b. Die Bolschewisierung und Kollektivierung des Wirtschaftslebens.

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Im wirtschaftlichen Bereich hatten sich die rumänischen Kommunisten in den ersten Nachkriegsjahren mit der Durchführung der anfangs auch von den Nationalţaranisten befürworteten Bodenreform begnügt. Als dann bis zum Ende des Jahres 1947 die demokratischen Oppositionsparteien endgültig ausgeschaltet waren und das Königtum beseitigt war, war der Weg frei für eine systematische Umgestaltung und Neuordnung des gesamten rumänischen Wirtschaftslebens im bolschewistischen Sinne.


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Als erste einschneidende Maßnahme in dieser Richtung muß — nach der Verstaatlichung der Rumänischen Nationalbank Ende Dezember 194640 -die Währungsreform vom 15. August 1947 angesehen werden, die einerseits der herrschenden Inflation Halt gebot, gleichzeitig aber die Privatwirtschaft ihrer flüssigen Betriebskapitalien beraubte, um sie damit von der staatlichen Kreditpolitik abhängig zu machen41. Unerfüllbare Steuerforderungen führten in der Folgezeit zur Liquidierung zahlreicher Unternehmen, deren Besitzer als „Saboteure” verhaftet und verurteilt wurden42. Andere „Kapitalisten” wurden wegen angeblicher Hintergehung der Ablieferungsbestimmungen für Gold und Devisen inhaftiert und aus ihren Betrieben verdrängt43. Nachdem noch die im April 1948 verabschiedete Verfassung ein Privateigentum auch im industriellen Bereich grundsätzlich anerkannt hatte, beschloß die Große Nationalversammlung der Rumänischen Volksrepublik am 11. Juni 1948 ein Gesetz „über die Verstaatlichung von Industrie-, Bank-, Versicherungs-, Hütten- und Transportunternehmen”44, auf Grund dessen bis Mitte 1950 1609 Betriebe der verschiedensten Produktionszweige, im allgemeinen entschädigungslos, enteignet und in Staatseigentum übergeführt wurden45. Ende 1952 befanden sich 96,5 % aller industriellen Produktionsbetriebe in staatlicher Hand46.

Fast gleichzeitig mit der Verstaatlichung der Industrie, die auch die größeren, mechanisierten Handwerksbetriebe mit einbezog, begann die Sozialisierung des Groß- und Einzelhandels, der sich ebenfalls nur wenige kleinere Geschäfte entziehen konnten47. Ein besonderes Dekret verfügte am 2. April 1949 die Nationalisierung aller Apotheken, Drogerien und Laboratorien48. Den Schlußstein in dieser Politik der Zerstörung des bürgerlichen Privateigentums bildete das Immobilien-Enteignungs-Dekret vom 19. April 1950, das neben Mietshäusern — ‚.Immobilien, die den Ausbeutern des Wohnraumes gehören” — auch die Häuser der enteigneten Industriellen, Gutsbesitzer, Bankiers. Großhändler und „aller anderen Elemente der Großbourgeoisie” verstaatlichte, „um den Ausbeutern ein wichtiges Mittel der Ausbeutung aus der Hand zu nehmen”49. In zahlreichen Fällen waren die Besitzer freilich schon lange vorher aus ihren Häusern und


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Wohnungen verdrängt worden50. Das Verfügungsrecht der Haus- und Wohnungsinhaber war bereits im Februar 1949 durch das Gesetz über die Wohnraumbeschränkung erheblich eingeengt worden51.

Die gesamten Verstaatlichungsmaßnahmen der Jahre 1947 bis 1950 kannten keinen Unterschied der Nationalität. Sie betrafen Deutsche und Rumänen gleichmäßig, wenn auch der Anteil der Volksdeutschen in einzelnen Produktionszweigen, wie etwa unter den Apotheken-Inhabern, unverhältnismäßig hoch war52. Den entschädigungslos enteigneten Fabrikanten und Geschäftsleuten wurde nur in wenigen Fällen Gelegenheit geboten, als Techniker, Berater und Angestellte in ihren alten Berufszweigen Verwendung zu finden53. Die gewaltsam vorangetriebene Industrialisierung des Landes im Rahmen des ersten rumänischen Fünfjahresplanes von 1950 bewirkte freilich einen stetig steigenden Bedarf an technisch geschulten Arbeitskräften, der in zunehmendem Maße auch deutschen Technikern und Facharbeitern gute Aufstiegschancen bot54.

Schon 1949 wurde zur Erweiterung des „sozialistischen Sektors” die Zusammenfassung der nicht enteigneten kleineren Handwerksbetriebe zu Produktionsgenossenschaften in Angriff genommen55. Auch von diesen Bestrebungen wurden zahlreiche deutsche Handwerker betroffen, doch haben sich die Handwerkerkollektive, die 1951, bei insgesamt rund 30 000 Mitgliedern, über 3380 Geschäfte und Werkstätten verfügten56, nur bedingt bewährt, so daß sie vielfach nach verhältnismäßig kurzer Zeit wieder aufgelöst wurden57.

Nachhaltiger konnten sich die Kollektivierungs-Bestrebungen der Kommunisten in der rumänischen Landwirtschaft auswirken. Schon bei der Neuverteilung des 1945 enteigneten Bodens blieb ein Teil des Landes dem Staat vorbehalten, der seinen Grundbesitz Anfang März 1948 durch die Übernahme der Kronländereien, nach dem 1. März 1949 durch die Enteignung der von der Bodenreform verschonten Mustergüter sowie der 50-ha-


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Restbetriebe weiter vergrößerte58. Aus dieser Staatsreserve wurden, in verstärktem Maße nach 1948, Staatsgüter (fermile de stat) geschaffen, deren Zahl sich im Frühjahr 1949 auf 692 mit einer Gesamtbodenfläche von 662 000 ha belief59. Weiteres Land suchte man durch die allmähliche Verdrängung der nicht enteigneten Großbauern zu gewinnen, die unter schärfsten Abgaben- und Steuerdruck gesetzt wurden, um der Sabotage beschuldigt und enteignet zu werden, wenn sie ihr Soll nicht erfüllten60.

Durch entsprechende Zwangsmaßnahmen suchte die Regierung seit 1949 auch die Klein- und Mittelbauern, einschließlich der neubegüterten Kolonisten, zum Eintritt in die abgabenmäßig bevorzugten Produktivgenossenschaften zu bewegen, die in immer größerer Zahl errichtet wurden61. Neben der eigentlichen Kollektivwirtschaft (Kolchos) gab es dabei die losere Form der Feldbestellungsgenossenschaft, die an die älteren Formen des ländlichen Genossenschaftswesens anknüpfte62. Wie in anderen volksdemokratischen Ländern wurden auch in Rumänien Maschinen-Traktoren-Stationen eingerichtet, die nur Staatsgütern und Genossenschaften zur Verfügung standen.

Für die enteigneten Volksdeutschen Bauern, die zunächst vor allem auf den Staatsgütern Arbeit gefunden hatten63, war es von Bedeutung, daß in die Kollektivwirtschaften in begrenztem Umfang auch Bauern ohne Landbesitz und Inventar aufgenommen werden konnten. Das fehlende Land wurde zum Teil aus der Staatsreserve zur Verfügung gestellt64. Für die Volksdeutsche Landbevölkerung bedeutete somit die Kollektivierung vielfach eine Besserung der Lebensverhältnisse, da sie sich innerhalb des Kollektivs, gerade den unerfahrenen Neubauern gegenüber, oft erfolgreich


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durchsetzen konnte65. Ende 1952 befanden sich allerdings unter insgesamt rund 165 000 Kollektivbauern erst 1600 Volksdeutsche66.

Die Volksdeutschen Rückkehrer aus den sowjetischen Arbeitslagern wie die inzwischen herangewachsenen Jugendlichen haben auch in der neuen rumänischen Wirtschaft vielfach ihren Arbeitsplatz gefunden, sei es als Traktoristen oder Kollektivbauern in der Landwirtschaft, als Facharbeiter oder Techniker in der Industrie. Die Bolschewisierung der gesamten Wirtschaft bewirkte jedoch eine allgemeine Nivellierung und Proletarisierung, der sich auch die Volksdeutschen nicht entziehen konnten. Forciert wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch die überaus schwierigen Wohnungsverhältnisse, die vor allem in den mit der Industrialisierung allzu rasch anwachsenden Städten herrschen67. Von einem Volksdeutschen Wirtschaftsleben kann im heutigen Rumänien nicht mehr die Rede sein. Nachdem das geschlossene deutsche Bauerndorf als Wirtschafts- und Lebensform schon durch die Bodenreform zerstört worden war, haben die späteren Bolschewisierungsmaßnahmen auch die traditionellen Lebensgrundlagen des deutschen Bürgertums, damit zugleich aber den deutschen Charakter seiner Städte vernichtet.