Nr. 9: Einberufung von Volksdeutschen zur Waffen-SS auf Grund der deutsch-ungarischen Vereinbarung vom 22. Mai 1943; Freistellung des Vfs. von der Honved auf Grund seiner Meldung und Musterung zur Waffen-SS.

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Erlebnisbericht des Seminaristen Franz Roth aus Laskafe'ld (Čeminac), Bezirk Darda in der Baranja.

Original, 10. April 1958, 12 Seiten, hsdir. Teilabdruck.

1943 besuchte ich die 5. Klasse der Deutschen Lehrerbildungsanstalt in Neu-Werbaß in der Batschka, als zu Beginn des Jahres die 2. SS-Aktion gestartet wurde. Ich empfand es als meine Pflicht, am großen Ringen auch aktiv teilzunehmen. Der Beweggrund war für mich ohne politischen Hintergedanken, ich wollte als Deutscher dem deutschen Volke zur Verfügung stehen.

Wir bekamen von der Schule frei, um uns in unserem Ort bei der Ortsgruppe zu melden. Ich fuhr nach Hause und meldete mich. Bei der ersten SS-Aktion 1942 wurde ich als Lehramtskandidat zurückgestellt, wir sollten als zukünftige Lehrer bei der Weckung und Erhaltung des Deutschtums unserer Heimat unseren Dienst tun. Bei der 2. Aktion wurde ich nicht zurückgestellt, denn nach Vollendung des 21. Lebensjahres hätte ich auch zu der ung. Honved einrücken müssen. Bevor ich jedoch zu der Stellung bei der Waffen-SS kam, wurde ich von der Honved zur Stellung gerufen. Bereits bei Beginn der Ferien wurde ich auch von der Waffen-SS gestellt. Als erste Einberufung kam die zu den Ungarn; am 6. Oktober mußte ich mich bei den "Hatarvadäsz 8 " in Neusatz melden. Zur Einkleidung kam es nicht, am nächsten Tag wurde ich entlassen auf Grund einer Bescheinigung des Kreisleiters, aus der hervorging, daß ich bei der Waffen-SS als tauglich befunden wurde.


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Das Melden zum Dienst in der Waffen-SS wurde an unserer Schule als politische Manifestation aufgezogen. Es wurde gewissermaßen ein Druck auf die Zöglinge ausgeübt, der von der damaligen DJ-Organisation an der Schule ausging. Jeder, der sich nicht meldete, wurde als Verräter an seinem Volke hingestellt. Diese Aktion wurde vom Lehrkörper nur insoweit unterstützt, als die einzelnen Lehrkräfte überzeugte oder opportune Nationalsozialisten waren. Professor A. galt als der politische Kommissar an der Schule. Viele der Schüler taten in der DJ deshalb mit, weil sie nicht als Außenstehende oder gar als Feinde des deutschen Volkes betrachtet werden wollten, oder weil sie keine andere Möglichkeit fanden, an der Gemeinschaft des deutschen Volkes teilzunehmen.

Am 16. November 1943 zogen wir, mit Musik und Fahnen begleitet, zum Bahnhof von Čeminac, von wo wir nach Villäny fuhren. Hier sammelten sich die Freiwilligen aus einigen Kreisen, und wir wurden in einer Massenkundgebung den Führern der Waffen-SS übergeben.

Gegen Abend wurden wir in geschlossene (jedoch nicht verriegelte) Waggons verfrachtet und nach Wien gebracht. Im Arsenal wurden wir zu fünft vom Transport abgezweigt und zur Kavallerie-Abteilung nach Warschau überwiesen. Wir waren von der Volksgruppenführung in Budapest für die Führerlaufbahn vorgeschlagen. Als Auslesegrundsatz galt das Abitur oder eine führende Stellung in der Volksgruppe (Kreisleiter, Jugendführer).

Im folgenden schildert der Vf. seine Erlebnisse nach Kriegsende: den Versuch, in einem Rückführungstransport ehemaliger jugoslawischer Kriegsgefangener und Deportierter die Heimat zu erreichen; seinen mehrmaligen Grenzübertritt nach Jugoslawien (von Südungarn aus), um Familienangehörigen aus Gakovo und anderen Lagern in der Batschka und Baranja zur Flucht nach Ungarn zu verhelfen; seine Ausreise aus Ungarn über Österreich nach Westdeutschland im Mai 1946 und nochmalige Rückkehr zu seinen in Ungarn gebliebenen Angehörigen; seine Verhaftung durch jugoslawische Geheimpolizisten an der ungarisch-jugoslawischen Grenze und die Verurteilung zu 5 Jahren Zwangsarbeit wegen illegalen Grenzübertritts.


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