a) Die Vertreibung von Volksdeutschen aus Slowenien und Slawonien; die Behandlung der Rückkehrer.

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Gegen Kriegsende befand sich der größte Teil des ehemals jugoslawischen Staatsgebietes unter der Herrschaft der Partisanen, nachdem die russischen Truppen im Januar aus der Woiwodina abgezogen waren und die Frontlinie Esseg-Brčko nach dem Beginn der großen Offensive der Partisanenarmeen am 11. 4. 1945 von den deutschen und kroatischen Truppen aufgegeben werden mußte. Diese zogen sich daraufhin kämpfend in den slowenischen und steiermärkischen Raum zurück, wo sie bis zum 9. 5. 1954 kapitulierten 1 . Zu diesem Zeitpunkt waren die ehemaligen Haupt-


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Siedlungsgebiete der Jugoslawiendeutschen, in denen sich die überwiegende Mehrheit der Zurückgebliebenen auch jetzt noch aufhielt, bereits länger als ein halbes Jahr besetzt, so daß die Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung erhebliche Zeit vor Kriegsschluß einsetzten. Während die Deutschen aus den polnisch besetzten Ostgebieten, der ČSR und Ungarn in der unmittelbaren Nachkriegszeit vertrieben wurden 2 , kam es zur Vertreibung von Jugoslawiendeutschen nur in Slowenien, teilweise auch in Slawonien, wogegen in der Batschka, Baranja und im Banat, sowie in Syrmien das System der Internierungslager vorherrschend wurde. Die Verhältnisse in Jugoslawien unterschieden sich insofern von denen in allen ost- und südosteuropäischen Staaten mit deutschen Minderheiten, als die Deutschenpolitik des jugoslawischen Partisanenregimes bereits seit Oktober/November 1944 gewissen Grundzügen und Richtlinien folgte, die in manchen Gebieten z. T. bis 1948 eingehalten wurden 3 . Diese Grundsätze lagen längst fest, ehe auf der Konferenz von Potsdam Polen, der ČSR und Ungarn die Ausweisung ihrer deutschen Bevölkerung zugestanden wurde. Jugoslawische Bemühungen, auf dieser Konferenz eine Vollmacht zur Vertreibung auch der Deutschen ihres Landes zu erwirken, lassen sich bisher nicht nachweisen 4 . Möglicherweise sind solche Anstrengungen seitens des neuen jugoslawischen Regimes überhaupt nicht unternommen worden. Die Gründe für eine solche Unterlassung können in dem Selbstgefühl der Partisanenführung gelegen haben, das sich durch den erfolgreich überstandenen Guerillakrieg und die militärische Selbständigkeit bei den Operationen der letzten Kriegswochen gehoben hatte und die Entscheidung über innere Fragen des Landes nicht in die Hand anderer Mächte geben wollte; so konnte auch die im Oktober 1944 beschlossene zahlenmäßige Aufteilung des Einflusses 5 zwischen der Sowjetunion und Großbritannien nach der Formel 50:50 die Macht der Partisanenherrschaft nicht beschränken 6 .

Die Grundlagen der Deutschenpolitik der Partisanen scheinen bereits seit den Beschlüssen des "Antifaschistischen Rates" (AVNOJ) vom 21. 11. 1944 7 festgelegt gewesen zu sein. Ihr Ziel war die Aberkennung der Bürgerrechte und die gewaltsame Enteignung der Deutschen, ihre Degradierung zu besitzlosen und unerwünschten Bürgern. Ob die Entziehung der Bürgerrechte die Vorstufe späterer Vertreibung sein sollte, oder ob den Jugo-


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slawiendeutschen ein anderes Schicksal zugedacht war, läßt sich aus den bisher zugänglichen Quellen nicht schlüssig entscheiden.

In einem Aide-memoire vom 19. Januar 1946 über den "Transfer der restlichen deutschen Minderheit aus Jugoslawien nach Deutschland", das am 16. Mai erneut eingereicht wurde, hat allerdings die jugoslawische Regierung unter fälschlicher Berufung auf die Potsdamer Vereinbarungen die amerikanische Botschaft in Belgrad aufgefordert, ihre "guten Dienste" zur Verfügung zu stellen, damit "eine Entscheidung" bezüglich dieser Deutschen durch den Alliierten Kontrollrat in Berlin beschleunigt herbeigeführt werden könne. Das Aide-memoire forderte den "Transfer der gesamten deutschen Minderheit" nach Deutschland, blieb indessen ohne jede Wirkung, da die amerikanischen Behörden den jugoslawischen Wünschen keine Folge leisteten 8 .

Auffällig ist übrigens, daß sich die Vertreibungs- und Internierungspolitik der Partisanen wie auch später der jugoslawischen Behörden ausschließlich gegen die Deutschen richtete. Obwohl der Nationalitätengegensatz zwischen Serben und Ungarn nach dem ersten Weltkrieg und erst recht nach der Besetzung der Batschka und Baranja durch ungarische Truppen mit den sich daran anschließenden Serbenverfolgungen fraglos schärfere Formen angenommen hatte, als sie je für das Verhältnis der Volksdeutschen zur andersnationalen Bevölkerung kennzeichnend waren, blieben die Ungarn im wesentlichen seit 1944 in Jugoslawien unbehelligt, ganz im Gegensatz zur ČSR, wo außer den Deutschen auch ein beträchtlicher Teil der ungarischen Bevölkerung aus dem Lande getrieben wurde 9 . -

Von einer unverhüllten Austreibung von Jugoslawiendeutschen kann man sicherlich in Slowenien und in Teilen von Slawonien sprechen. Hier sollte aus der Bewegung der letzten militärischen Operationen heraus das nordwestliche Grenzgebiet von den Deutschen, für die eine geordnete Evakuierung nicht mehr hatte organisiert werden können, völlig gesäubert werden. Die jugoslawischen Partisanenverbände unterstützten demgemäß nachdrücklich die Fluchtbewegung der bereits aufgebrochenen Bevölkerung, vornehmlich der dorthin umgesiedelten Gottscheer, Bosnien- und Bessarabiendeutschen 10 . Bahntransporte wurden sogleich an die frühere österreichische Grenze weitergeleitet, Flüchtlingstrecks in improvisierte Lager - z. B. bei Cilli und Tüchern - gelenkt -und von dort über Marburg abgeschoben. Ein Teil der arbeitsfähigen Männer dieser Umsiedler wurde in Lagern zurückbehalten 11 , während ihre Angehörigen ebenfalls über die Grenze getrieben wurden. Gleichzeitig wurden die einheimischen Deutschen in den


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Gefängnissen der Bezirksorte und in Lagern konzentriert: so auf Schloß Herberstein, in Sterntal, Cilli und Tüchern, von wo sie zwischen dem August 1945 und dem Frühjahr 1946 nach Österreich abgeschoben wurden 12 , sofern sie die unablässige Quälerei während der Lagerzeit überstanden hatten. Angehörige der älteren Generation konnten den Lagern z. T. dadurch schneller entkommen, daß sie sich auf ihre frühere österreichische Staatsangehörigkeit beriefen. Viele Sloweniendeutsche wurden sogleich vor Gericht gestellt, und die Prozesse endeten damit, daß sie entweder ihre Strafzeit im Gefängnis oder Internierungslager verbringen mußten oder auch außer Landes verwiesen wurden 13 . Noch vor dem Sommer 1946 wurde mit diesen Methoden die überwiegende Mehrheit der Sloweniendeutschen vertrieben, während restliche Gruppen weiter in den Arbeitslagern festgehalten wurden und Slowenisierte, bzw. Angehörige von Mischehen in das Berufsleben zurückkehren konnten.

Die wenigen nicht geflohenen Slawoniendeutschen wurden zwischen April und Juni 1945 im Lager Josipovać, das bereits als Ustascha-KZ gedient hatte, interniert und von dort zumeist in das Lager Valpovo, geschafft 14 , in der Mehrheit handelte es sich um deutsche Stadtbewohner. Auch aus Valpovo versuchte die Partisanenverwaltung, Volksdeutsche nach Österreich abzuschieben. Am 10. 7. 1945 verließ ein erster Transport das Lager und dürfte auch nach Österreich gelangt sein. Ein zweiter Transport dagegen, der am 20. 7. 1945 in Marsch gesetzt wurde, ist über Laibach zurückgeleitet worden und endete in Pisanica in einem schnell eingerichteten Lager, in dem bald ca. 5000 Deutsche, unter ihnen auch Rückkehrer, festgehalten wurden 15 . Kurze Zeit wurde ein Teil der arbeitsfähigen Lagerinsassen in der Umgebung von Pisanica eingesetzt, bis das Lager aufgelöst und seine Insassen je zur Hälfte auf die Lager Valpovo und Krndija aufgeteilt wurden. Hier war die Ernährung völlig unzulänglich, Krankheiten, u. a. eine große Fleckfieberepidemie, brachen aus und rafften in beiden Lagern die Hälfte der Häftlinge hinweg 16 .

Im Mai 1946 wurden auch die Lager Valpovo und Krndija aufgelöst und ca. 90 Prozent der Internierten entlassen; dabei wurden die vielen kroatisierten Deutschen und Angehörigen von Mischehen bevorzugt 17 . Der Rest der Lagerbelegschaften wurden in die Lager Podunavlje (Baranja) und Tenje (bei Esseg) überführt, wo sie bis zu ihrer Entlassung in der Landwirtschaft arbeiten mußten. Seit November 1946 wurde Einzelnen und kleinen Gruppen die Ausreise nach Österreich gestattet, sofern sie dort Verwandte nachweisen konnten; Anträge auf Familienzusammenführung, die


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in dieser Zeit aus Österreich an die jugoslawischen Behörden gerichtet wurden, mögen zu dieser Milderung mit beigetragen haben. Das letzte Häuflein Überlebender aus Tenje wurde im Januar 1947 ins Lager Rudolfsgnad in der südlichen Woiwodina eingeliefert 18 . Es fällt auf, daß der Rest der Slowenien- und Slawoniendeutschen, der nicht evakuiert worden war, völlig anders behandelt wurde, als die Banaler und Batschkaer Donauschwaben. Während diese jahrelang in Lagern festgehalten wurden, waren jene bereits bis Ende des Jahres 1946 aus Jugoslawien vertrieben oder, zum kleineren Teil, in ihre Heimatorte entlassen worden. Die Gründe dieser unterschiedlichen Behandlung sind unbekannt. Da seit der Gründung der "Föderativen Volksrepublik Jugoslawien" (29. 11. 1945) die Minderheitenpolitik in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Volksrepubliken fiel, mögen sich in der Volksrepublik Kroatien gewisse ausgleichende Kräfte stärker als im Hauptsiedlungsgebiet der Deutschen in der Woiwodina geltend gemacht haben.

In den gleichen Zusammenhang wie die Vertreibung der Slowenien- und Slawoniendeutschen gehört die Behandlung der zurückkehrenden Flüchtlinge, die einzeln, in Familien oder größeren Gruppen ihre Heimatorte zu erreichen suchten. Aus Deutschland gelangten nur wenige bis an die jugoslawische Grenze, meist indem sie sich den Rücktransporten der jugoslawischen DPs anschlössen. Aus Österreich machten sich Jugoslawiendeutsche in Richtung Slowenien in geschlossenen Transporten, die zum Teil von der amerikanischen Militärregierung zusammengestellt wurden, auf den Weg nach Hause. Sie wurden entweder an der Grenze abgewiesen, nach Ungarn abgelenkt oder über Agram in Durchgangslager wie Pisanica gebracht, von wo sie bald wieder nach Österreich entlassen wurden 19 . Rückwanderertrecks aus Niederösterreich, der ČSR und Ungarn, wo das Kriegsende die Flüchtlinge überrascht hatte, erreichten nach dem Anmarsch durch Südungarn den Norden der Woiwodina. Auch sie wurden entweder an der Grenze abgewiesen oder nach kurzem Aufenthalt im Sammellager Subotica außer Landes verwiesen, häufig heimlich über die ungarische Grenze getrieben oder in das Lager Sekić geschafft, aus dem sie Ende 1945 nach Gakovo gebracht wurden 20 . Diejenigen, die \om Zufall begünstigt bis in ihre Heimatortschaften gelangten, wurden nicht mehr in den Lagern interniert, sondern unverzüglich ausgewiesen 21 . Das Verhalten der Partisanen und jugoslawischen Behörden gegenüber den Rückkehrern war ähnlich wie das gegenüber den ersten, aus der UdSSR heimkehrenden Deportierten 22 : man wollte sich mit den aus gleich welchen Ländern zurückkehrenden Jugoslawiendeutschen nicht näher einlassen, verwehrte ihnen die Einreise oder schaffte sie doch sobald als möglich wieder über die Grenze und überließ sie ihrem Schicksal. Nachträglich wurde so auch die Flucht dieser nunmehr


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Rückkehrwilligen dadurch zur Vertreibung, daß man ihnen die Heimkehr und den Aufenthalt im Lande verweigerte.