Nr. 20: Die Schwierigkeiten und Widerstände bei der Durchführung der Evakuierung in Bulkes, Abzug eines kleinen Teils der Bevölkerung am 12. und 13. Oktober 1944, der Treckweg bis nach Schlesien.

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Bericht des Schneidermeisters Jakob Engel aus Bulkes (Buljkes), Bezirk Palanka (Bačka Palanka) in der Batschka.

Original, 22. Februar 1958, 7 Seiten, msehr. Teilabdruck.

Der erste Teil des Berichtes enthält einzelne Angaben zu verschiedenen Vorgängen im Heimatort des Vf. während der Zeit vom Beginn des deutschjugoslawischen Krieges Anfang April 1941 bis zur Aufnahme von Evakuierungsvorbereitungen vor dem Anmarsch der Roten Armee Anfang Oktober 1944.


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Die Evakuierung meiner Heimatgemeinde wurde zwar planmäßig vorbereitet, aber nicht durchgeführt, da die abziehenden Truppen nicht energisch genug durchgriffen, sondern die Menschen ihrem Schicksal überließen. Da die ganze Führung der Ortsgruppe, auch der Ortsleiter Simon Bacher, alle bis zum 50. Lebensjahr einrücken mußten 1 , wurde die ganze Arbeit der Gemeindevorstehung und Männern übertragen, die schon über 50 Jahre alt waren. Ich selbst mußte den Löwenanteil der Ortsgruppe übernehmen; da es hieß, die Ortsleiter werden alle vom Wehrdienst enthoben, und solange wurde ich betraut, die Führung zu übernehmen, bis der Ortsleiter heim kommt, was aber nicht der Fall war.

Gemeinsam mit der Ortsvorstehung (Bürgermeister war Konrad Wohlhüter, Kaufmann) wurde alles zur Evakuierung vorbereitet. Es kam ein Obersturmführer in die Gemeinde mit zwei Unteroffizieren, die mithalfen, noch in Nachbarsgemeinden Wägen und Pferde zu requirieren. Wir selbst hatten schon bereits genügend Wägen in der Heimatgemeinde sichergestellt, damit die ganze Bevölkerung - etwa 2000 Personen, die noch daheim waren - evakuiert werden konnte. Vorher hatte ich die ganze Gemeinde mit der Gemeindevorstehung in eine Gastwirtschaft zusammengerufen und der Bevölkerung mitgeteilt, daß zuerst die Kinder, etwa 130 an der Zahl, von 8-16 Jahren evakuiert werden müssen und schon Wägen bereit ständen, die selbe am nächsten Tag mit ihrem Gepäck nach Palanka führen, da die Kreisleitung (Fritz Hess) anordnete, daß die Kinder mit Schiff evakuiert werden.

Für die Kinder nach Palanka zu bringen, benötigten wir etwa 50-60 Wägen bei dem schlechten Weg, zumal wir keine Steinstraße bis Palanka hatten und 18 Kilometer in Morast zu fahren waren. Einige Bulkeser SS-Soldaten, die gerade in Urlaub waren, begleiteten die Kinder bis Palanka. Dort angekommen, erklärte ihnen Fritz Hess, es geht kein Schiff mehr und die Kinder müssen wieder zurück, was große Unruhe und Unzufriedenheit unter der Bevölkerung auslöste. - Nach der Versammlung vorher in der Gastwirtschaft, die gegen 22 Uhr beendet war, ging ich heim und arbeitete die ganze Nacht durch an der Liste von Kindern, damit diese mitgenommen wurde. Es war niemand mehr in der Gemeinde bereit, mir an der Arbeit dieser Liste zu helfen, da schon alles gleichgültig war, so mußte ich die ganze Nacht durcharbeiten, um diese zeitgerecht bis in der Früh fertig zu haben. - Tatsächlich kamen die Wägen, die Pferde übermüdet, gegen Abend von Palanka zurück, und es herrschte große Mißstimmung, und niemand wollte mehr seine Pferde geben, da es hieß, viele Menschen bleiben auf den Straßen liegen usw. (alles Gerüchte, die nie zu kontrollieren waren). Dies war am 10. Oktober 1944.


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Es war so mit dem Obersturmführer vereinbart, daß wir die Gemeinde am 11. Oktober 44 verlassen. Am 11. Oktober kam aber ein Hauptsturmführer mit Begleitung - ich glaube Görbitz hieß er - und gab dem Obersturmführer den Befehl, die Requirierung der Wägen usw. einzustellen und die Bevölkerung möge bleiben. Er ließ die Gemeindevorstehung und mich rufen und auch die Gemeinde durch Trommelschlag rufen, wo er in Gegenwart der Ortsvorstehung und mir folgendes sagte: Die Leute mögen ruhig in der Gemeinde bleiben, es sei schon spät, sie kommen nicht weiter, mögen ihrer Arbeit nachgehen, denn die Russen sind keine schlechten Leute, sie tun niemanden etwas und benötigen ja friedliche Arbeiter. Es mögen nur die Jugend fortgehen, die 16 Jahre alt sind, führende Männer der Gemeinde, Notar, Bürgermeister und alle, die im öffentlichen Leben standen. Er gab mir den Befehl, der Versammlung seine Worte durchzusagen, was ich zuerst nicht tun wollte und so vereinbarten, daß er vor der Versammlung diese seine Worte, die ich sagen mußte, bestätigte. Am Schluß sagte ich ihm, er möge bestätigen, daß er diesen Befehl gegeben hat, was er auch tat. Viele Menschen glaubten ihm, da ja alle gern daheim blieben und sich nicht im Winter mit Pferd und Wagen auf den weiten Weg machen wollten. Es hieß zwar von der Kreisleitung, wir gehn nur bis in die Baranja und kommen in drei Wochen wieder zurück - es war aber ein langer, weiter Weg, bis nach Deutschland.

Einige folgten gleich dem Aufruf unser führenden Männer und fuhren im Regen bis in die nächste Gemeinde Gajdobra.

Mit dem ersten Treck verließen nur 53 Personen die Gemeinde. Ich selbst blieb und wollte nicht fort, bis mich der Bürgermeister unserer Gemeinde von Gajdobra anrief, ich möge doch nicht bleiben und kommen. So bin ich nächsten Tag mit meiner Frau und einigen Landsleuten auch fort.

In Gajdobra gingen ich und der Bürgermeister zu den dort noch vorhandenen SS-Truppen und baten sie, man möge doch alles daran setzen, damit die Gemeinde zwangsevakuiert wird. Der Untersturmführer versprach, dies zu tun, und ging tatsächlich mit 13 Mann nach Bulkes und forderte die Gemeinde auf, unbedingt Bulkes zu verlassen. Bei diesen 13 Mann waren auch einige Bulkeser SS-Männer dabei, die aber auch nicht wagten, ihre Familien zur Flucht zu bewegen, und so kam uns nur noch der zweite Treck nach; alle anderen blieben in der guten Hoffnung in der Gemeinde, es geschieht ihnen nichts. - Es wurde ein neuer Gemeinderat mit Fritz Neidhöfer sen. an der Spitze gebildet, der die Verwaltung der Gemeinde übernahm. Von Palanka aus kamen ständig Telefonrufe von Madjaronen, man möge keine Angst haben und bleiben, es geschieht niemanden nichts, sie werden sich schon bei den Behörden einsetzen. Auch gerade diese Männer sollen gleich ermordet worden sein, wie Leute aus Palanka später berichteten . . .

Am 11. und 12. Oktober verließen diese beiden einzigen Trecks unsere Heimatgemeinde. Als wir in Gajdobra waren, verlautete auch dort durch Trommelschlag, ein jeder, wo will, möge unbedingt heute die Gemeinde verlassen. Auch dort blieb der größte Teil in der Gemeinde, im festen Glauben, sie haben nichts verbrochen und es geschieht ihnen nichts 2. Sogar der dortige


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Bürgermeister Valentin Koringer, der bereits schon unterwegs war, kehrte um und fuhr in seine Gemeinde zurück. - Auch er soll, wie Leute berichten, ermordet worden sein.

Als wir von Gajdobra bei Regen und schlechten Straßen abfuhren, begegnete uns bei Obrovac wieder der Obersturmführer mit Auto, der zuerst den Befehl gab, Bulkes zu evakuieren, und rief mich und unseren Bürgermeister zu sich und sagte folgendes: Fahrt ruhig weiter, ich war in Sombor und habe neuerdings den Befehl erhalten, die Gemeinde Bulkes muß evakuiert werden, und ich werde den Befehl durchführen lassen; was er auch durch die SS-Kompanie in Gajdobra tat, aber nur ganz wenige dem Befehl Folge leisteten. Einige waren schon ein Stück weggefahren und kehrten wieder um. - Somit haben nur 360 Personen die Gemeinde Bulkes verlassen, 1600-1700 blieben.

Treckführer des ersten Trecks war ich selbst, den zweiten Treck führte Peter Thuro jr., der gerade als SS-Soldat in Urlaub war 3 . Der Weg ging bis Baja, wo wir die Donau überquerten. Von dort durch Ungarn, wo wir öfter längere Zeit mit Wägen und Pferden Rast machten. Der erste längere Aufenthalt war in Ciko bei Bonyhad. Der zweite Treck war in der Nähe Dombovar, mit dem wir nie zusammenkamen, trotzdem bereits briefliche Verbindung hergestellt war. Von Bonyhad ging es weiter bis nach Keleviz, wo wir drei Wochen blieben und von Marcali aus von der SS-Truppe öfter Verpflegung bekamen. Dort bekamen wir auch zum erstenmal eine jede Familie 50 Mark. Wie schon erwähnt, kamen wir mit dem zweiten Treck aus Bulkes nie zusammen, nur in Keleviz besuchte uns der Treckführer, und wir vereinbarten, gemeinsam, wenn der Befehl kommt, abzufahren; kamen auch dann nicht zusammen, da der zweite Treck immer einen Tag vor uns war.

Mit meinem Treck fuhr ich bis nach Ödenburg, wo wir übernachteten und wir meine Tochter trafen, die beim Volksbund in Budapest angestellt war. Durch Vermittlung mit einem Oberscharführer aus Zabalj, Trumpf, gelang es uns, einige Tage dort gut einzuquartieren; und nach fünf Tagen bekamen wir einen Zug, da ich 13 kleine Kinder mit dem Treck mitführte und die Verantwortung nicht im Winter übernehmen wollte. Wir fuhren dann bis Glatz und wurden dann dort in der Nähe in einem Lager in Schlegel gut untergebracht. Dies war am 1. Dezember 1944.


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Dort angekommen, mußten sich die Männer, die noch nicht Soldat waren, alle bis zu 60 Jahren zur Musterung der Waffen-SS melden. Bei der Musterung wurden die meisten für tauglich befunden und mußten im Februar 1945 einrücken.

Die folgenden Abschnitte des Berichtes enthalten vom Vf. nach Augenzeugenberichten zusammengestellte Angaben über die Ereignisse in seiner Heimatgemeinde nach der Besetzung durch Partisanen und sowjetische Truppen und über das Schicksal der deutschen Bevölkerung unter dem jugoslawischen Nachkriegsregime 4 .