Nr. 26: Die Ereignisse in Račinovci seit Mitte 1943 ährend der Partisanenkämpfe und unter Partisanenbesetzung; die Evakuierung der Volksdeutschen des Bezirks Županja Mitte Oktober 1944 nach Österreich.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Erlebnisbericht des Gemeindeangestellten Georg Merkhofer aus Račinovci, Bezirk Županja in Slawonien.

Original, 19. November 1958, 8 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Zunächst berichtet der Vf. über Vorgänge in seiner Heimatgemeinde bei Kriegsbeginn und nach der Errichtung des Unabhängigen Staates Kroatien und über das Verhältnis der kroatischen und deutschen Einwohner 1 .

Die Partisanentätigkeit in unserer Gemeinde hat im Sommer 1943 angefangen mit der Requirierung der Treibriemen der Dreschmaschinen sowie Demolierung, bei dieser Aktion wurde die Dreschgarnitur des Helleis Hans angezündet und eingeäschert. Nach einigen Wochen kamen die "Befreier", vertrieben die Domobrani 2 , räumten die Gemeindekanzlei aus, sie schmissen dabei sämtliche Bücher, Protokolle, Urschriften, Katasterunterlagen, mit einem Wort alles, was in so einem Gemeindeamt beherbergt wurde, auf einen Haufen, aufgestapelt, mit Petroleum übergössen und im Freudentaumel in Brand gesteckt.

Ab diesem Tag an wurde ein Partisanen-Gemeindeausschuß eingesetzt, ein Bürgermeister ernannt, eine Postzensur durchgeführt, der ^bisherige Bürgermeister Josip Azapović sowie Ortsgruppenleiter Johann Djanitsch, Mannschaftsführer Josef Pfiel, Ortsbauernobmann Franz Marks, Altobmann des SDKB 3 Anton Plesch, Propagandaleiter Franz Kleer und noch einige andere, die irgendwelche Funktionen hatten, mußten sich nach der Stadt Brčko a. d. Sawe in Sicherheit bringen, denn da war noch eine deutsche Wehrmachts- und Polizeibesatzung. Manchmal kamen ja Militärstreifen durch, aber da verkrochen sich ja die Partisanen wohlweislich, denn einen Zusammenstoß mit der deutschen Wehrmacht und deren Verbündeten (Hilfspolizei, Kroatische Legion und Ustaschi) vermieden sie, wo nur möglich.

Dieser Besatzungszustand von Seiten der Partisanen dauerte bei uns bis 27. 10. 43, dann kam die Säuberungsaktion der Kosaken (deutsche Verbündete). Bei dieser Säuberungsaktion wurden ja auch einige Angehörige der Partisanen sowie auch Partisanen selbst, die nicht rechtzeitig flüchteten oder nachträglich aus ihren Schlupfwinkeln hervorkrochen, verhaftet und in ein Internierungslager bei Vinkovci verbracht; unter ihnen war auch leider ein Deutscher (Schwabe), bekannt als illegaler Kommunist, Josef Ochss, der auch dort erschossen wurde; von wem das ausging, hat man nie richtig erfahren. Auch ein Kroate Namens Stanko Panjičanin kam nicht mehr zurück,


144

die anderen kamen alle früher oder später heil zurück. Diese Verhaftungen wurden von den Ustascha und einigen hitzigen Urlaubern durchgeführt.

Die Behandlung von seilen der Partisanen war gegenüber uns Deutschen, soweit man sich nicht irgendwie politisch hervortat, nicht schlechter als gegenüber den Brüdern Kroaten; man durfte sich aber ja nicht irgendwie politisch betätigen oder gar an "Kollaboration" (Verrat an Angehörigen von Partisanen) beteiligen. Tat man dies, wenn auch in irgendwelcher harmlosen Weise (in Betrunkenheit), so war es sehr gefährlich, wie [bei] unserem Laudsmanu Dewald Josef, Milchhändler, der täglich mit seiner Ware nach Brčko gefahren ist und in dem vom Militär besetzten Gunja von dem kroatischen Gendarmen im Rausch ausgefragt wurde über die Verhältnisse im von den Partisanen besetzten Gebiet. Dewald sagte ihm alles wahrheitsgetreu, im guten Glauben, er sei ja doch ein Beamter des Staates, dem man ja die Wahrheit sagen sollte, ja mußte. Dieser ging nach einiger Zeit in den Wald zu den Partisanen über, und Dewald holte man eines Tages bei Nacht, mißhandelte und folterte ihn, und da die Kosaken zu schnell kamen, wurde er erschossen. So ging es in dieser Zeit staatstreuen Bürgern, egal welcher Nationalität.

Dies alles zu beschreiben würde Bände ergeben. Ich will daher nur kurz einige Erlebnisse beschreiben, weil sich ja solche Fälle in vielen Gemeinden und Dörfern fast in gleicher Weise abspielten.

Am 15. 8. 1943 kam eine Ustascha-Einheit (Kroaten der umliegenden Gemeinden, die freiwillig bei der Ustascha dienten), diese suchten Partisanen aus unserer Gemeinde und machten Hausdurchsuchungen bei verdächtigen Einwohnern (solchen, wo man wußte, daß wer bei den Partisanen war), es wurden auch welche Verhaftungen gemacht. Mit dieser Einheit kamen auch einige Offiziere der Deutschen Wehrmacht (Kroatische Legion, unter deutschem Kommando), ich glaube ein Major, ein Hauptmann, ein Unteroffizier und der Wagenlenker (Auto). Sie fragten nach dem Hause von Marko Panjicauin, das war ein Legionär, auch Teilnehmer von Stalingrad, der aber beim Fall von Stalingrad in einem Lazarett war und so entkam. Da ja um diese Zeit unsere Umgebung sozusagen Partisanen-Besatzungsgebiet war (mit Ausnahme wenn deutsche oder verbündete Militär-Verbände durchmarschierten), achtete man nicht viel dessen Anwesenheit, und er gab ja auch vor, in Urlaub zu sein. Dem seine Einheit war im Gebiet von Montenegro zur Partisanensäuberung eingesetzt und ist dann irgendwo in der Nähe gewesen, so hatten wahrscheinlich diese Offiziere den Auftrag, Panjičanin zu suchen oder auch auf folgende Weise zu bestrafen. Nämlich, sie erkundigten sich nach dem Wohnhaus desselben und haben dieses Häuschen, das in der Mitte unseres Dorfes im Garten seines Vaters stand, in Brand gesteckt; das ganze Gebäude samt Inventar und Futtervorräten dieser armen Leute wurde ein Raub der Flammen. - Soweit eine Heldentat deutscher Offiziere im Hinterland, wo deutsche Menschen wohnten.

Es haben sich vernünftige, ja durch den Brand gefährdete Deutsche (Schwaben) bei den Offizieren eingesetzt, man soll die Folgen eines solchen Brandes in einer geschlossenen Bauernortschaft Slawoniens bedenken: Da könne das ganze Dorf, ohne Unterschied ob deutsches oder audersuationales


145

Haus, in Flammen aufgehen; zu dem seien wir in einem von Partisanen besetzten Gebiet und als Deutsche ihrer Gnade oder Ungnade ausgeliefert, denn wer soll uns schützen, nachdem die Herren, vielmehr diese Einheit, wieder abziehen! Zu diesen Argumenten hatten die Offiziere nur ein mitleidiges oder auch spöttisches Lächeln und gaben uns den Rat, wir sollten uns mit unseren Sensen und Gabeln wehren, denn diese hätten wir ja genug und könnten wohl auch damit gut umgehen, unsere Ahnen wehrten sich auch nicht anders im Mittelalter. Dieser Brand sei nur zu Recht geschehen, denn Panjičanin habe als Legionär mehr als genug Häuser in Montenegro, Herzegowina und Bosnien in Brand gesteckt, nun soll er es am eigenen Leib (Eigentum) verspüren, wie das ist, wenn man ohne Dach übern Kopf dasteht.

Auf diese Säuberungsaktion, d. h. Verhaftung von Angehörigen der Partisanen und In-Brand-Steckung dieses Hauses, haben Funktionäre, deren diese Helden nicht habhaft wurden, nach dem Abzug der Ustascha sofort bzw. den Tag darauf die Parole durchgegeben: Wenn die Geiseln nicht binnen 48 Stunden freigelassen werden, so wird man seitens der Partisanen einen Massenmord der Deutschen (Schwaben) von Račinovci durchführen. Das war natürlich ein großer Schreck und Chaos unter den Schwaben; sogleich machte sich eine Abordnung von schwäbischen Männern auf den Weg zur deutschen Kommandantur nach Brčko, um dort die Freilassung der Geiseln irgendwie zu erwirken. Und da man sehr wenig Hoffnung hatte, brachte sich der Großteil unserer Schwaben in Sicherheit durch Flucht nach Gunja, das noch von der deutschen Wehrmacht, als Vorort von Brčko, besetzt war. Auch mich brachte Vater mit etwas Lebensmitteln und Kleidern zu seinem dort wohnhaften Bruder, dem Ortsleiter von Gunja, in Sicherheit. Zum Glück hatte die Abordnung bei dem scheinbar vernünftigen Stadtkommandanten von Brčko die Freilassung der Geiseln erreicht, und die Schwaben konnten nach einigen Tagen wieder in ihre Heimstatt zurückkehren und ihre Arbeit in Ruhe verrichten; aber die richtige Geborgenheit war es nicht mehr, auch nach der Erlösungsaktion der deutschfreundlichen Kosaken (27.10.43), wo wir dann eine fast ständige Polizei-Besatzung bekamen. Das waren ehemalige Ustascha und Legionäre, die nicht mehr das Vertrauen zu den kroatischen Domobrani-Offizieren hatten und sich so zu der deutschen Hilfspolizei (HiPo; von den Partisanen Isusovci bzw. Gestapovci genannt) meldeten. Die Führung war ja deutsch, d. h. Offiziere und Unteroffiziere, aber man muß diesen Polizisten das beste Zeugnis in punkto Tapferkeit und Treue ausstellen, denn wenn es irgendwie und irgendwo schief ging, so waren da nur die deutschen Offiziere schuld daran.

Zur Befreiung (Säuberungsaktion) der Kosaken möchte ich nicht so ausführlich schreiben, da das sehr viel in Anspruch nähme. Nur die wichtigsten Punkte: Erlösung aus der Angst vor dem Ungewissen; die Freude, daß man doch nicht ganz vergessen ist, und die Genugtuung gegenüber den Partisanen-Angehörigen, daß die deutsche Macht noch nicht gebrochen ist, denn diese Kosaken-Einheiten waren auf das modernste ausgerüstet (man sah da zum erstenmal die 42-Maschinengewehre usw.). Die Kroaten bzw. Partisanenfreunde kamen gar nicht mehr aus dem Staunen, was der Hitler (Njemac) noch alles habe, und die Partisanen-Apostel predigten schon lange


146

den deutschen Untergang. Ja, ja, der Deutsche sei doch noch nicht zu besiegen, so war die Meinung aller in diesen Tagen. Aber leider, auch mit diesem Feldzug hat die Partisanen-Wühlarbeit doch nicht aufgehört, im Gegenteil, jetzt begann der Kleinkrieg auch in unseren Heimatdörfern, von welchem wir nur in den Montenegro-Bosna-Herzegowina-Bergen aus dem Radio und Zeitungen hörten sowie auch von den Flüchtlingen aus diesen Gebieten (Muchadscheri 4 ).

Wir hatten nach dem Abzug der Kosaken, wie schon erwähnt, Polizeibesatzung, aber im Spätherbst und Winter hatten wir allwöchentlich Nachtangriffe der Partisanen miterlebt. Solange die Polizei hier war und wir auch von der Zivilmannschaft (die Wehrfähigen) ohne Unterschied der Nationalität unterstützt wurden, ging es ziemlich gut ab, und es wurden so manche heiße Angriffe abgewehrt. Aber am Faschingsdienstag 1944 machten die Partisanen wieder einen Angriff - es waren aber nur Zivilisten als Besatzung allein - und wie es ja schon vorauszusehen war, siegten die Partisanen. Die Waffen (französische Gewehre aus der Napoleon-Zeit, himmellang und tschechische leichte Maschinengewehre, auch Waffen für das Alteisen) hatten nach kurzem Feuerwechsel Ladehemmungen und andere Leiden, so mußte ein jeder Besitzer zusehen und sich irgendwie in Sicherheit bringen, damit er nicht dieses Theater mit dem Leben bezahlte. Leider war doch ein Opfer zu beklagen, und das ein Schwabe, der gar nicht bei der diensttuenden Wache dabei war, sondern nur dort zum Zeitvertreib anwesend war, schwer verwundet wurde und den darauffolgenden Tag unter großen Schmerzen starb; es war Josef Polich, geb. 1899, Bauer in Račinovci, Kulturreferent des SDKB, ansonsten politisch uninteressierter Mann mit den besten Leumundszeugnissen.

Nach dem Sieg besetzten die Partisanen das ganze Dorf, durchsuchten sämtliche Häuser nach Waffen und Militärausrüstung - was sie sonst mitgehen ließen, ging niemanden was an. Auch bei uns waren sie, zwei ehemalige Hochschüler (Serben), und durchsuchten das ganze Wohnhaus nach oben erwähnten Sachen; sie fanden aber nichts. Einer davon wollte Mutters warmes Kopftuch mitgehen lassen, der zweite hinderte ihn, und so blieb uns alles. Sie taten sich gut an unseren Faschingskrapfen und Vaters Zigaretten, plauderten mit uns, versprachen uns, daß wir keine zweite Hausdurchsuchung zu befürchten hätten, was auch eingehalten wurde. Nur eine Bitte hatten sie, ob ihnen Vater etwas Würste für ihren Kommandanten mitgeben wollte; nun fürchtete Vater, daß uns der ganze Vorrat an Geselchtem weggenommen werden wird, aber auch hier geschah kein Leid, und wir waren froh, so gut abgekommen zu sein.


147

Bei unseren Nachbarn, die Kroaten waren, kochten die Partisanen die ganze Nacht Tee und auch Kaffee, sangen Siegeslieder und tanzten; wir hatten unsere Ruhe. Der Nachbar vor uns war ein Schwabe, er war bei der deutschen HiPo im Dienst (sogar in Dachau im KZ zur Strafe, aber als Häftling, wegen irgend etwas, was den linientreuen Deutschen nicht paßte). Diesem Manne seine Kleider, Schuhe und Wäsche wurden alle beschlagnahmt, weil er bei deutschem Militär gewesen ist (er war zu dieser Zeit im KZ).

Aus dem Nachbarnhaus vis-ä-vis von uns wurde alles geraubt, was nicht niet- und nagelfest war. Es blieben nur die Holzgestelle der Betten und die leeren Kleiderschränke sowie Tisch und Stühle bzw. Bänke und Herd; alles andere, ja sogar die Schnaps- und Weinfässer aus dem Keller, sämtliche Tiere (Pferde, Kühe, Schweine und auch die Hühner) wurden mitgenommen, sogar das Reserve-Pferdegespannzeug, Seile und Stricke. Dieses Haus wurde mal zur Gänze ausgeräumt, das habe ich mit meinen Eltern und auch Nachbarn eine Stunde nachher mit den eigenen Augen besichtigt. - Der Besitzer dieses Hauses, vielmehr sein Sohn und Ortsbauernführer Marks Franz hat sich den Partisanen gegenüber als staatstreuer Bürger benommen, und das war nun die Strafe; und hätten sie ihn erwischt, Gnade ihm Gott!

Auch dieser Raubüberfall hätte noch rechtzeitig zum Scheitern gebracht werden können, wenn es die Herren ,und Brüder deutschen Offiziere nicht vorgezogen hätten, lieber auf einer Hochzeit in Gunja mit den schönen Mädchen zu tanzen und den slawonischen (syrmischen) Wein zu trinken, den wir ja eh nicht hatten, statt, wie es ja von dem Stadtkommandanten von Brčko befohlen war, nach Račinovci mit den Panzern zu fahren und dort die Partisanen-Horden zu vertreiben. Denn als die Telefonverbindung unterbrochen war, hat der Mannschaftsführer rote Leuchtraketen abgeschossen, die auch beachtet wurden, aber leider auf eigene Faust von den deutschen Offizieren . . . Die Panzer sind ja gekommen, aber da haben die Partisanen schon mehr als genug getan und brachten sich rechtzeitig in Sicherheit. Und hier hätten die so als unbesiegbar gefeierten Deutschen noch einmal die Beute retten können, wenn sie sich nur einen Kilometer weiterbemüht hätten als nur bis zum Gemeindegebäude (Kirche). Aber der Herr Leutnant sagte: Unser Befehl lautet, bis hierher; und auf Anraten von Zivilisten, wenn sie auch Deutsche aind, tun wir nichts; es tut uns sehr leid. Kehrt gemacht und diese "Beutegermanen" ihrem Schicksal selbst überlassen, war wiederum mal eine Heldentat eines deutschen Wehrmachtoffiziers . ..

Nach diesem Überfall auf unsere Gemeinde bekamen wir wieder einen Zug HiPo, die wir selbst erhalten mußten, was wir ja mit Freude taten, um unsere (wenn auch nur halbwegs) Ruhe zu haben. Ansonsten verlief die Zeit bis zu unserer Evakuierung nach Deutschland (Oberösterreich) ziemlich ruhig, bis auf welche kleine Angriffe auf die Hipo-Kaserne, d. h. unsere Volksschule, um welche Laufgräben und Bunker gebaut waren, um so besser gegen die sehr oft von einer Übermacht der Partisanen geführten Angriffe abwehren zu können; und auch Leute, die zu Hause nicht sicher waren, daß die Partisanen sie nicht entführten oder auch ermordeten, suchten da bei der HiPo-Dienststelle nachts Schutz - es war für diese Leute keine angenehme Sache, in der Heimat noch zu leben, aber was sollten sie tun!


148

Von deutscher (schwäbischer) Seite aus war ja eine Deutsche Mannschaft gebildet, die allsonntäglich Übungen bzw. Unterricht im Umgehen mit der Waffe abhalleten, aber das waren doch vornehmlich nur alte Männer oder zum Heer Untaugliche und einige Jugendliche, die noch nicht eingerückt sind; aber sie haben sich nur an den Patrouillen [beteiligt], die allgemein durchgeführt wurden, also von der ganzen Bevölkerung aufgestellt waren, auch den Kroaten.

Was die Zugehörigkeit von Schwaben zu den Partisanen anbelangt, wußte man offiziell nur vom illegalen Kommunisten Josef Ochss, daß er zu diesem Kreis stand. - Erst nach unserem Wegfahren, also nach 16. 10. 44, ist noch ein Mann offen zu den Partisanen in den Wald gegangen (das war N. A., Bauer in Racinovci), er ist auch bis zum Umbruch 1945 bei den Partisanen als Kämpfer geblieben und erst im Spätsommer 1945 nach Hause gekommen und hat so die Konfiskation seines Besitzes und Verschleppung seiner Frau und Sohnes gerettet, aber man hatte auch sie schon bis zum Bezirk geschleppt und das Haus abgesperrt und sozusagen konfisziert; erst als er nachweisen konnte, auch am Befreiungskampf gewesen zu sein, wurde alles rückgängig. - Es waren ja vielleicht welche Leute, die sich irgendwie bei den Partisanen einschmeichelten, ja mit irgendwelchen Nachrichten (Berichten) eine eventuelle Gunst zu sichern; es soll auch Fälle gegeben haben, wo Schwaben Handfeuerwaffen Partisanen schenkten usw.

Was die Widerstände gegen die Musterung und Einberufung zur Waffen-SS betrifft, hat sich bei uns keiner bemerkbar gemacht, und ich wüßte auch keinen Fall von Widerstand oder auch Desertation von dieser Formation. Gegensätzlichkeiten in dieser Frage gab es ja mehr als genug da, und besonders die älteren Jahrgänge, die es nicht verstehen konnten, daß es da zweierlei Militär gebe und warum man gerade die Söhne der Auslandsdeutschen mit Vorliebe in Militärformationen der Waffen-SS einteilte. Ansonsten verstand man die Hintergründe und Zwecke in dieser Sache ja gar nicht, was die große Masse unserer Landleute anbetrifft. Es gab belesene Bauern bei uns, die oftmals sagten: Ja, ja, nun sind wir verkauft, und wenn Deutschland den Krieg verspielt, elend verloren. - Leider bewahrheitete sich dieser Spruch wirklich. - Dienstverweigerer zur Einberufung, ob SS, Hipo, ES oder Wehrmacht, hat es bei uns keine gegeben, auch nicht, als man den Krieg schon zu 75 Prozent verspielt sah; man ist es gewohnt gewesen, immer das zu tun, was von oben (dem Staat) angeordnet wurde, weil ja das Bürgerpflicht ist.

Der Vf. erwähnt, daß er über die Ereignisse in seiner Heimatgemeinde bei Kriegsende nichts berichten könne, und fährt in seinem Erlebnisbericht fort:

Der größte Teil der Schwaben unserer Heimatgemeinde ist ja, wie erwähnt, am 16. 10. 1944 evakuiert worden, und zwar auf Anraten (Befehl?) des Ortskommandanten der Stadt Brcko/Sawe-Bosnien, der am ca. 10.- 12. 10. 44 den Ortsleiter und andere Männer der Führung zu sich gerufen hatte und ihnen die Lage klargelegt und zur Evakuierung auf vielleicht nur 3-4-5 Monate Dauer aufgefordert. Diese Männer haben dann alle Schwaben verständigt, man hielt eine Versammlung ab, um die Leute aufzuklären.


149

Nun, da es um Heimat, Hab und Gut ging, waren da natürlich die Meinungen sehr verschieden; ich weiß es da aus unserer Familie selbst. Mutter wollte unbedingt nicht das Erbe ihres Vaters und das sauer erwirtschaftete, neu gebaute Haus mitten im Dorf verlassen, da sie meinte, bei uns sei ja sowieso niemand eingerückt gewesen und wir hätten uns auch politisch überhaupt nicht betätigt. Ja, es kam der Gemeinde-Notar und der Kassier und redeten zu, dazubleiben, sowie noch andere Bekannte. Der Pfarrer Josef Rest, also unser Landsmann (aber kein Bekenntnis zum Deutschtum), sagte, darüber muß man sich selbst im Klaren sein, und ein jeder solle da selbst entscheiden darüber. Das beste ist, man gehe mit, wenn alle mitgehen, denn ein jedes Lamm gehört zu seiner Herde.

Vater war bei seinem Bruder in Gunja, der dort Ortsleiter war; der natürlich wollte auf keinen Fall nach dem Abzug der Deutschen Wehrmacht bleiben und redete Vater zu, es sei am besten, man bringe sich rechtzeitig in Sicherheit; nun war Vater natürlich nur fürs Evakuieren. Und hätten sich die Nachbarn nicht bemüht, wäre es bald zur Scheidung bei Vater und Mutter gekommen. Ich selbst war damals 18 Jahre und im großen seelischen Konflikt; denn als junger Schwabe war ich ein großer Nationalist und für Deutschland, aber als Angestellter bei der Gemeinde im Staate Kroatien, dort geboren und geschult, sehr heimatverbunden und wollte nur mit sehr großem Widerwillen die Heimat verlassen; aber wirklich darüber zu entscheiden, hatte ich die Kraft nicht dazu, mir war alles egal, wie die Eltern es entscheiden, so wollte ich auch mittun. Und so sind auch wir am 16. 10. 44, um 3 Uhr morgens aus unserem Hof abgefahren. Die Nachbarn haben sich mit tränenerslickter Stimme von uns verabschiedet, ja Menschen haben uns zum Abschied umarmt und mit aufrichtigem Schluchzen Abschied genommen; einige waren dabei, die sagten: Seid froh, ihr kommt nach Deutschland, dort seid ihr in Sicherheit und Ordnung.

So sind wir in Gottes Namen losgefahren. Wer eigene Pferde und Wagen hatte, verlud das Notwendigste drauf: Brot, Mehl, Schmalz, Geselchtes und Kleider, Bettzeug, Wäsche, Schuhe und etwas Hausrat sowie Heu und Hafer für die Pferde. - Diejenigen, die keine Fuhrwerke hatten, wurden auf Wagen von kroatischen Bewohnern bis zur Bahnstation gebracht und in Viehwaggons verladen; diese konnten alles, was sie an beweglichem Inventar hatten, mitnehmen. Leider ist dieser Transport am 17. 10. 44 nachts im Bahnhof Vinkovci total ausgebrannt, da dort ein großer Munitionszug von den Amerikanern bombardiert wurde, der auf dem Nebengeleise stand. Dabei gab es drei Tote und viele Verletzte, einige auch sehr schwer. Leute dieses Transportes kamen nur mit dem nackten Leben davon, es ist ihnen buchstäblich alles verbrannt.

Bis zum Bezirk (Sitz in Županja) ist unser Treck bis auf ca. 500 Wagen angewachsen 5 , es waren dies die Dörfer: Drenovci, Strosinci, Vrbanja, Soljani, Račinovci, Gunja, Rajevoselo und Posavski Podgajci, auch Bošnjaci 6 .


150

Treckführer war der Schlarb Jakob aus Rajevoselo, Ortstreckführer (Račinovci) war lungert Michael, Versorgungsmann: Marks Franz, Treck-Schmied: Jungert Josef, und den Schriftleiter machte fallweise meine Wenigkeit (leider war ich noch zu jung und nahm alles von der leichten, gemütlichen Seite).

So sind wir nach einer 27tägigen Fahrt über Esseg, Darda, unweit von Fünfkirchen vorbei, dann Kaposvär, Szombathely usw., bei Sopron über die Grenze, Inzersdorf, St. Polten, Melk, Amstetten nach Enns gekommen, wo dann der Treck zerrissen wurde. Unsere Gemeinde wurde dem Bezirk Steyr zugeteilt, die von Rajevoselo fuhren nach Neumarkt-Kallham Umgebung, Drenovci kam in den Bezirk Kaplitz (Sudetenland); so waren wir nun sehr verstreut. Ortsgruppe Račinovci wurde nochmals auf 5 Gemeinden des Bezirkes Steyr aufgeteilt, und zwar: Aschach/Steyr, Adlwang, Rohr, Waldneukirchen und Schiedlberg; es war für unsere Menschen eine große Enttäuschung, als wir sodann nochmals auf sehr verstreute Einödhöfe einquartiert wurden, von den Oberösterreichern nur mit Widerwillen geduldet und als Wanderzigeuner und ähnliches betrachtet und bezeichnet.

Heute ist der Großteil unserer Heimatgemeinde in der Großgemeinde Sierning in Oberösterreich seßhaft geworden, und die meisten haben ihre neu erbauten Eigenheime; einzelne sind in den umliegenden Gemeinden geblieben, ein Teil kam nach Deutschland, einige nach USA, Canada, Australien und Brasilien, so daß es auch in unserer Heimatgemeinde so ist, wie fast in allen anderen, daß wir in der ganzen Welt zerstreut sind.

Abschließend vermerkt der Vf. noch, daß bei der Evakuierung von den Deutschen seiner Heimatgemeinde etwa 52 Personen zurückgeblieben sind. Ihnen sei bis Juli 1945 nichts geschehen, dann aber konnte sich die Genieindebehörde der allgemein angeordneten Internierung der Deutschen in Jugoslawien nicht entziehen. Drei Personen seien im Lager Krndija den Hungertod gestorben, eine Frau sei erbärmlich totgeschlagen worden 7 . Inzwischen habe auch der Großteil dieser Leute die alte Heimat verlassen und sei in die Bundesrepublik Deutschland gekommen.