d. Familienzusammenführung und Repatriierung.

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In den ersten Jahren nach Kriegsende hatten die zum Teil unerträglichen Lebensbedingungen, politische Verfolgung und der Wunsch, den schon vorher evakuierten oder geflohenen Verwandten zu folgen, zahlreiche Volksdeutsche zum Verlassen der rumänischen Heimat getrieben. In vielfach abenteuerlicher Flucht gelang es ihnen, zum Teil mit Hilfe bestochener Grenzwachen, die rumänisch-ungarische Grenze zu überschreiten und sich durch Ungarn und die sowjetisch-besetzte Zone Österreichs nach Westen durchzuschlagen96 Nicht wenige wurden schon an der Grenze gefaßt und strafweise in rumänische Arbeitslager, nach Großwardein und später in die Lager am Donau-Schwarzmeer-Kanal eingewiesen. Im Jahre 1947 wurde, ähnlich wie bei den Rückkehrern in Dobrudscha und Bukowina97, auch den Banater Deutschen zum Teil Gelegenheit geboten, sich auf Antrag von den rumänischen Behörden ausweisen zu lassen, so daß es in vereinzelten Fällen zur legalen Abwanderung größerer Gruppen kam98. Die Festigung des kommunistischen Regimes, in Rumänien wie im benachbarten Ungarn, bewirkte in den Jahren 1948/49 einen deutlichen Rückgang des illegalen Grenzverkehrs, da die Grenzen hinfort sehr viel schärfer bewacht wurden.

Die veränderte Haltung des rumänischen Staates gegenüber den Volksdeutschen bewirkte zugleich eine leichte Besserung der allgemeinen, insbesondere auch wirtschaftlichen Lage, wenn auch das städtische Bürgertum gerade in diesen Jahren seiner Existenzgrundlage beraubt wurde. Ungelöst blieb in jedem Fall das Problem der auseinandergerissenen Volksdeutschen Familien, das durch die Kriegsereignisse, die nur teilweise durchgeführte Evakuierung der Banater Schwaben und die Rückführung der in Niederösterreich überrollten Flüchtlinge entstanden war. Zehntausende von Kriegsgefangenen und Verschleppten, die oft entgegen ihrem Willen nach Ost- und Westdeutschland entlassen wurden, hatten die Zahl der Getrennten weiter erhöht.


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In beschränktem Umfang waren 1949/50, teils auf unmittelbaren Antrag bei den rumänischen Behörden, teils durch Vermittlung des französischen Konsulats in Bukarest, Ausreisegenehmigungen erteilt worden, wobei die Antragsteller freilich in den meisten Fällen jahrelang auf die Erledigung ihrer Gesuche warten mußten99. Zu einer systematischeren Zusammenführungs-Aktion kam es in den Jahren 1950/51 durch Vermittlung der Bukarester Vertretung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik, die mit den bisher tätigen französischen Stellen zusammenarbeitete. In acht Transporten wurde im Herbst 1950 und in den Monaten Mai bis Dezember 1951 etwas mehr als 1000 Volksdeutschen, deren Angehörige in Deutschland lebten, das Verlassen Rumäniens ermöglicht100, wobei die in diesen Transporten Ausreisenden im Rahmen der Ausfuhrbestimmungen ihre gesamte bewegliche Habe mitführen konnten101. Die Betreuung durch die sowjetzonalen Dienststellen war — offensichtlich aus politischen Gründen — betont sorgfältig, obwohl die überwiegende Mehrzahl der Antragsteller zu Angehörigen in Westdeutschland fuhren. Die Weiterleitung in die Bundesrepublik verlief, nach kurzen Quarantäneaufenthalten in den Lagern Oelsnitz/Vogtland oder Bischofswerda ohne Schwierigkeiten102.

Schon im Jahre 1952 fanden jedoch derartige Transporte nicht mehr statt. In den Jahren 1952 bis 1956 passierten insgesamt nur 269 Rumänien-Deutsche die Grenzdurchgangslager der Bundesrepublik103. Die Gesamtzahl der Volksdeutschen, die Rumänien in diesem Zeitraum mit Einzelreisegenehmigungen verlassen konnten, dürfte kaum höher sein.

Das Gesamtproblem der Familienzusammenführung ist — das bleibt ausdrücklich festzustellen — noch immer ungelöst. Im Herbst 1956 lagen mehr als 10 000 Anträge auf Ausreise zu Verwandten in der Bundesrepublik vor104. Die Ungeklärtheit der Situation und das Ausbleiben einer Entscheidung über diese Anträge gab umgekehrt der im Sommer


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1955 eingeleiteten Repatriierungs-Aktion der rumänischen Regierung auch bei den Volksdeutschen gewisse Erfolgsaussichten.

Neben dem Wunsch, die Kritik der Emigration im westlichen Ausland auszuschalten, wird diese Aktion vor allem durch den im Lande nicht mehr zu deckenden Bedarf an Arbeitskräften veranlaßt worden sein. Ein im Juni 1955 veröffentlichtes Dekret sicherte allen Rückkehrern völlige Straffreiheit zu105. Unter Hinzuziehung prominenter Politiker der ehemaligen demokratischen Parteien, des Sozialdemokraten Titel Petrescu, des liberalen Ex-Außenministers Tatarescu und des Maniu-Neffen Jonel Pop wurde wenig später ein „Nationales Repatriierungskomitee” gebildet, dem auch verschiedene Volksdeutsche, Chefredakteur Anton Breitenhofer vom „Neuen Weg”, der Schriftsteller Bulhardt und andere angehörten. Rundfunk- und Presseaufrufe, ein eigenes Presseorgan „Glasul Patriei” (Stimme des Vaterlandes), Auslandsdienststellen und Delegationen forderten alle Flüchtlinge und Emigranten zur Rückkehr nach Rumänien auf. Selbst die deutsche Evangelische Landeskirche mußte die ausgegebenen Parolen übernehmen.

Das Echo unter den Auslands-Rumänen wie unter den Volksdeutschen Flüchtlingen war schwach. Schätzungen von 3000 Volksdeutschen, die bis Jahresende 1956 nach Rumänien zurückgekehrt sein sollen, dürften bereits zu hoch greifen; andere Angaben sprechen von 450 schwäbischen Rückkehrern im rumänischen Banat106. Daß sich trotz allem eine gewisse Zahl zur Rückkehr in die Heimat, auch unter kommunistischer Herrschaft, entschloß, kann nicht als Zustimmung zum Regime gedeutet werden, sondern zeigt nur den noch völlig ungebrochenen Zusammenhalt der Volksdeutschen Familien- und Gemeindeverbände, der zehn und mehr Jahre der Trennung überdauert hat.


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