Nr. 5: Vorfalle nach der Besetzung von Franzfeld durch deutsche Truppen im April 1941; erste Werbungen und Einberufungen von Volksdeutschen für die Waffen-SS und Banaler Hilfspolizei; Widerstände der deutschen Dorfbewohner gegen die Heranziehung zum Polizeidienst.

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Erlebnisbericht des Schülers M. R. aus Franzfeld (Kraljevićeve), Bezirk Pantschowa (Pančevo) im Banat.

Original, 6. Mai 1957, 8 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Der Vf. beginnt seinen Bericht mit einem kurzen Überblick über seinen Lebenslauf und schildert dann die politischen Auseinandersetzungen in Franzfeld zwischen den "Alten" des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und den Anhängern der "Erneuerer".

In Franzfeld waren die Deutschen am Karfreitag 1941 einmarschiert. Damals habe ich das erstemal eine richtige deutsche Hakenkreuzfahne gesehen, von denen dann Hunderte auch auf Häusern wehten, deren Besitzer bisher nicht gerade als Erneuerer 1 galten. Uns Jungen hat die Aufmachung mit Hakenkreuzbinden, schwarzer Mannschaftsuniform und Koppel riesig gefallen, obwohl ich mich genau erinnere, daß die älteren, besonneren Leute vor einer solchen Entwicklung warnten, so mein Großvater,

Eine Gruppe von Franzfeldern fuhr damals auch in die rein serbische Nachbargemeinde Crepaja und nahm dort die sogenannte "Entwaffnung" vor. Bekanntlich wurden die serbischen Gemeinden in den bewegten Wochen vor dem Balkanfeldzug 1941 von den serbischen Dienststellen bewaffnet. Ganze Wagen voll Gewehre und Munition sind in den darauffolgenden Tagen von mit Hakenkreuzbinden ausgestatteten Franzfeldern als Beutegut in die Gemeinde gebracht worden.

Schon ein paar Tage nach dem Umsturz ist ein kleinerer Trupp von SS-Leuten in Franzfeld einmarschiert. Unter ihnen war auch ein Erneuerer-Führer, Besinger, der nun auch in voller Uniform ins Dorf einzog. Wir Jungen waren nur von der SS eingenommen. Von Wehrmachtseinheiten, soweit sie fallweise ins Dorf einzogen, waren wir alle riesig enttäuscht. Auch Lehrer Reiser ist in diesen Tagen in einer dekorativen schwarzen SS-Uniform im Dorf aufgetaucht.


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An eine Einzelheit erinnere ich mich besonders. In der Gemeinde waren einige versprengte serbische Soldaten in der Umbruchzeit, die von der Zivilbevölkerung mit Kleidern versorgt und in Richtung Heimat in Bewegung gesetzt wurden. Selbst in unserem Haus war ein serbischer Kriegskollege meines Vaters acht Tage versteckt, der nach dem ersten Rummel dann wieder heimwärts zog. Mein Vater selbst hat ihn heimgebracht, ich glaube nach Kovačica, da er ein Berufskollege, ebenfalls Müller, war. - Später sollte sich dieser Freundschaftsdienst in einer schweren Zeit in wunderbarer Weise noch lohnen. Er hat uns, als wir 1944/45 im Lager saßen, noch mit Lebensmitteln versorgt. - Nun nochmals zurück zu dem angedeuteten Erlebnis aus dieser Zeit. Der Bahnhofs-Vorstand, der ein Serbianer war 2 , hatte sich in einem Bunker nahe dem Bahnhof, wohl aus Angst, verschanzt. Davon hatte auf irgendeine Art und Weise eine Gruppe von Dorfbewohnern Kenntnis erhalten, die einige SS-Leute zum Bunker führte. Und als der Bahnhofsvorstand trotz Aufforderung nicht herauskam, warf man eine Handgranate in den Bunker. Der serbische Bahnhofsvorstand kam dabei ums Leben.

Während die alten Leute dafür waren, daß man sich einer maßvollen Dorfpolitik auch den andersnationalen Dorfnachbarn gegenüber befleißigt (in der Umgebung von Franzfeld gab es ein rumänisches Dorf - Neudorf/Novo Selo, ein ungarisches - Debeljača und ein slowakisches - Padina), trieb alles einem Radikalismus entgegen. Schon kurz darauf zogen die ersten sechs donauschwäbischen Dorfbewohner als Freiwillige zur Waffen-SS. Dann wurden in der Gemeinde 28 aus dem serbischen Militär eben heimgekehrte Männer von Franzfeld in der Gemeinde gemustert und ebenfalls der SS überstellt. Sie kamen nach Prag zur Totenkopf-Division. Unter ihnen war auch mein Onkel. Bevor noch die Prinz-Eugen-Division aufgestellt wurde 3 , wurden fallweise einzelne Franzfelder noch zur HIPO (Hilfspolizei) eingezogen. Bei einer solchen Gelegenheit sollten wieder 25 Franzfelder zur HIPO einberufen werden. Im Dorf munkelte man davon, daß auch der Sohn des Bürgermeisters (Seiler Matz) einberufen worden war. Dieser Gestellungsbefehl für Seiler war aber dann plötzlich nicht mehr da. Von diesen 25 Einberufenen sind dann fünf tatsächlich eingezogen worden, die anderen sträubten sich mit dem Hinweis, daß sie nur zum Militär gingen, wenn auch der Sohn des Bürgermeisters einrückte. Diese "Kriegsdienstverweigerer" haben sich zunächst daheim versteckt, während die örtliche Behörde sie ausheben wollte. Die ganze Gemeinde stand hinter ihnen. Es kam zu leidenschaftlichen Protesten vor dem Gemeindehaus. Nun gab es neben der HIPO auch noch eine sogenannte "Schwarze Polizei 4 ". Zwei Kompanien dieser "Schwarzen Polizei" kamen mit einem Sonderzug nach Franzfeld, um eine Strafaktion gegen diese "Kriegsdienstverweigerer" durchzuführen. Unter ihnen befand sich auch ein Franzfelder. An die Spitze dieser Strafkompanie


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trat in der Gemeinde der Vizebanus vom Banat in Erscheinung, der selbst ein Franzfelder Kind ist. Die "Kriegsdienstverweigerer" wurden ins Gemeindehaus geholt. Wieder fand sich eine Gruppe, die mit Protestkundgebungen vor das Gemeindehaus zog. Unter ihnen war auch eine Frau, Gottliebe Reiser, die zu den erbittertsten Gegnern der Erneuerer zählte. Auch diese Gruppe von Protestierenden wurde verhaftet und zu den "Kriegsdienstverweigerern" eingesperrt.

Insgesamt dürften es ca. 70 Personen mit den Kriegsdienstverweigerern gewesen sein. Sämtliche, ausgenommen Fau Reiser, wurden auf den Fußsohlen geprügelt. Daraufhin wurden sie mit Schnüren aneinandergebunden und durch die Hauptstraße zum Bahnhof getrieben, voran Frau Reiser mit einer Tafel "Wir sind die Schande von Franzfeld". Eine große Menge empörter Dorfinsassen fand sich angesichts dieses Terrors der "Schwarzen Polizei" auf den Straßen ein und begleitete mit stummen Protest die Kriegsdienstverweigerer und die Protestierenden die Hauptstraße entlang an den Bahnhof, wo der Vizebanus in voller Uniform mit Silber- und Goldschnüren, Lametta u. dgl. sich in Pose setzte. - Dieses Ereignis sollte uns noch einmal zugute kommen. Der einzige Serbe, namens Putnik, der in Franzfeld gelebt hatte und dort eine Tischlerei besaß, hat in den Umbruchstagen, als die Partisanen Männer aushoben und Frauen deportierten, bei den Ortsgewaltigen als Fürsprecher der Franzfelder viel Gutes getan. Immer wieder hat er betont, daß er die seinerzeitigen Prügelszenen persönlich erlebt hat und als Kronzeuge dafür auftreten könne, daß die Schwaben nicht freiwillig zur SS' eingerückt seien.

Während man von Volksdeutscher Seite sich Hoffnungen machte, daß diese Leute als "Kriegsverbrecher" abgeurteilt würden, wurden bei den Betschkereker deutschen Militärstellen die Leute keinerlei Drangsalierungen unterzogen. Nach ein paar Tagen wurden sie eingekleidet und meist zur HIPO abkommandiert. Später sind einige von ihnen zur SS gekommen. Kein einziger war untauglich. Es war die Blüte der Franzfelder Jugend. Kerngesunde, blutjunge Männer. - Eine Erinnerung an diesen Schandzug stellt auch heute noch in Franzfelder Kreisen die Redewendung "Auch der war an der Feigenschnur" dar, die gebraucht wird, wenn die Rede auf einen dieser "Kriegsdienstverweigerer" kommt. Die Leute wurden nämlich wie in einem Feigenkranz aneinandergebündelt seinerzeit durch den Ort geschleift.

Als es sich nach diesen brutalen Ausschreitungen herumgesprochen hatte, daß es für die Volksdeutschen keinen Ausweg mehr geben wird und sie zur SS "freiwillig" gepreßt werden, meldeten sich 40 junge Leute - nun tatsächlich freiwillig - zur Deutschen Wehrmacht. Eine kleinere Gruppe hat sich freiwillig zur OT zum Einsatz gemeldet. Wehrmachtsfreiwillige kamen größtenteils zur Kavallerie.

Große Empörung, aber noch mehr Angst bemächtigte sich der Bevölkerung. Solcher Methoden war man sich aus der schlechtesten Zeit eigentlich nicht bewußt. Es war eine große Enttäuschung, weil in der Vorstellung unserer Menschen doch das Deutschtum in den schönsten Farben lebte.


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Nach kurzer Zeit begannen dann die regelrechten Einberufungen zur Prinz-Eugen-Division. Von dieser Zeit sind dann keine Rebellionen mehr bekannt. Die Leute haben sich geduldig und gehorsam, wie unsere Schwaben schon sind, dem Druck gefügt. Unsere Gemeinde hat wohl über 1000 Soldaten gestellt 5 . Es ist mir auch nicht bekannt, daß ein Dorf so viele Kriegsopfer hat wie unsere Gemeinde. Als ich noch daheim war, war bereits amtlich bekannt, daß die Zahl der Kriegsopfer über 400 betrug. Auf riesigen Tafeln, mit Gold eingemeißelt, waren in der evangelischen Kirche die Namen der Gefallenen festgehalten. Im Ersten Weltkrieg waren es 200. Es war kein Platz mehr, um die Opfer des Krieges auf diese Weise zu verewigen.

In dieser Atmosphäre reifte dann die politische und militärische Katastrophe in unserem Raum heran.