Nr. 14: Maßnahmen der Volksgruppenführung zur Evakuierung von Kranken, Gebrechlichen und Müttern mit mehreren Kindern aus dem Banat in die Batschka, Ereignisse bei der Flucht vor der Besetzung durch die Rote Armee.

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Bericht des Arztes Dr. Michael Müller aus Stefansfeld (Šupljaja), Bezirk Alibunar im Banat.

Original, 17. Februar 1953, 5 Seiten, mschr.

Ich war im Kriege bei der SS-Division als Arzt im Rang eines Stabsarztes. Im September 1944 kam ich auf Urlaub ins Banat. Nach dessen Ablauf setzte Dr. Janko meine weitere Beurlaubung durch, um die Evakuierung der Kranken und Gebrechlichen im Banat durchzuführen. Ich nahm meine Tätigkeit um den 25. September 1944 in Groß-Betschkerek auf.

Zunächst trachtete ich, hochschwangere Frauen, Frauen mit vielen Kindern, Kranke und alte Leute zu evakuieren. Ich handelte im Einvernehmen und im Auftrag von Dr. Janko, dem Volksgruppenführer. Eine Genehmigung reichsdeutscher Dienststellen lag nicht vor.

Schon in den vorangehenden Wochen hatte der Leiter des Gesundheitsamtes der Volksgruppenführung, Dr. Kirschner, auf Veranlassung von Dr. Janko gewisse sanitäre Vorkehrungen für die Evakuierung getroffen


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und die Hebammen, Arzte auf die in Aussicht genommenen Trecks aufgeteilt und die ärztliche Versorgung der Evakuierung sichergestellt. Ich erinnere mich u. a. auch an einen serbischen Arzt und an eine russische Ärztin, die mit evakuiert werden wollten und die auf die geplanten Trecks aufgeteilt wurden. Ein Evakuierungsplan war von der Volksgruppenführung bereits im Sommer 1944, sofort nach der Kapitulation Rumäniens aufgestellt worden. Die Einzelheiten dazu sind mir nicht bekannt 1 . Der Höhere SS- und Polizeiführer in Belgrad, Behrens, versuchte, die Evakuierung zu unterbinden. Aber Dr. Janko gab nicht nach und drängte in Belgrad wiederholt, daß die Genehmigung für eine rechtzeitige Evakuierung des Banales erteilt würde.

Ich gab ein Rundschreiben an die Ortsgruppen heraus, daß der oben bezeichnete Personenkreis auf Wunsch evakuiert werden könne. Die Evakuierungswilligen wurden aufgefordert, sich nach Betschkerek zu begeben, um von dort mit einem Pendelzugverkehr nach Titel in die Batschka verbracht zu werden. Ein Teil der Aufgeforderten kam dem nach. So weiß ich von Gruppen aus Werschetz, aus Weißkirchen, vereinzelt auch von Personen aus dem Mittelbanat, vor allem aber auch aus Betschkerek. Dazu kamen Flüchtlinge aus Rumänien. Im ganzen war die Zahl der Flüchtlinge aus dem serbischen Banat nicht besonders groß. Fünf Tage hindurch fuhren zwischen Betschkerek und Titel zwei Züge täglich hin und her, um die Evakuierung zu bewerkstelligen. Den Pendelverkehr nach Titel hatte die Volksgruppenführung mit Dipl.-Ing. Hans Kerbel, dem Leiter des Eisenbahnwesens im Banat abgesprochen 2 .

Etwa um den 23. oder 24. September kam ein Evakuierungskommando der Volksdeutschen Mittelstelle nach Groß-Betschkerek. Der Leiter des Kommandos war der Sturmbannführer Heinze (oder Hintze). Er wurde im Oktober von Hauptsturmführer Pachschwöll abgelöst. Dem Evakuierungskommando standen zwei Züge der Waffen-SS zur Verfügung. Ich traf mit diesem Evakuierungskommando keine Absprache. Es hat meines Wissens überhaupt keine Tätigkeit mehr im Banat entfaltet. Ich empfahl dem Kommando jedoch, einen Zug nach Modosch zu entsenden, um diese exponierte Stelle zusätzlich zu sichern. Doch kam es nicht mehr dazu.

Ich fuhr am Donnerstag, dem 28. September 1944, mit einem San.-Kraftwagen nach Modosch, um die Evakuierung der Lungenheilstätte Modosch in die Wege zu leiten. Aus Mitteilungen des deutschen Landrates in Modosch, Nikolaus Schneider, schloß ich, daß ein russischer Angriff über Modosch ins Banat unmittelbar bevorstehe. Ich bereitete den Abtransport der Kranken vor. Er ist dann wegen der Kürze der Zeit unterblieben.

Am Freitag, dem 29. September, fuhr ich nach Werbaß, um im dortigen Diakonissenheim eine Sanitätsstelle einzurichten. Ich bemühte mich auch, dort bei einem Divisionskommando der Waffen-SS Lastkraftwagen für den Abtransport der Kranken aus Betschkerek zu erhalten. In der Nacht vom Freitag auf Samstag (29./30. September) begann der Einmarsch der Russen


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ins südslawische Banat bei Modosch. In der Nacht vom Sonntag auf Montag (1. auf 2. Oktober) kamen dann auch die Wagen aus Werbaß. Am Montag verlud ich die deutschen Kranken des Kreiskrankenhauses Betschkerek, die Wöchnerinnen in der deutschen Entbindungsanstalt und Bekannte, die ich in den Straßen traf, die evakuiert werden wollten.

Am Sonntag, dem 1. Oktober, wurden ein bis zwei Schlepper auf der Theiß bei Aradac mit Flüchtlingen beladen. Die Schlepper fuhren am Sonntag oder Montag durch den Franzenskanal nach Werbaß.

Von einer geordneten Flucht war jetzt keine Rede mehr. Der Flüchtlingsstrom schwoll von Tag zu Tag an, besonders seit Samstag. Die Leute flüchteten zum Teil zu Fuß bei Aradac über die Theiß-Brücke.

Ich selbst verließ mit einem der LKW, die Kranke nach Werbaß schafften, Montag, den 2. Oktober, Nachmittag etwa um 2 Uhr Betschkerek. Die Volkagruppenführung befand sich damals teilweise noch in Betschkerek. Die Stadt wurde durch Banaler Polizei, verstärkt durch die Verfügungstruppe der Volksgruppe und durch Teile des Regiments Brandenburg gehalten.

Montagnachmittag kam ich mit dem Krankentransport nach Werbaß und brachte die Kranken im Diakonissenheim unter.

Von einer Evakuierung der Schulen durch die "Kinderlandverschickung" hörte ich erstmals am 26. September in Groß-Betschkerek. Mittwoch, den 4. Oktober, kam ein Zug nach Werbaß, der für den Abtransport von Schülern bestimmt war. Für eine Kinderlandverschickung aus dem Banat war jetzt die Zeit vorbei. Wir brachten daher die Kranken und Gebrechlichen aus dem Banat, aber auch aus der Batschka im Zug unter, der nach Wien fuhr.

Am Montag, gegen Abend kam Dr. Janko aus Betschkerek nach Werbaß. Dienstag, den 3. Oktober hörte er erstmals von Greueltaten im Banat. Er schickte darauf am gleichen Tag zwei Kommandos über die Theiß, ins Nordbanat und ins sudliche Banat, um die noch nicht vom Feinde besetzten Ortschaften zu evakuieren. Ich weiß, daß das für das nördliche Banat bestimmte Kommando unter Führung von Ingenieur Lang die Theiß überquerte und die Flucht einiger Personen von dort ermöglichte. Das für das südliche Banat abgestellte Kommando hat die Flucht aus Dörfern wie Rudolfsgnad und Perlas ermöglicht 3 . Erschwert wurde dieses Unternehmen dadurch, daß keine nennenswerten Transportmittel zur Verfügung standen und die Partisanentätigkeit rasch zunahm.

Am Mittwoch, dem 4. Oktober, ordneten die ungarischen Behörden die Evakuierung der Behörden in der Batschka südlich des Franzenskanals an. Das war für die dortigen Deutschen ein Zeichen zum Trecken.

Abgesehen von meiner Aktion konnte man im Banat von einer regelrechten Evakuierung nicht sprechen. Der Widerstand von Behrens und seinem Vertreter in Betschkerek, Brigadeführer Fiedler, machte dies unmöglich. Am Samstag, dem 30. September, kam der Bürgermeister von


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Betschkerek, Gion, in die Volksgruppenführung und teilte in meiner Gegenwart mit, daß er von der Luftwaffe 15 bis 20 Lastkraftwagen für den Abtransport von Flüchtlingen erhalten habe, daß der Brigadeführer Fiedler aber angedroht habe, jeden zu erschießen, der eine Evakuierung anordnet. Auch diese Aktion unterblieb darauf. - Ich nehme aber an, daß sich auch Teile der Bevölkerung der Luftwaffe anschlössen und so das bedrohte Gebiet verließen.

Sehr wichtig war, daß die Volksgruppenführung bei Aradac eine Pontonbrücke über die Theiß errichtete, um die Evakuierung zu erleichtern. Die Brücke wurde von Ingenieur Kulimann und Ingenieur Werth erbaut. Sie wurde um den 25. September fertig und hat Tausenden von deutschen Flüchtlingen das Leben gerettet, auch vielen Flüchtlingen aus dem rumänischen Banat, die laut Befehl aus Belgrad in die Batschka abziehen durften.