Nr. 16: Die organisatorischen Evakuierungsvorbereitungen im September 1944 in Perlas, geordneter Abzug eines Trecks noch nach der Besetzung des Ortes durch die Partisanen am 2. Oktober 1944; erneute Flucht vor der Roten Armee Ende April 1945 aus einem Evakuierungslager in Mähren, Rückkehr eines Teils der Flüchtlinge nach Jugoslawien.

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Befragungsbericht nach Aussagen des F. S., Gemeindenotär in Perlas (Perlez), Bezirk Groß-Betschkerek (Veliki Bečkerek) im Banat.

Original, 4. März 1953, 7 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Der erste Teil des Berichtes enthält Aussagen über das Verhältnis zwischen der deutschen Bevölkerung und den anderen Nationalitäten in Perlas in der Zeit von 1941-44, insbesondere über die Auswirkung der Tätigkeit


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serbischer Untergrundorganisationen und Partisanen nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges und von Zwangsmaßnahmen der deutschen Besatzungsbehörde zur Bekämpfung der Widerstandsbewegung und zur Abschreckung der serbischen Bevölkerung im Banat.

Nach der rumänischen Kapitulation 1 spürte man das herannahende Ende der deutschen Vormachtstellung im Banat. Ich konnte feststellen, daß die gutsituierten Serben mit dieser Entwicklung nicht zufrieden waren. Senator Dr. P. erklärte mir, er würde auch gerne flüchten, jedoch wisse er nicht wohin. Dagegen waren die ärmeren, einfachen Serben über den Verlauf der Ereignisse sehr erfreut.

Seit September 1943 befand sich in unserer Gemeinde Perlas eine Heereskraftfahrschule und ein Heeresversorgungslager mit etwa 500 Soldaten. Die Ortskommandantur befehligte seit Mitte September 1944 Leutnant Kellermann aus Rosenheim. Am 28. September kamen noch 2000 Infanteristen in die Ortschaft, die an die Front kommen sollten.

Anfang September 1944 hatte mir Ortsleiter Peter Decker mitgeteilt, er habe von der Volksgruppenführung aus Betschkerek Weisung erhalten, Vorbereitungen für eine eventuelle Evakuierung zu treffen und einen Treckplan vorzubereiten. Der Treck sollte unter Leitung von Decker die Deutschen aus den Ortschaften Perlas, Elisenheim, Sakule, Baranda, Centa und Uzdin umfassen. Er sollte sich aus den deutschen Fuhrwerken zusammensetzen, Fuhrwerke anderer Volksangehöriger durften nicht beschlagnahmt werden. Auf jedem Fuhrwerk mit zwei Pferden sollten höchstens fünf Personen mitfahren und für eine Person 50 Kilogramm mitgenommen werden, außer den Futtermitteln für die Pferde. Etwa 50 Fuhrwerke sollten eine Gruppe bilden. Das Sanitätspersonal sollte gesondert auf einem gekennzeichneten Fuhrwerk fahren. Die Sicherung des Trecks sollte von der Deutschen Mannschaft vorgenommen werden. Decker verständigte von diesem Plan die Deutschen, jedoch nicht durch den üblichen Trommelschlag, weil keine der oben genannten Ortschaften eine rein deutsche Gemeinde war 2 .

Ich war als Sturmführer der Deutschen Mannschaft und Kompanieführer 2/III (für Perlas, Rudolfsgnad, Elisenheim, Sakule. Baranda, Centa) von meinem Vorgesetzten, Sturmbannführer Harle, beauftragt worden, den von Decker geleiteten Treck zu sichern. Da ich aber die Deutsche Mannschaft in Rudolfsgnad noch befehligte, fuhr ich dorthin und setzte mich mit dem dortigen Zugführer Andreas Hirth in Verbindung, der die Vorbereitungen für die Sicherung des Trecks aus Rudolfsgnad treffen sollte. In den anderen Ortschaften traf ich Vorkehrungen in ähnlichem Sinne. Ich befehligte eine Kompanie von 300 Angehörigen der Deutschen Mannschaft.


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In der Zeit bis zum 3. Oktober 3 bin ich öfters bei der Volksgruppenführung in Betschkerek und bei der Komitatsverwaltung, Abteilungsleiter Dr. Groß, gewesen. Dr. Groß und der Amtsleiter der Kreisleitung sagten, die Evakuierung werde wahrscheinlich nicht stattfinden, da man gute Nachrichten von der Front erhielt. Auch Sepp Janko habe ich gesprochen; er sagte mir, er müssen von den Militärdienststellen die Erlaubnis für die Evakuierung abwarten. Ich nehme an, daß diese beruhigenden Nachrichten deshalb verbreitet wurden, damit man in der Zwischenzeit die Trecks aus Rumänien schnell und reibungslos durchschleusen könne. Viele glaubten an diese Nachrichten, wie der Vizebanus Läpp, der auf die Nachricht, die Russen seien schon in Modosch, das dortige Landratsamt anrief und erfuhr, daß die Russen bereits dort seien (1. und 2. Oktober).

Im September wurde der Jahrgang 1927 der Deutschen einberufen, kaserniert und in Richtung Temeschburg in Marsch gesetzt. Auch Einheiten der Deutschen Mannschaft aus Betschkerek wurden für die Kämpfe im rumänischen Banat eingesetzt.

Am Sonntag (2. oder 3. Oktober 4 ) erhielt ich von der Kreisleitung telefonisch den Befehl, alles für die Evakuierung vorzubereiten. Weitere Befehle sollten folgen. Dieser Befehl wurde an die mir unterstehenden Ortschaften weitergeleitet. - In der Nacht fuhren Panzer in Richtung Betschkerek.

Am nächsten Morgen rief ich die Kreisleitung in Betschkerek au, erhielt aber keine Antwort mehr. Die Leitung war unterbrochen. Die Heeresfahrschule setzte sich mit den 2000 Mann Infanterie ab. Gegen 11 Uhr erschien eine SS-Streife unter Führung von Untersturmführer Rudolf Ferch (aus Temeschburg) und befahl mir und dem Ortsleiter sowie der Deutschen Polizei, binnen drei Stunden die Ortschaft zu evakuieren. Ferch hatte noch ein Wortgefecht mit dem Ortskommandanten ausgetragen, weil dieser die auf Urlaub befindlichen SS-Soldaten nicht für die Evakuierung freigeben, sondern sie an die Front schicken wollte. Die Deutsche Mannschaft verständigte die Leute, jedoch war das nur in Rudolfsgnad und Perlas noch möglich, weil die anderen Ortschaften schon von den Russen besetzt waren.

In Perlas trafen bereits am Nachmittag Partisanen ein, nachdem die letzten deutschen Truppen weggezogen waren. Ihr Kommandoführer, der nachmalige Lagerkommandant in Neusatz, sagte mir, er lasse alle Deutschen wegziehen,,aber nur noch am heutigen Tage. Es ist uns 500 Personen, die wir uns auf der Straße nach Titel einfanden, nichts passiert. Die Ordnung des Trecks war sehr gut.

Wir fuhren am selben Tag bis Titel, am nächsten bis Šajkaški Sveti Ivan, von dort über Klein-Ker, Batseh, Karavukovo, Serbisch Milititsch nach Bezdan. Bei Dunaföldvar überquerten wir die Donau. Obwohl es oft schwierig war, konnte ich zusammen mit Decker den Zusammenhalt des Trecks aufrechterhalten. Ueber Veszprem fuhren wir nach ödenburg und von dort


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bis Ebenfurth, wo diejenigen, die mit dem Traktor fuhren, einwaggoniert wurden. Die übrigen zogen in Richtung Znaim-Budweis weiter bis ins Lager Dacice 5 . Hier trafen wir am 5. November 1944 die Traktorenkolonne an. Wir verblieben hier bis zum 28. April 1945 und räumten dann auf eigene Faust das Lager in Richtung auf die Reichsgren/e hin.

Etwa hundert meiner Landsleute fuhren mit ihren Fuhrwerken wieder nach Jugoslawien, wo sie schließlich ins Lager Neusatz kamen, zu dem Lagerkommandanten, der uns aus Perlas noch entlassen hatte 6 . - Im Volksmund heißt diese unüberlegte Fahrt ins Elend die "Ablieferungsfahrt".