Nr. 21: Die Evakuierung der deutschen Bevölkerung von Kula im Schiffstransport und mit Trecks am 8. und 9. Oktober 1944; der Treckweg durch Ungarn, Mähren und Schlesien bis zur Ankunft im Aufnahmegebiet der Oberlausitz Mitte Dezember; erneute Evakuierung nach Süddeutschland Ende Februar 1945.

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Bericht des Bauern J. Z. aus Kula in der Batschka. Original, 12. April 1958, 14 Seiten, hschr. Teilabdruck.

Zunächst gibt der Vf. einen Überblick über die Ereignisse in seinem Heimatort in der Zeit zwischen dem Balkanfeldzug im April 1941 und dem Beginn der Evakuierungsvorbereitungen im Herbst 1944. Hierzu abschließend stellt er fest, daß kurz vor der Evakuierung noch die 17-18jährigen und alle bisher noch nicht eingezogenen Volksdeutschen bis zum Alter von 55 Jahren zum Wehrdienst einberufen wurden, und berichtet weiter:

Am 4. Okt. 1944 wurde in unserem Ort bei Nacht durch Trommelschlag die Bevölkerung aufgefordert, so schnell wie möglich zu Packen und zur Flucht vorbereiten. Die Leute haben die ganze Nacht durch gepackt und zur


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Abfahrt einigermaßen vorbereitet. Am nächsten Tag kam die Parole: Die Lage hat sich gebessert, und es ist noch nicht so weit, daß wir flüchten müssen. - Auf den Straßen kamen die Banater Flüchtlinge ein Treck am anderen.

Dan kam der Tag, wo das Flüchten eine ernste Angelegenheit wurde. Am 8. 10. 1944, Nachmittag 2 Uhr wurde das deutsche Volk durch die Ortsgruppenleitung und deutsche Offiziere verständiegt, daß um 5 Uhr alles Marschbereit sein soll zur Abfahrt. Und zugleich der Befehl, daß jede Familie nur 70 Kilo Gepäck mitnehmen darf und auf jedem Wagen (Bauernwägen) 7 Personen sein müssen. Dies hat man deswegen so gemacht, daß diese Leute, die keine Wägen hatten, auch flüchten können. Dieser Befehl war ja teils richtig, aber durch diese Anordnung haben so manche das Wertfolste liegen lassen. Es gab auch welche, die bei dieser kurze Zeit sich nicht entschliesen konnten und den letzten Moment doch auf den Wagen stiegen und, ohne das allernotwendiegste mitzunehmen, auf die Flucht gingen. Auch die Bauern, die ihr eigenes Fuhrwerk hatten, konten auch nicht so viel mitnehmen. Bei den meisten war die erforderliche Personenzahl nicht vorhanden, und musten Leute mitnehmen, die keine Wägen hatten. Auch für die Pferde muste man Heu und Futter mitnehmen.

Ein Teil von unseren Landsleute hat man in der Heimatgemeinde auf Schiff verladen. Diese Leute haben es bedeutend besser gemacht als die anderen. Sie haben die große Strapazen nicht mitmachen müssen und konten mitnehmen an Gepäck, so viel sie wollten. Die fuhren Richtung Bezdan und Mohacs. Hier hat man die Leute auf die Bahn verladen, und jeder konnte fahren, wo er hin wollte. Viele kamen gleich ins Reich zu ihren Verwanten oder Bekannten.

Der 1. Treck - das war zwei Drittel vom ganzen, die geflüchtet sind - ist am 8. 10. 1944 in Marsch gesetzt worden. Der 2. Treck fuhr am 9. 10. 1944 in der Früh wek. Diese Leute konnten sich nicht so schnell fertig machen, da viele ihre Pferde auf dem Hof (Sallasch) hatten. Bis man die Pferde heim brachte, war der 1. Treck schon fort. Es gab auch solche, die sich nicht so schnell Endschliesen konnten zum Flüchten.

Die Trecks fuhren die Richtung Baja, dort hat [man] übernachtet. Am nächsten Tag hat sich die Abfahrt auch verzögert, da man an vielen Pferde das Hufbeschlagen vornehmen mußte. In Baja trafen wir uns zusammen. Wie schon oben erwähnt, hat man uns kurz vor der Flucht eingezogen. Unsere Einheit ist am 8. 10. 1944 von Alt-Werbaß auch die Richtung Baja Marschiert, natürlich noch alles in Zivil. Am 8. 10. 1944, früh 8 Uhr sind wier durch meine Heimatgemeinde Marschiert. Nachmittag kam der 1. Treck schon nachgefahren. So haben wir uns in Baja mit unseren Angehörigen getroffen. Da haben wir unser Vorgesetzter (Hauptscharführer) gebittet, uns mit der Familie mitfahren zu lassen, damit wir Ihnen auf der Flucht beihilflich sein können. Dies wurde uns auch erlaubt. Wir versprachen auch, daß wir, sobald die Angehörige einigermaßen in Sicherheit sind, zur Einheit zurückkehren. Dieses Versprechen haben wir auch eingehalten. Somit sind dann 28 Mann, alle aus meiner Gemeinde, mit ihren Angehörigen mitgefahren.


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Die Treckführer waren zwei SS-Männer aus unserer Heimatgemeinde, die damals in Urlaub zuhaus waren. Sie konnten uns nicht auf der ganzen Flucht begleiten, da Sie auch zur Einheit musten. So hat dann unser 2. Bürgermeister die Führung übernommen.

Ich will auch hier vermerken, daß auch einige Traktoren beim Treck waren, die 5-6 Wägen anhengten. Da sie keine Gummibereifung hatten, war bald Schluß mit dem Fahren. Zeit zum Reparieren lassen war auch keine, so mußte man die Fahrzeuge am Straßenrand stehenlassen. Die zurückziehende Wehrmacht hat in solchen Fällen Pferde zur Verfügung gesteh. Einige hat man an die andere Wägen angehengt, damit die Leute fortkommen.

So sind wir dann über Kalocsa nach Dunaföldvar, dort musten wir über die Donau. Vor der Brücke haben sich so viel Wägen angesammelt, daß man Stunden lang warten muste. Da kam noch zum Unglück Fliegeralarm, das überfahren hat man während der alarm Zeit eingestellt. Ist aber nichts passiert, so daß wir dann nach Stunden langem Warten über die Donau kamen. Jenseits der Donau machten wir in Cece auf einer großen Wiese eine Pause. Da wir glaubten, in Sicherheit zu sein, da wir doch über der Donau waren, haben wir auf der Wiese übernachtet. - Am nächsten Tag war der 15. Oktober, da wurde uns der Boden heiß unter den Füssen 1 . Selbst die Behörde und Gendarmen waren sehr Bruttal mit den Flüchtlingen. Auch die Zivilbevölkerung hat sich uns gegenüber feindselig benommen, haben uns geschimpft und alles uns nachgerufen. Zum glück hat alles bald ein Ende genommen.

Da hier der 1. Treck etwa 20 Stunden gerastet hat, ist der 2. Treck, der aus der Heimat am 9. 10. 44 wekfahrte, nachgekommen, so daß wir von hier ein Treck bildeten. - Ich möchte auch hier kurz Berichten über die Freundlichkeit und Benehmen des Ungarischen Volkes uns deutschen Flüchtlingen gegenüber. Es war ein langer Wek von meiner Heimatgemeinde bis zur Grenze. Da muste man unzähligemaj an die Türe klopfen und Bitten, ob man den Wagen in den Hof einstellen darf oder um eine Schlafgelegenheit für Kinder, Alte und Kranken Leute. Es gab bestirnt ganz Anständige und Freundliche Leute dabei, die den Armen Flüchtlingen beigestanden sind, wie es Ihnen nur möglich war. Aber viele haben uns mit schimpf Wörter Empfangen. Als sie sahen die Flüchtlinge ankommen, haben sie die Gassentore abgeschlossen und oftmals vom Brunnen den Eimer abgenommen, damit wir für die Pferde kein Wasser holen können.


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So Wanderten wir so langsam Richtung Westen, am Plattensee vorbei, über Veszprem. Im Bakonyer Wald wurde halt gemacht. Die Leute hat man in den Ortschaften Notdürftig einkwatiert. Wir haben den dortigen Einwohner bei der Feldarbeit viel mitgeholfen. Es war eine Arme Gegend, besonders an Pferde und Fuhrwerk war Mangel. Von hier sind viele von den Landsleute mit der Bahn ins Reich. Das waren Alte und Kranke, auch Mütter mit kleinen Kinder, auch solche, die eine Anschrift hatten von Verwanten oder Bekannten. Auch die oben erwähnte 28 Mann, die in Baja zu ihren Angehörigen kamen, sind von hier zur Einheit zurück.

Nach etwa 25 Tage Rast kam der Befehl zum abfahren Richtung ödenburg. Die Landsleute waren auf merere Ortschaften verteilt, und so kam es, das der ganze Treck am ersten Tag nicht beisammen war, und das war auch so gut. Ein teil von der Kolone wurde von Tiefflieger angegriffen, und da gab es schwere Verluste: eine Tode, etwa 8 Verwundete, zum teil schwer; 5 Pferde wurden erschossen, auch einige verwundet. Es gab auch. Sachschaden, da das Gepäck auf den Wägen sehr durchschossen war. Die Tode wurde Beerdigt, die Verwundete hat man in Ärztliche pflege genommen. Nach einer kurzen Zeit sind Sie mit der Bahn nach Schlesien. Die Schwerverwundete muste man ins Krankenhaus einliefern. Der Treck hat sich gesammelt und sind dann geschlossen Richtung Päpa-ödenburg, dann über die Grenze.

Die erste Begrüßung von den deutsch Österreicher hat uns sehr überrascht. Sie haben uns zugerufen: Was wolt ihr hier; wir brauchen solche Leute nicht; seit Nazi gewesen, deswegen habt ihr gehn müssen! Es war für uns ein schlechter Trost, aber durch die lange Wanderschaft musten wir doch feststellen, daß unter dem Deutschen Volk auch viele gab, die uns freundlich aufnahmen. Besonders in Schlesien fanden wir sehr gute Leute.

Die Fahrt ging über Wiener Neustadt, Wien, durch die Tschechei. Auf der Reise durch Ungarn und Österreich hat bei Nacht wenigstens eine Person (auch oftmals alle, die zum Wagen gehörten) im Wagen geschlafen, um auf das lezte Hab und Gut aufzupassen. Das war in der Tschechei nicht erlaubt. Die NSV hat alles in deutsche Häuser und Schulen einkwatiert. Die Wägen wurden durch die Polizei bewacht. Dies wurde deswegen so Angeordnet, weil in der Tschechei zu selben Zeit die Lage unsicher war, besonders bei Nacht, da gab es öfters Schißerei. - Die Fahrt ging mit Fuhrwerk bis Hohenstadt. Da man hier an das Hochgebirge angelangte, muste man den ganze Treck in Wagons verladen. Da ja die Pferde von der lange Fahrt schon ziemlich Kaput waren.

Am 17. 12. 44 sind wir in Hoyerswerda (Schlesien) angekommen; und die Leute hat man in verschidene Richtungen und Kreise verteilt. Meine Angehörige und noch viele von den Landsleute hat man nach Wiednitz (Kreis Hoyerswerda) eingeteilt. Vorerst kamen alle in Lager, wo sie alle von der NSV ferköstigt wurden. Nach 4 Wochen Lagerzeit kam alles in Privatwohnungen, die meisten haben sich die Wohnung selber gesucht. Die Leute waren uns gegenüber sehr freundlich, waren auch sehr beihilflich, wo sie nur konnten. - Die Pferde musten wir hier abgeben, weil man kein Futter bekam und auch kein Platz für Pferde vorhanden war, da es ein überwie-


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gerides Industrie-Gebiet war. Die Wägen hat man auch nicht Verkaufen können, so hat man sie einfach stehen lassen müssen.

Ende Feber 1945 kam wieder die Zeit zum abmarsch. Die meisten sind ja ziemlich gut wekkommen. Es gab auch welche, die ihr leztes dort lassen musten, da man in manchen Ortschaften die Leute nicht Rechtzeitig Verständigt hat. Ein teil kam nach Nieder-Bayern in die nähe Simbach a. Inn, wo dann nachher von Verschidenen Richtungen noch viele von den Landsleute zugezogen sind. Den anderen teil hat man in Bayern im Kreis Mallersdorf untergebracht. Diese Leute sind alle 1947 in die Umgebung Mannheim und Heidelberg übersiedelt. Es sind auch z. Z. viele Kulaer in Stuttgart und Umgebung und München. Auch viele sind nach Übersee, so auch nach Österreich.