Nr. 17: Vorgänge in Franztal in den Tagen der Evakuierung und Flucht vor dem Anmarsch der Roten Armee; Abzug der deutschen Bevölkerung im Treck am 5. Oktober und im Bahntransport am 11. Oktober 1944 nach Österreich.

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Erlebnisbericht der Hebamme Maria Hekli aus Franztal bei Semlin (Zemun) in Syrmien.

Original, 20. April 1958, 8 Seiten, hschr. Teilabdruck.

Wir sind aus Franztal bei Semlin, wo der große Fliegerhorst war. Es war ende März [1944], als auf den Fliegerhorst der erste angriff war; es war ganz furchtbar, alles ging in Flamen auf, und viele Menschen fanden dabei den Tod. Es war ein Luftschutz Keller, da gingen gegen 300 Menschen hinein, bis auf den letzten Platz war alles voll; da schlug eine Bombe vor dem Eingang ein und verschittete den Eingang. Dan wahren Täglich angriffe, es waren Tage, wo alles betrückt umher ging. Es ist der 21. April gekommen, und war schon 1.30 Uhr, und niemand dachte mehr, das die Bomben noch diesen Tag kommen werden. Plötzlich Alarm, und die Bomben vielen auch schon, und eine 10 meter von unserem Keller, die zweite einige meter weiter, die dritte im Nachbars garten, wo der Unterstand war. Es fanden dabei 8 Personen den Tod; es war die Nachbarin, Ihre Mutter, zwei Töchter und ein Enkl. Das ist der Tag der Schmerzlichen Erinnerung.

Die Tage wurde immer unruhiger, die Partisanen kamen näher; mann wüste nicht mehr, wen mann im Hause hat: Freund oder Feind. So hatten unsere Kinder einen Einwohner, der konnte alles machen. Es war verboten, etwas mit der Bahn von weiter herzubringen, alles wurde wekgenohmen; aber der brachte jede Woche ein geschlachtetes Kalb, um es dan zu ver-


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kaufen, auch Wein und Schnaps, alles konnte mann bei Ihm haben. Er hatte auch recht viel Verdächtigen Besuch, so das wir alle von Ihm angst hatten. Heute können wir es bestimmt sagen, das es Partisanen wahren.

Es kam dan der September und mit Ihm die große Angst vor dem Flüchten. Täglich zogen Hunderte Menschen durch unseren Ort, aus Rumänien und dem unteren Banat. Dan ging es auch bei uns an die Versammlungen. Der Ortsleiter hielt Vorträge, mann soll sich keine angst machen, der Führer weis schon, was Er tut. Es wahr Mitte September, da wurden wider alle aufgefordert, wem es nur möglich ist, der soll nach Deutschland in die Arbeit gehen, mitnehmen braucht man garnichts, alles bekommt jeder, was Er braucht. Es gingen einige, aber nicht viele. Die Frau vom Ortsleiter hatte eine Tante in Wien, dort ging Sie hien, aber nicht in die Arbeit. Und Er schaute dazu, das alles, was Sie an Kleidung, Wäsche und Wertsachen hatten, so bald als möglich auch dorthin kam. Und daheim hielt Er noch zwei Tage vor der Flucht ein Vortrag, wo wider scharf betont wurde, wenn es vielleicht doch sein sollte, das wir auf einige Tage wek müssen, ja nichts mitnehmen, nur so viel, was mann in zwei Hände tragen kann. Das werden wir Ihm nie vergessen. Viele haben alles, was das Beste war, vergraben, auch wir machten es so.

Am 5. Oktober, um 6 Uhr früh war wider ein Abell, das um 10 Uhr von der Kirche wek alles, was Pferde und Wagen hat, abfahren wird. Welch eine Bestürzung das wahr, ist kaum zu schildern. Auch unsere Tochter mit den 2 Kindern ist wek 1 . Wir aber dachten, das wir bleiben werden; weil ich wegen meinem Beruf überrall sehr beliebt wahr, kam es mir vor, das uns die Serben schon schützen werden, hätten uns aber sehr geteuscht. Es sind viele ums Leben gekommen, die gerade mit den Serben gehalten haben, und sogar solche, die den Partisanen geholfen haben, es wahren doch Deutsche.

Es folgten dan sechs schlaflose Nächte und angstvolle Tage, den so lange wahren wir noch daheim und konnten uns nicht endschließen wekzugehen. Die Schweine für uns und auch für die Kinder füterte mein Mann täglich, den bei den Kindern im Haus wahr der Schweinestall. So kam _Er am 9. in der Früh hin, und siehe da - war schon alles bereit zum Schweineschlachten. Da hat sich der Partisan schon entpupt, wir wahren also nicht mehr über unsere Schweine Herr. Da wurde es uns doch ein wenig unheimlich. Ich ging am Abend nochmals hin, um nachzuschauen, da wahren Sie schon aus Ihrer kleinen Wohnung herausgegangen und bei den Kindern in der


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Wohnung; auch das Geschäft haben Sie aufgemacht und verkauft, als währen sie die Herren. Wir konnten nichts mehr tun und wollten doch daheim bleiben, um den Kindern und unser Vermögen zu schützen; so haben wir und viele es sich vorgenohmen.

Der 10. Oktober; Es kam in aller Früh die Nichte mit drei kleinen Kindern zu uns, weil Sie auch angst hatte. Es ging ja auch in der Nacht ganz toll zu. Die Front war schon so nahe, das es schin, die Hölle ist los; der Himmel schin ein Feuermeer zu sein, so braute es überall. Es wurde wider Nacht, und das wahr die letzte in der Heimat; es durfte nirgends ein Licht angezündet werden, alles wahr so unheimlich, die wenigen Nachbarn, die noch da wahren, gingen zusammen und beraten, was mann den doch machen soll. Als es aber Tag wahr, machten sich schon einige daran, an den Bahnhof zu gehen und warten, bis ein Zug kommt und die Flüchtlinge mitnehmt.

Wir aber wollten noch immer nicht gehen, so haben wir nur die Nichte mit den Kindern zur Bahn gebracht und haben gesehen, das halt so viele bereit sind, alles zu lassen und nur das Leben zu retten. So haben dan auch wir uns entschlossen zu gehen, weil es geheißen hat, das wird der letzte Zug sein, der um 6 Uhr Abends von Semlin abfahrt. So sind dan auch wir.mit einigen Habseligkeiten am 11. Oktober 44 von zu Hause wek; es wahr gerade mein 50. Geburtstag, wohl der Traurigste, den ich erlebt habe. Ich war durch meinen Beruf so hart geworden und sagte immer, ich kann nicht weinen; aber in der darauf folgenden Zeit hätte ich mich in meinen Tränen baden können, so viel habe ich geweint. Es war auch nicht leicht, ein ganzes Leben lang arbeiten und spahren, das mann fürs alter etwas hat, dan plötzlich alles lassen und mit garnichts in die Welt gehen.

Wir sind aus Franztal um 6 Uhr abends abgefahren, haben in Indjija übernachtet; dan ging es weiter über Esseg; in Vinkovci hatten wir Fliegerangriff: alles aus den Wagons heraus, und ein Kilometer weit mußten wir vom Zug weklaufen; dan gings nach Stunden wider weiter, über Ungarn nach Wien, wo wir zwei Tage wahren, aber fast die ganze Zeit im Schutzkeller; dan gings weiter bis Göpfritz, dort bekamen wir Thee, durften uns ein wenig aufwährmen, um 11 Uhr Nachts wurden wir auf last Autos aufgeladen und fuhren dan nach Alt-Pols, wo wir in der Schule übernachteten. In der Früh wurden wir verteilt. So kamen wir nach Ramsau zum Bauer, wo ich auch gleich kräftig mithalf. ..

Mein Mann, der ging auf die Suche nach der Tochter mit den Kindern, den wir wußten ja nicht, wo Sie sind, dan endlich nach einer Woche kam Er und brachte alle mit, da wahren wir dan Gottseidank wenigstens alle beieinander. Aber jetzt erst kam es uns so richtig zum bewußtsein, was es heißt, alles lassen. Wir hatten keinen Teller, keinen Löffel, fast nichts zum zudeken, nichts zum trauf liegend Das sagte mann sich Täglich, ja Stündlich': ja warum haben wir nicht wenigsten das mitgenohmen. Dan wider: aber das währe doch so nothwendig gewesen. Und die Trähnen flössen immer häufiger . . . Die Trähnen flößen, ohne das ich es wollte. So blieben wir dan in R. bis Weihnachten, dan sollte es wider änderst werden. - Bevor ich


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aber meine Geschichte weiter schreibe, will ich nochmals auf den Transport zurück kommen.

Wir wahren so gegen 300 Personen oder auch mehr, so genau weis ich es nicht. Es wahren meistens Gewerbetreibende und Arbeiter, denn wie schon erwähnt, waren die Bauern alle mit dem Treck am 5. [Oktober] abgefahren. Jeder hatte einen hochbeladenen Wagen, wir aber durften mit dem Zug wegen platzmangl nicht viel mitnehmen. Unser Transportführer, Herr Borosch, wahr ein rechtschafener Mann; jeder hatte das gleiche recht, es durfte keiner sagen, ich hab vieleich zu wenig Platz. Er wahr Policist und sollte, sobald wir in Österreich wahren, wider zu seiner einheit zurück kehren, ist aber nicht mehr gegangen. Den als wir in Österreich wahren, wurden uns die Augen geöfnet, was es heißt, Nacional Socialismus. Wir wahren zu Hause alle im Kulturbund, aber das war nur ein Bekentnis zum Deutschtum; aber wie es in Deutschland zuging, das hörten wir erst hier. Anfangs hatte mann uns betrachtet, als währen wir Verbrecher. Immer wider hieß es auch: die Volksdeutschen, das sind die Kriegsferlängerer. Dabei währe es keinem unserer Väter und Söhne eingefallen, für Deutschland in den Krieg zu ziehen; alle wurden gezwungen, zur Waffen-SS einzurücken, das es den Anschein hatte, als währen es lauter Freiwillige 2 .

Es wahr zwei Tage vor Weihnachten, da kam ein schreiben aus Zwettl, vom Gesundheitsamt: Ich habe mich zu melden am 27. Dezember. Da erhielt ich den Auftrag, meinen Beruf als Hebame wider aufzunehmen, was ich auch sehr gerne tat, den ich konnte auf eine Berufszeit von 28 Jahre zurückblicken und hatte nicht weniger als 2831 Geburten zu verzeichnen. So bekam ich den Posten als Sprengl-Hebame in Schweiggers, hatte 14 Ortschaften zu betreuen; da fühlte ich mich wohl. Es gab zur zeit arbeit genug, den viele Frauen, die auf die Niederkumpft warteten, kamen wegen der vielen Bombenangrife aus Wien aufs Land. Da mußte ich so manchen Tag 20 bis 25 km zurüklegen. Es war gut so, ich hatte wenig Zeit zum grübln. Auch konnte ich die Meinen mit Lebensmitteln gut versorgen, jeden bracht ich etwas mit, den auf dem Lande [war] doch noch was vorhanden. Der Mann ist Schuhmacher von Beruf, da in der Umgebung kein Schuster wahr, konnte Er sich nützlich machen. So waren wir dan von der Bevölkerung nicht ungern gesehen. Da es sehr viel arbeit für Ihn gab, half Ihm auch die Tochter mit, wieviel Sie konnte. Die Enkel Kinder gingen zur Schule. Es wahr ein halbwegs geortnetes Leben. Aber auch diesmal sollte es nicht all zu lange dauern. - Es kam wider der April und mit Ihm das Kriegsende. Es kamen die Russen.

Nach einigen Bemerkungen über das Verhalten der sowjetischen Besatzungstruppen berichtet die V/n., daß die Flüchtlinge Ende Mai 1945 zur Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert wurden und daß sich ihre Familie, zunächst zusammen mit einer Gruppe weiterer Flüchtlinge aus Jugoslawien,


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zumeist Bauern aus Ruma, am 3. Juni auf den Weg machte, unter mancherlei Gefahren und großen Strapazen bis ins Grenzgebiet der ungarischen Batschka gelangte, sich dort bis Ende des Jahres aufhielt und schließlich, da dc.r Übergang nach Jugoslawien für Volksdeutsche gesperrt blieb und die ungarischen Behörden sie zum Verlassen des Landes drängten, wieder nach Österreich zurückkehrte. Abschließend schildert die Vfn. das Elend im Flüchtlingslager und die Mühsal beim Neuaufbau einer Existenz in Österreich.