Anlage 9: Das Nationalitätenstatut von 1945.

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Dekret-Gesetz Nr. 86/1945 über das Statut für nationale Minderheiten.

Kapitel I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Alle rumänischen Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich und erfreuen sich ohne Unterschied der Rasse, Nationalität, Sprache und Religion derselben politischen und zivilen Rechte.

Art. 2. Es ist verboten, der Volksabstammung der rumänischen Staatsbürger, soweit es sich um Feststellung ihrer juristischen Situation handelt, nachzuforschen.

Art. 3. Die Unterschiede der Sprache, Religion, Rasse oder Nationalität stellen für rumänische Staatsbürger, soweit es sich um Erlangung oder Benutzung von zivilen oder politischen Rechten, um öffentliche Dienste oder die Ausübung ihres Gewerbes handelt, kein Hindernis dar.

Art. 4. Die rumänischen Staatsbürger mit einer anderen Nationalität als der rumänischen, mit einer anderen Sprache, Religion oder von einer anderen Rasse erfreuen sich de jure und de facto derselben Behandlung und derselben Garantien wie die sonstigen rumänischen Staatsangehörigen. Jede mittelbare oder unmittelbare Beschränkung der Bürgerrechte und umgekehrt jede mittelbare oder unmittelbare Gewährung von Sonderrechten an Bürger auf der Grundlage von Rasse, Religion oder Nationalität wie auch jede Propagierung des Exklusivismus oder des Hasses bzw. der Verachtung der Rasse, Religion oder Nationalität werden gesetzlich bestraft.

Art. 5. Jeder rumänische Staatsbürger ist berechtigt, seine Muttersprache oder Nationalität selbst zu bestimmen. Jeglicher Eingriff, gleich welcher Behörde, in dieser Hinsicht ist verboten, und die amtlichen Organe sind verpflichtet, einen diesbezügleichen Hinweis des Staatsbürgers anzunehmen.

Kapitel II. Sonderbestimmungen.

Abschnitt I. Bestimmungen, die Sprache betreffend.

Art. 6. Die amtliche Sprache des rumänischen Staates ist die rumänische, jedoch sind in den Verwaltungsgebieten oder gerichtlichen Bezirken, in welchen ein großer Teil der Bevölkerung eine andere als die rumänische Sprache spricht, die in Art. 8 und folgende angeführten Bestimmungen zur Anwendung zu bringen.


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Art. 7. In ihren privaten Verhältnissen, wie z. B. Schriftwechsel, Telefongespräche usw., in Industrie und Handel, in Religionsfragen, in der Presse, in Veröffentlichungen jeglicher Natur oder in öffentlichen Versammlungen können rumänische Staatsbürger frei und unbeschränkt jede Sprache benutzen.

Art. 8. Diejenigen Tribunale und Gerichte, die ihre Befugnisse im Rahmen eines Gerichtsbezirkes haben, in dem gemäß letzter Volkszählung mindestens 30 % der Bewohner eine gemeinsame Muttersprache, jedoch eine andere als die rumänische, sprechen, sind verpflichtet:

a) jede schriftlich vorgelegte Eingabe der Bewohner des Bereichs, die die Quote von 30 % erfüllen, in ihrer Muttersprache anzunehmen, ohne eine Übersetzung in die Staatssprache zu fordern;

b) sich in derselben Sprache wie die der Eingabe zu äußern;

c) die Parteien in der Muttersprache anzuhören.

Art. 9. Das Justizministerium stellt auf Grund örtlicher statistischer Daten fest, welche Tribunale und Gerichte dem Art. 8 entsprechen.

Art. 10. Die Kommunal- und Kreisbehörden, die eine Bereichsbefugnis über einen Verwaltungsdistrikt ausüben, in welchem gemäß der letzten Volkszählung die Anzahl der Bürger mit einer gemeinschaftlichen Muttersprache — jedoch einer anderen als der rumänischen — mindestens 30 % der Bewohner dieses Distrikts beträgt, sind verpflichtet:

a) jede schriftlich vorgelegte Eingabe der Bewohner des Bereichs., die die Quote von 30 % erfüllen, in ihrer Muttersprache anzunehmen, ohne eine Übersetzung in die Staatssprache zu fordern;

b) sich in derselben Sprache wie die der Eingabe zu äußeren;

c) die Parteien in der Muttersprache anzuhören;

d) in den Kommunal- und Kreisräten solcher territorialen Distrikte können die von Rechts wegen oder durch Wahl bestimmten Mitglieder der Nationalitäten von 30 % in ihrer Muttersprache das Wort ergreifen.

Art. 11. Das Ministerium des Innern stellt auf Grund örtlicher statistischer Daten fest, welche Gemeinden und Kreise unter die Voraussetzungen des vorherigen Artikels fallen.

Art. 12. Die Richter und Beamten der im Artikel 9 bis 11 vorgesehenen Instanzen und Verwaltungsbehörden müssen auch die Sprache der entsprechenden Nationalitäten beherrschen.

Art. 13. Zeitungen und periodische Veröffentlichungen, die in einer anderen Sprache als der rumänischen erscheinen, können sowohl den Ortsnamen der Zeitung als auch andere Ortsbezeichnungen des Landes in der Sprache der entsprechenden Minderheit drucken.


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Art. 14. Die Familiennamen der Bürger sind in den Registern und Urkunden des Standesamtes nur in der mit Personalunterlagen des Bürgers nachgewiesenen Form in Urschrift zu führen.

Art. 15. In den Städten und Landgemeinden, in welchen gemäß letzter Volkszählung mindestens 30 % der Bewohner eine andere gemeinsame Sprache als die rumänische sprechen, sind die fremden Namen auch in der Sprache der in Frage kommenden Minderheit zu führen.

Art. 16. Öffentliche Beamte jeder Kategorie, die auf Grund von Diplomen und Zeugnissen der staatlich anerkannten Lehranstalten ernannt wurden, können unter keiner Bedingung irgendeiner Prüfung der rumänischen Sprache unterzogen werden.

Art. 17. Die nach dem 23. August 1944 entstandenen Gesetze wie auch ihre Durchführung und Veröffentlichung werden zwecks amtlicher Gesetzessammlung auch in die Sprache der mitbewohnenden Nationalitäten übersetzt, die gemäß letzter Volkszählung mindestens 5 % der Gesamtbevölkerung des Landes betragen.

Die Reglements, Anordnungen und Mitteilungen der lokalen Behörden sind in der Sprache der Minderheit zu veröffentlichen, die mindestens 30 % der Bevölkerung des entsprechenden Kreises oder der Ortschaft beträgt.

Abschnitt II. Bestimmungen, den Unterricht betreffend.

Art. 18. Der rumänische Staat sichert den Unterricht in der Muttersprache durch die staatlichen Volksschulen, Mittel- und höheren Schulen denjenigen mitwohnenden Minderheiten, die eine genügende Anzahl von qualifizierten Schülern besitzen, mit Ausnahme der Ortschaften, in welchen dieser Mangel bereits durch private konfessionelle Schulen behoben wurde. Der Lehrkörper dieser staatlichen Schulen mit einer anderen Sprache als der rumänischen wird bevorzugt aus der entsprechenden Minderheit zusammengesetzt.

Art. 19. Dieselben Bestimmungen wie die für die rumänischen konfessionellen Privatschulen werden auch für die konfessionellen privaten Minderheitenschulen angewendet.

Art. 20. Bei Prüfungen, einschließlich des Bakkalaureats, werden sowohl in den staatlichen Schulen mit einer anderen Unterrichtssprache als der rumänischen als auch in den privaten konfessionellen Schulen der Minderheiten die Schüler in der entsprechenden Unterrichtssprache geprüft, mit Ausnahme der Fälle, wo der Schüler selbst in der rumänischen Sprache die Prüfung ablegen will.

Art. 21. Die konfessionellen Privatschulen der Minderheiten erhalten dieselbe materielle Unterstützung des Staates wie die privaten konfessionellen rumänischen Schulen.


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Art. 22. Unter Berücksichtigung der Anzahl der Studenten werden nach Bedarf der Fakultät für Rechtswissenschaften, Sprachen und Philosophie der Universität in Klausenburg auch Lehrstühle mit Vorlesungen in deutscher und ungarischer Sprache eingerichtet.

Abschnitt III. Bestimmungen, die Religion betreffend.

Art. 23. Die anerkannten Kultgemeinschaften verwalten ihre Güter gemäß der für sie in Frage kommenden Statuten und gemäß des Gesetzes über allgemeines Kultuswesen.

Art. 24. Mit Ausnahme der vom Kultusministerium auszuübenden Kontrolle ist den religiösen Vereinen und staatlich anerkannten Kultgemeinschaften die eigene Verwaltung gestattet.

Art. 25. Die Priester der anerkannten Kultgemeinschaften erhalten die gleiche Berufsausbildung und die gleiche amtliche Bezeichnung und werden dann in gleicher Art besoldet, wenn bei ihren Betreuungsgemeinden die vom Kultusgesetz vorgesehene Mindestanzahl von Gläubigen zwecks materieller Unterstützung durch den Staat vorhanden ist.

Kapitel III. Übergangs- und Schlußbestimmungen.

Art. 26. Das Ministerium für Nationale Minderheiten hat im Einvernehmen mit dem Justizministerium entsprechende Gesetzesmaßnahmen zwecks Lösung aller noch offenstehenden Angaben zu ergreifen, die auf Grund des im Monitorul Oficial Nr. 171 vom 27. Juli 1939 veröffentlichten Gesetzes über Änderung und Vervollständigung einiger Verfügungen über das Erlangen der rumänischen Staatsangehörigkeit die Festlegung eines neuen Eintragungsdatums erforderlich machten.

Art. 27. Das Ministerium für Nationale Minderheiten sorgt für die Durchführung der Verfügungen dieses Gesetzes.

Sämtliche Verwaltungs- und Polizeiorgane werden die Verfügungen dieses Ministeriums ausführen, soweit sie in Verbindung mit dem gegenwärtigen Gesetz erlassen wurden.

Ansprüche der rumänischen Staatsangehörigen jeden Glaubensbekenntnisses oder jeder Nationalität über die Verletzung oder irrtümliche Anwendung der in diesem Gesetz festgelegten Grundsätze sind an das Ministerium für Nationale Minderheiten zu richten.


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Art. 28. Alle vorhergehenden gesetzlichen oder reglementarischen Verfügungen, die diesem Gesetz widersprechen, sind und bleiben aufgehoben.

Bukarest, den 6. Februar 1945.

Übersetzt aus „Monitorul Oficial”, Teil I, Nr. 30/1945 vom 7. Februar 1945, S. 819 ff.


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