand eines SS-Kommandos unter der Leitung von Obersturmführer Lackmann, der auch mit der Umsiedlung in Serbien beauftragt gewesen war 5 . Zwischen dem 6. 10. und dem 22. 11. 1942, wurden unter militärischem Schutz die deutschen Siedler auch aus einigen z. T. von Partisanen beherrschten Gebieten herausgeholt, in Transporten zusammengefaßt und in die Sammellager der VOMI in und um Lodz (damals Litzmannstadt) gebracht. Insgesamt wurden dabei über 18 300 Umsiedler registriert, denen die Rückkehr in ihre Heimat streng untersagt wurde 6 . Die Pläne des RKFDV sahen eine Ansiedlung im Distrikt Lublin, vor allem um Zamos'c, aber auch in Galizien und bei Radom vor, .doch blieb der Aufenthalt in Lagern für viele eine ausgedehnte Zwischenstation, während kleine Gruppen noch im Elsaß angesiedelt Avurden 7 . Beim Herannahen der Russen an die neuen Ansiedlungsorte glückte nahezu allen Bosniendeutschen die Flucht in das Gebiet des "Altreiches", wo sie in der Nachkriegszeit über ganz Deutschland zerstreut wurden 8 .

Die deutschen Siedlungen in Kroatien beschränkten sich seit der Bosnienumsiedlung auf die geschlosseneren Gebiete zwischen Dräu und Sawe östlich von Bjelovar, wo sich über Ostsyrmien der Anschluß an die deutschen Siedlungszentren der Batschka und des Banats ergab. Auch ihre Umsiedlung hat Himmler seit dem Herbst 1942 mehrfach erwogen; zu ihrer Ausführung ist es indes nicht mehr gekommen 9 .

Für alle diese Projekte, gleich wie hartnäckig sie verfolgt oder wie umrißartig nur sie entworfen wurden, und für die tatsächlichen Umsiedlungen der Volksdeutschen aus Serbien und Bosnien, der Krain und Gottschee, kann nicht etwa die Furcht vor Vergeltungsmaßnahmen der Partisanen als das allein ausschlaggebende Motiv angesehen werden, so spürbar deren Auftreten z. B. in Bosnien schon geworden war. Diese Umsiedlungspläne und -aktionen entsprangen vielmehr, längst ehe es überhaupt eine Partisanengefahr gab, prinzipiellen Überlegungen der nationalsozialistischen Volkstumspolitik: die Außenposten deutschen Volkstums ohne Rücksicht auf eine vielhundertjährige Siedlungsgeschichte im Zuge eines Verwaltungsaktes in Grenzgebieten des Großdeutschen Reiches, vor allem in der "Ostmark", anzusiedeln. Andersnationale aus dem erweiterten Reichsgebiet auszuschließen, um "bessere Trennungslinien" zu gewinnen, wie sie Hitler


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im Herbst 1939 gefordert hatte. Mit dem Ideal des ethnisch möglichst homogenen Nationalstaats wurde die Entwurzelung Tausender von Volksdeutschen, Slowenen, Kroaten usw. gerechtfertigt. Damit wurde das Vorbild von Bevölkerungsverschiebungen großen Ausmaßes nur zu nachahmungsbereiten Kräften vor Augen geführt. Durch diese Unbedenklichkeit, mit der mit beliebigen Zahlen von Menschen je nach der Konzeption der nationalsozialistischen Führung manipuliert wurde, durch den Vorgang der Zwangsverpflanzung ganzer Nationalitätengruppen wurden im Zusammenhang mit anderen Motiven zusätzliche ideelle und stimmungsmäßige Voraussetzungen für die Vertreibung der jugoslawiendeutschen Minderheit geschaffen.