Nr. 9: Die Heranziehung der Rumänien-Deutschen zum Dienst in der Waffen-SS: von der ersten „1000-Mann-Aktion” bis zum SS-Abkommen des Jahres 1943.

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Bericht des D. H. aus Hermannsiadt (Sibiu) in Süd-Siebenbürgen.

Original, 14. Februar 1957, 14 Seiten, mschr.

Der Vf. geht zunächst auf die vielfach diskriminierende Behandlung der Volksdeutschen innerhalb der rumänischen Armee sowie auf allgemeine Mißstände im rumänischen Militärdienst ein.

All dies muß vorausgeschickt werden, um es als überaus verständlich zu bezeichnen, daß junge Männer von Anbeginn des 2. Weltkrieges lieber in einer deutschen Einheit ihren Militärdienst ableisten wollten. Unzählige sind daher schon in den ersten Kriegsjahren zur Organisation Todt gegangen, und, nachdem Rumänien schließlich unter Marschall Antonescu im Jahre 1941 an der Seite des Deutschen Reiches der UdSSR den Krieg erklärte, sind viele Volksdeutsche zur Deutschen Wehrmacht und auch zur Waffen-SS übergewechselt. Wenn es gewissermaßen in Verletzung bestehender Pflichten als rumänischer Staatsbürger geschah, so muß es doch verständlich sein, weil jeder letzten Endes damit gerechnet hatte, daß doch später oder früher eine allgemeine Regelung zwischen Rumänien und dem Deutschen Reich diesen gesetzlosen Zustand beseitigen wird. Dies war dann schließlich und endlich auch der Fall . . . Vor die Entscheidung gestellt, entweder in der rumänischen Armee bei schlechter Verpflegung und vielfach auch schlechter Behandlung, geringem Sold oder in deutschen Formationen den Krieg mitzumachen, fiel die Entscheidung ohne Zögern zugunsten der Waffen-SS.

Noch bevor es zu einem Abkommen zwischen der Reichsregierung und der rumänischen Regierung (hinsichtlich der Einreihung rumänischer Staatsbürger Volksdeutscher Zugehörigkeit in die Deutsche Wehrmacht-SS) kam, ist in Rumänien eine Aktion durchgeführt worden, nach der Volksdeutschen der Militärdienst in der Waffen-SS ermöglich wurde. Dies geschah im Jahre 1940. Der Zweck dieser Aktion war die Ausbildung eines Führerkorps von Volksdeutschen, die nach erfolgter Ausbildung in Spezialeinheiten zum Einsatz kommen sollten. Diese Aktion ist unter der Bezeichnung „1000 Mann-Aktion” bekannt.

Der Plan zu dieser Aktion kam vom SS-Hauptamt, und zwar vom Obergruppenführer Berger, dem späteren Schwiegervater des Volksgruppen-


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führers Andreas Schmidt. Schmidt war bis Oktober 1939 im Rasse- und Siedlungshauptamt, ist dann nach Rumänien gekommen und war zunächst als Stabsleiter der NAF (Nationale Arbeitsfront) der Volksgruppe, der damals als Landesobmann und gleichzeitig Landesleiter der NAF Dr. Wolfram Bruckner vorstand, tätig. Von Anbeginn seines Aufenthaltes hat sich allerdings Schmidt nicht so sehr mit Fragen der NAF beschäftigt, sondern war bestrebt, die „1000 Mann-Aktion” durchzuführen. In diesem Zusammenhang nahm er auch mit Dr. Hans Otto Roth, Abgeordneter im rumänischen Parlament, Verbindung auf, um über dessen Kanzlei auch die notwendigen Schritte einzuleiten, damit für die „1000 Mann-Aktion” auch von Seiten des rumänischen Staates eine zumindestens stillschweigende Bewilligung erteilt wird1.

Schließlich und endlich gelang es, auch von staatlicher Seite die Genehmigung zu erhalten, daß 1000 Jugendliche zur weiteren Berufsausbildung, Studium, nach Deutschland fahren durften. Die offiziellen staatlichen Stellen wußten ganz genau, daß es sich dabei um eine notwendige Tarnung der tatsächlichen Absicht handelte, nämlich der Einreihung zur Waffen-SS. Die im Frühsommer 1940 bereits vorhandenen freundschaftlichen Beziehungen Rumäniens zum Reich ermöglichten eben die Durchführung dieser „1000 Mann-Aktion”, bevor noch die Frage der Wehrdienstleistung für Volksdeutsche bei einem befreundeten Bundesgenossen im Wege eines zwischenstaatlichen Abkommens geklärt war.

Die Auswahl der Jugendlichen erfolgte über die Jugendorganisation der Volksgruppe, wobei Schmidt sich seine weiteren Helfer selbst auswählte. Offiziell wurde von Schmidt der Auftrag des SS-Hauptamtes der damaligen Volksgruppenführung auch nicht bekanntgegeben. So kam es auch einigemal zu Auseinandersetzungen in diesen Fragen zwischen Schmidt und einigen Amtswaltern der Volksgruppe, mit dem Landesleiter der Nachbarschaften sowie dem Landesleiter des Amtes für Gesundheitswesen, die sich gegen das eigenmächtige Vorgehen von Schmidt aussprachen. Offiziell wußten auch die Jugendlichen selbst nicht, wohin sie kommen werden, vermuteten es aber richtig und waren auch begeistert, als erste Volksdeutsche zur Waffen-SS eingereiht zu werden.

Nachdem die vorgesehene Anzahl von 1000 Jugendlichen ausgewählt war — wobei die einzelnen Siedlungsgebiete im Verhältnis zu der Gesamtzahl der dort lebenden Volksdeutschen an der Zahl 1000 beteiligt waren —, wurden für Gruppen von je 40 Männern Sammelpässe in Bukarest besorgt. Die vom rumänischen Innenministerium ausgefolgten Sammelpässe, ohne Lichtbild der Einzelnen, erhielten von der deutschen Gesandtschaft in Bukarest den Einreisesichtvermerk. Der Abtransport der 1000 Mann erfolgte im Juni 1940 auf dem Schiffsweg mit der DDSG, und zwar für die aus dem Buchenland und Bessarabien Kommenden bei Galatz, für die aus der Dobrudscha bei Cernavoda und für die aus Siebenbürgen und dem Banat bei Orşova.

Aus Rumänien kamen die 1000 Mann nach Wien, wo sie vom Ersatzkommando der Waffen-SS in Empfang genommen und von Obergruppen-


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führet Berger persönlich begrüßt wurden. In Wien fand auch eine Musterung statt. Auf Grund des Musterungsergebnisses kamen dann rund 700 Mann nach Krakau/Prag zur Waffen-SS, 200 Mann zur Wehrmacht, zum Regiment „Brandenburg”, und etwa 100 Mann waren untauglich und kamen auf Schulen und später in die Privatwirtschaft.

Der Ausgangsplan, die Ausgebildeten als Führungskorps bei der schon damals für später geplanten allgemeinen Waf fen-SS-Aktion in Sondereinheiten, wie z. B. bei der Division „Prinz Eugen” unter Führung des Obergruppenführers Phleps, zu verwenden, kam nicht zur Durchführung, da fast alle Männer der „1000 Mann-Aktion” schon viel früher in den verschiedensten Einheiten der Waffen-SS zum Fronteinsatz kamen.

Die zur Wehrmacht, zum Regiment „Brandenburg”, Eingeteilten kamen schon nach kurzer Zeit (im Herbst 1940) als Sportlehrer (Zivil) nach Rumänien in die Sportschule Breaza am Rande des rumänischen Ölgebietes, und zwar zum notwendigen Schütze der Ölfelder. Als kurz darauf die ersten deutschen Schultruppen nach Rumänien kamen, tauschten die getarnten Sportlehrer sofort ihren Zivilrock mit dem Waffenrock.

Wenn das SS-Hauptamt mit der „1000 Mann-Aktion” die Absicht hatte, ein geeignetes Führerkorps heranzubilden, dem dann später bei der allgemeinen SS-Aktion die Volksdeutschen aus Rumänien in der Ausbildung anvertraut werden sollten, so ist es überaus bedauerlich, daß infolge der Kriegsereignisse dieser Plan dann nicht verwirklicht werden konnte; denn so manche begeisterten Freiwilligen der späteren allgemeinen Waffen-SS-Aktion wurden schon in den ersten Tagen ihrer Ausbildung von ihren Vorgesetzten schwer enttäuscht.

Der Vf. befaßt sich im folgenden kurz mit der Entwicklung der rumä-nischen Außenpolitik im Jahre 1940/41 und mit den Auswirkungen des neuen deutsch-rumänischen Verhältnisses auf die Stellung der Volksgruppe. Die Anwesenheit der seit September 1940 im Lande stationierten deutschen Lehrtruppen habe den Unterschied zwischen deutscher Wehrmacht und rumänischer Armee besonders augenfällig gemacht.

Es war somit keineswegs verwunderlich, daß immer mehr Volksdeutsche bemüht waren, einen Weg zu finden, in deutschen Einheiten ihre Militärdienstpflicht abzuleisten. Da es nicht möglich war, auf legalem Wege zur Wehrdienstleistung in deutschen Einheiten zu kommen, mußten verschiedenste Wege zur Erfüllung dieser Absicht gesucht werden. Die in Rumänien befindlichen deutschen Einheiten wie auch durchfahrende Lazarettzüge halfen den Volksdeutschen, in kleinen oder größeren Gruppen das Land zu verlassen, um sich auf Reichsgebiet in deutsche militärische Einheiten einreihen zu lassen. Besonders die Ablösung von Truppen aus dem rumänischen Raum wie auch der Durchzug von deutschen Kampfeinheiten — z. B. Division „Das Reich” — nach Jugoslawien erleichterten den Volksdeutschen ein illegales Verlassen der Heimat und den anschließenden Beitritt zur Deutschen Wehrmacht, Waffen-SS usw.

Ein weitere Aktion zur Werbung von Seiten der Volksgruppe, wie die seinerzeitige „1000 Mann-Aktion”, hat nicht mehr stattgefunden, auch war eine Werbung im eigentlichen Sinne des Wortes niemals notwendig, da un-


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zählige Volkdeutsche von sich aus den Wunsch hatten, nicht in rumänischen sondern deutschen Einheiten ihren Militärdienstpflichten nachzukommen.

So ist es verständlich, daß mit besonderer Freude das am 12. Mai 1943 in Bukarest unterzeichnete SS-Abkommen zwischen der Reichsregierung und der rumänischen Regierung aufgenommen wurde. Obwohl bereits die deutsche Ostfront sich damals schon im „planmäßigen Rückzug” befand, war damit für den Großteil der Volksdeutschen die Erfüllung eines eigenen Wunschtraumes, Angehöriger der Waffen-SS oder der Wehrmacht zu werden, gegeben. Für die Reichsregierung bedeutete das SS-Abkommen sicherlich nicht eine merkbare Stärkung. Auch wurden durch das Abkommen alle bisherigen so zahlreichen Fälle des illegalen Verlassens des Landes legalisiert, indem dieser Personenkreis ebenfalls in die Bestimmungen des Abkommens eingeschaltet wurde.

Die Richtlinien, nach denen die Einreihung der Volksdeutschen in die deutsche Wehrmacht-SS zu erfolgen hatte, die Stellung der zur Wehrmacht-SS Eingereihten, all dies wurde im SS-Abkommen niedergelegt, wobei dortselbst auch bestimmte Rechte und Aufgaben der Deutschen Volksgruppe aus Rumänien festgesetzt worden sind. Es kann gesagt werden, daß sowohl die reichsdeutschen als auch rumänischen Staatsstellen wie auch die Dienststellen der Volksgruppe sich mit einigen wenigen Abweichungen, die stillschweigend genehmigt wurden, streng an das Abkommen gehalten haben, so daß es in der Durchführung zu keinen Schwierigkeiten oder Zwischenfällen kam.

Die Durchführung der Musterungen lag in den Händen des Ersatzkommandos Südost der Waffen-SS mit dem Sitz in Wien. Beauftragter für die Musterung in Rumänien war der Sturmbannführer Dietz; diesem stand ein zahlenmäßig verhältnismäßig kleiner Mitarbeiterstab zur Verfügung, so daß von Seiten der Deutschen Volksgruppe nicht nur alle Ärzte, die die Musterung durchführten, sondern auch Männer zur Erweiterung des Organisationsstabes gestellt wurden. Sturmbannführer Dietz hatte sich eine Außenstelle in Kronstadt im Hotel Krone eingerichtet.

Die Musterungen wurden von mehreren Musterungskommissionen in den Monaten Mai bis August 1943 so durchgeführt, daß jeder Ort Rumäniens, wo Volksdeutsche lebten, aufgesucht wurde. Die Musterung erfolgte nicht nach den Maßstäben zur Musterung für die Waffen-SS, sondern nach denjenigen zur Musterung für die Wehrmacht. Das Ergebnis wurde den Gemusterten sofort bekanntgegeben.

Auf Grund des Musterungsergebnisses erfolgte durch die Außenstelle des Ersatzkommandos in Kronstadt die Ausgabe der Stellungsbefehle, wobei der Stellungsbefehl gleichzeitig für den Einberufenen als Ausreisedokument aus Rumänien galt.

Der Stellungsbefehl lautete für einen bestimmten Tag, an dem der Abtransport von der angegebenen Bahnstation (in der Regel dem Kreisvorort) erfolgte. Der Stellungsbefehl wurde von der Außenstelle des Ersatzkommandos über die Dienststellen der Volksgruppe (Volksgruppenführer, Kreisleitungen, Ortsgruppenleitungen) den Einberufenen ausgehändigt, denen es gemäß SS-Abkommen freistand, die Befolgung der Einberufung abzuleh-


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nen. Es kann gesagt werden, daß mit verschwindend wenigen Ausnahmen der Einberufung Folge geleistet wurde. Wobei nicht zu unterschätzen ist, daß bei der allgemeinen Begeisterung, die für die Deutsche Wehrmacht und die Waffen-SS in allen Schichten der Bevölkerung herrschte, es geradezu als Verrat und als Feigheit bezeichnet worden wäre, wenn ein Volksdeutscher sich geweigert hätte, seiner Einberufung zu folgen. Allerdings muß auch gesagt werden, daß es auch einige übereifrige Amtswalter der Volksgruppe gegeben hat, die Männer, die nicht mit der gleichen Begeisterung wie sie die SS-Aktion betrachteten, nicht durch vernünftige Zureden, sondern durch schroffes Anbrüllen zu überzeugen versuchten. Es ist mir aus eigener Wahrnehmung der Fall eines Landsmannes aus Neppendorf neben Hermannstadt bekannt, der, als man erfuhr, daß er dem Stellungsbefehl nicht Folge leisten will, vom Gauleiter vorgeladen wurde, in der Gauleitung erschien und dort im Vorzimmer vom Gauleiter persönlich geohrfeigt wurde. Zurückgekehrt nach Neppendorf, hat er sich dann, wahrscheinlich aus Scham oder Angst, aufgehängt. Das waren, es muß aber nochmals betont werden, wenige Ausnahmen oder sogar ein einmaliger Fall.

Auch aus Strafanstalten mußten, laut Abkommen, diejenigen Volksdeutschen, die sich freiwillig erklärt hatten, zur Wehrmacht-SS einzurücken, mitgenommen werden. Aus der größten und gleichzeitig modernsten rumänischen Strafanstalt in Aiud/Siebenbürgen (Fassungsraum etwa für 800 bis 1000 Strafgefangene) mußten zwölf Häftlinge von der Volksgruppe übernommen und einem Transport eingegliedert werden. Davon waren acht politische Häftlinge (Fahnenflüchtige) und vier Kriminelle.

Nach Abwicklung eines jeden Transportes wurde über die Dienststellen der Volksgruppe den zuständigen rumänischen Ergänzungsbezirkskommandos das Verzeichnis derjenigen vorgelegt, die zur Waffen-SS übernommen wurden, damit auf deren Matrikelblatt die erforderliche Eintragung (Detatşat la armata germană, conform ordinului Marelui Stat Major Nr. . . . = Abkommandiert zur Deutschen Wehrmacht gemäß Befehl des Großen Generalstabs Nr. . . .) vorgenommen wird. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die mit der „1000 Mann-Aktion” der Waffen-SS Zugeführten bei den rumänischen Ergänzungsbezirkskommandos ordnungsgemäß ausgetragen. Außerdem auch alle, die in den vorangegangenen Jahren illegal das Land verlassen hatten, um in deutschen Einheiten Militärdienst zu leisten oder in dem Arbeitseinsatz eingesetzt zu werden.

Nach Abschluß der Musterungen in einem Kreis wurden von der Außenstelle des Ersatzkommandos in Kronstadt die Stellungsbefehle erlassen, womit gleichzeitig der geschlossene Abtransport mit der Eisenbahn der Freiwilligen verbunden war. Alle hierzu notwendigen Vorarbeiten, wie Beschaffung der Eisenbahnwaggons, Zusammenstellung von Sonderzügen, Verpflegung für den Transport, Übernahme von Lei-Beträgen, deren Gegenwert in Wien als RM ausgezahlt wurde, technische Abwicklung an der Grenze, lagen bei den verschiedenen Dienststellen der Deutschen Volksgruppe in Rumänien, die diese Aufgaben in Zusammenarbeit mit der Außenstelle des Ersatzkommandos löste. Für den Abtransport als solchen sammelten sich die Freiwilligen gemeindeweise gewöhnlich am Kreisvorort, wo die


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Einwaggonierung erfolgte. Dies war für die Gesamtbevölkerung des Kreises ein Festtag. Die Freiwilligen kamen aus den Gemeinden blumengeschmückt und mit ihren Blasmusiken an der Spitze zu dem Sammelplatz, wo in einer Feier die Verabschiedung der Freiwilligen erfolgte.

Bei dieser Feier waren nicht nur die Spitzen der Volksgruppenführung und der Außenstelle des Ersatzkommandos Südost, sondern auch die Spitzen des rumänischen Militärs und der staatlichen wie städtischen Stellen vertreten. Außer einem Vertreter der Volksgruppe, der Waffen-SS und der Freiwilligen sprachen bei diesen Kundgebungen, die auf den Sportplätzen im Freien abgehalten wurden, auch Vertreter des Staates und des rumänischen Militärs. Anschließend an diese Feiern marschierten dann die Freiwilligen mit Blasmusiken und von der Bevölkerung begleitet zu dem Verladebahnhof und wurden auf diesem Weg vielfach mit Blumen überschüttet. Die Eisenbahnwaggons waren von den Freiwilligen und ihren Angehörigen bereits vorher festlich geschmückt worden und mit heiteren Versen und Zeichnungen versehen. Die Freiwilligen einer kleinen Gemeinde neben Hermannstadt, der Gemeinde Bussd, schrieben in sächsischem Dialekt auf ihren Eisenbahnwaggon z. B.: „Holt Dich, Stalin, un der Grunn, denn de Bussder kunn” (Sorg Dir, Stalin, auf den Bart, denn die Bussder kommen).

Die Transportführung bestand aus einem Transportführer, den die Außenstelle des Ersatzkommandos stellte, sowie aus einem Arzt, in der Regel einem Volksdeutschen, der als Arzt zur Waffen-SS einrückte. Zwecks Abwicklung der Grenzformalitäten wurde jeder Transport auch noch von einem Amtswalter der Volksgruppe bis zur Grenze begleitet. An der Grenze wurden die Transportzüge von einem Vertreter des Innenministeriums und der zuständigen Polizeipräfektur sowie von den zuständigen Zollbeamten abgefertigt. Da die Freiwilligen keine rumänischen Personalausweise mitnehmen durften, konnten sie sich allein durch den Stellungsbefehl, der als Ausreiseausweis galt und der nicht mit einem Lichtbild versehen war, ausweisen. Es wurden von den rumänischen Grenzstellen lediglich Stichproben in der Weise gemacht, daß für einige Freiwillige bei der ihrem Wohnsitz zuständigen Polizeipräfektur oder Gendarmerieposten telefonisch nachgefragt wurde, ob deren Einbeziehung zur Waffen-SS vorgesehen sei. Ganz großzügig waren auch die Zollbehörden. Der Waggon des Arztes wurde niemals kontrolliert, da die Zollbeamten wußten, daß er bei jedem Transport mit Lebensmitteln für deutsche Lazarette vollgeladen war.

Alle Transporte kamen nach Wien und wurden dort vom Ersatzkommando Südost der Waffen-SS übernommen. Ganz anders war der Empfang in Wien im Vergleich zum blumenumsäten Abtransport aus der Heimat. Dort waren die Freiwilligen aus Rumänien wegen dem guten Speck und sonstigen Lebensrnitteln, wegen ihren reichlichen Zigaretten bekannt und wurden von hungernden Menschen empfangen, die ihnen Speck und Zigaretten abbettelten. Das war der Anfang von zahlreichen Enttäuschungen, denen die Volksdeutschen Freiwilligen, die mit glühender Begeisterung nach Deutschland kamen, fortan ausgesetzt waren.

In Wien erfolgte beim Ersatzkommando eine Nachmusterung und die Zuteilung zu den verschiedenen Truppenteilen. Die rund 60 000 Freiwilligen


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aus Rumänien kamen zum größten Teil zum Germanischen Panzerkorps (17000 Mann), zur Division „Prinz Eugen” und zur Leibstandarte, wo die Volksdeutschen aus Rumänien in Anerkennung ihres besonders tapferen Einsatzes die erste Kompanie unter Führung des Hauptsturmführers Erich Müller bildeten.

Die bei der Nachmusterung Untauglichen kamen in die Rüstungsindustrie; sie hatten nicht die Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren, was sie auch nicht gerne getan hätten, weil sie dort sicherlich als tauglich befunden zur rumänischen Armee eingegliedert worden wären.

Im allgemeinen muß gesagt werden, daß die Ausbildung der Freiwilligen äußerst oberflächlich und mangelhaft war. Sie wurde ohne Gründlichkeit vorgenommen, da der Nachschub an Menschen an die Front rollen mußte. So erzählte mir ein Freund, der schon längere Jahre bei der Waffen-SS war: Als er an einem ruhigeren Abend an der russischen Front aus seinem Panzer stieg, um sich nach seinen Männern umzusehen, hörte er plötzlich sächsisch (unseren Dialekt) sprechen. Er ging näher und stellte fest, daß es zwei Landsleute waren, die seiner Einheit neu zugeteilt wurden. Diese unterhielten sich untereinander, wie wohl ihre Maschinenpistole zu handhaben sei, da sie so eine noch niemals in der Hand hatten. Dem ist es wahrscheinlich auch zuzuschreiben, daß der Verlust der Volksdeutschen aus Rumänien bei der Waffen-SS über dem deutschen Durchschnitt lag. Bemerkt muß noch werden, daß die Freiwilligen mit ihrem in der rumänischen Armee innegehabten Dienstgrad übernommen wurden und auch ihre rumänische Staatsangehörigkeit nicht aufgaben oder verloren haben. Angehörige der Wehrmacht und Luftwaffe und vielfach auch diejenigen, die im zivilen Arbeitseinsatz standen, mußten Anträge auf Einbürgerung stellen, was von Angehörigen der Waffen-SS nicht verlangt wurde.

In Kronstadt war eine Außenstelle des Fürsorge- und Versorgungsamtes der Waffen-SS unter Leitung des Hauptsturmführers Hauser eingerichtet. Die Aufgabe dieser Außenstelle lag in der Ausstellung der Feststellungsbescheide über Versorgungsberechtigung der Angehörigen. Die monatlichen Versorgungsbezüge waren nach den reichsdeutschen Sätzen festgesetzt. Die Auszahlung erfolgte über die Dienststellen des Amtes für Volkswohlfahrt der Deutschen Volksgruppe. Eine Ausnahme bildeten die Angehörigen der Wehrmacht und der Luftwaffe, die über die deutsche Gesandtschaft in Bukarest, später über die deutsche Stadtkommandantur in Bukarest ihre Bezüge erhielten.

Da die Sätze für rumänische Verhältnisse sehr hoch waren und auch die notwendigen Devisen fehlten, wurde nur ein Teil, nach der Bedürftigkeit einzelner Versorgungsberechtigter, in bar ausgezahlt, der Restbetrag wurde dem Waffen-SS-Angehörigen auf ein Bankkonto (Sperrkonto) in Deutschland eingezahlt. Die Folge war, daß fast alle, deren Angehörige den Familienunterhalt nicht ausbezahlt erhielten, Antrag auf Kriegsbesoldung stellten und auf die Versorgung verzichteten. Das Fehlen der Devisen veranlaßte das Amt für Volkswohlfahrt der Volksgruppe, die Versorgungsbezüge selbst auch für zwei Monate zu bevorschussen.


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Bei der Außenstelle des Fürsorge- und Versorgungsamtes der Waffen-SS waren ständig drei Offiziere damit beschäftigt, gegebenenfalls Gefallenenanzeigen persönlich an die Angehörigen zu überbringen. Selbst bei Erfüllung dieser Aufgabe wunderten sich diese Offiziere über die vorbildliche Haltung der Angehörigen, deren Idealismus und Begeisterung für Deutschland auch das schwerste Opfer der Familie mit beachtlicher Würde aufnahm. Die Hinterbliebenen erhielten selbstverständlich die Versorgungsbezüge voll ausbezahlt.

In Kronstadt hatte auch die Feldpost eine Außenstelle, nachdem der Briefverkehr zwischen Angehörigen und Soldaten über die rumänische Post nicht zugelassen war. Die Postvertellung erfolgte durch die Dienststellen der Volksgruppe. Auch der Paketverkehr ging über die Außenstelle des Feldpostamtes.

Schließlich und endlich war in Wien ein SS- und Polizeiheim für Südostdeutsche unter der Leitung des Hauptsturmführer Götz eingerichtet. Die Unterhaltung dieses Heimes erfolgte zum Teil aus Reichsmitteln, zum anderen Teil ausschließlich durch die Volksgruppe aus Rumänien (in der Hauptsache durch Lebensmittel und Rauchwaren).

Ihren Urlaub konnten die Volksdeutschen in der Heimat verbringen, was aber oft nicht möglich war, da häufig für Rumänien Urlaubsperre bestand. In solchen Fällen wurden die Urlauber in Wien durch die Bahnhofspolizei an der Weiterfahrt gehindert.

Ein etwas schwieriges Problem, wenn auch nicht in großer Anzahl, bedeuteten die Fahnenflüchtigen aus den Waffen-SS-Einheiten. Da im SS-Abkommen vorgesehen war, daß die Einreihung zur Waffen-SS eine freiwillige ist, haben sich hauptsächlich rumänische Gendarmerieposten auf den Standpunkt gestellt, daß Urlauber, die nicht wieder zu ihrer Einheit zurückkehren wollen, von rumänischen Stellen in Schutz zu nehmen sind. So war es bei Fahnenflucht nach Rumänien nur noch möglich, den Fahnenflüchtigen in das Fahndungsbuch einzutragen, ohne daß man ihn dem Kriegsgericht übergeben konnte. Verständlicherweise häuften sich die Fälle von Fahnenflucht gegen Ende des Krieges immer mehr, ohne allerdings eine nennenswerte Anzahl zu erreichen. Auch in Fällen von Fahnenflucht haben übereifrige Amtswalter der Volksgruppe die Fahnenflüchtigen selbst in einer Weise zu züchtigen und zur Verantwortung zu ziehen versucht, die ihnen nicht zustand.

Der Vf. beschließt seinen Bericht mit einer allgemeinen Würdigung des Volksdeutschen Einsatzes im Kampf gegen den Bolschewismus.


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