Nr. 21: Evakuierung der Gemeinden Katzendorf und Draas durch vorstoßende deutsche Truppen.

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Erlebnisbericht des S. B. aus Katzendorf (Caţa), Plasa Rupea (Reps), Judeţ Târnava-Mare (Groß-Kokel) in Süd-Siebenbürgen.

Original, 5. April 1956, 4 Seiten, hschr., Teilabdruck.

In meiner Heimatgemeinde Katzendorf wurde schon vor dem 23. August 1944 öffentlich darüber gesprochen und der Befürchtung Ausdruck gegeben, der König Michael wolle zu den Russen übergehen. Als dann Ende August der Zusammenbruch erfolgte, gab es schwere Tage für uns Sachsen. Unter anderem wurde öffentlich publiziert, wir dürften nicht mehr deutsch sprechen mit den versprengten und sich zurückziehenden deutschen Soldaten. Es sind gewiß nicht wenige, welchen der Weg zur ungarischen Grenze gezeigt wurde und denen Brot und Speck verabreicht wurde.

Den 7. September 1944 hörten wir plötzlich Schüsse von Nordosten her. Deutsche Truppenteile jagten die Grenzpolizei zwischen Draas1 und Katzendorf in die Flucht. Sachsen, die seit einigen Tagen ihre Fuhrwerke bereit halten mußten, beförderten die Sachen der Grenzpolizei und des Gemeindeamtes nach Südosten über Hamruden. Kurze Zeit darauf rückten deutsche Soldaten in Katzendorf ein, es waren nicht viele. Die Männer des Ortes wurden zusammengerufen; von einem deutschen Offizier wurde angeordnet, daß sämtliche deutschen (sächsiche) Bewohner des Ortes evakuiert werden müßten. Nachdem wir vorher nichts gehört hatten von der Aussiedlung der Siebenbürger Sachsen, gab es ein überstürztes Packen der Habseligkeiten. Da wir von dem Herannahen der rumänischen Truppen gehört hatten, war


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von vielen Sachsen Vorsorge getroffen worden; bessere Kleider u. a. m. wurde eingemauert oder vergraben, um dieselben vor dem Raub oder vor dem Verbrennen zu bewahren, denn wir glaubten, es käme zu einer Schlacht zwischen deutschen und rumänischen bzw. russischen Truppen. Die deutschen Soldaten gingen von Hof zu Hof und forderten die Menschen auf zur Eile, denn der Feind komme schon näher. Vielerorts war nur die Frau mit den Kindern zu Hause. In der Hast wußte man nicht recht, was mitzunehmen war. Von dem nahen Berg neben der Gemeinde gingen die Geschosse schon auf unsern Bahnhof — schon wieder wurde zur Eile gemahnt. Die zwei besten Pferde hatte mir das rumänische Militär weggenommen, mit den zwei schwächeren machten wir uns auf den langen Weg. Als wir zum Hoftor herauskamen, forderte uns ein Offizier auf: „Nehmen Sie doch auch das andere Vieh mit!” Drei Milchkühe, vier Jungkühe wurden aus dem Stall befreit und mit nach Draas getrieben. Vier Mastschweine, Hühner und Gänse blieben auf dem Hof zurück.

Es reihte sich Wagen an Wagen bis nach Draas. Es wunderte mich, daß die rumänische Artillerie uns nicht beschoß, die südöstl. von Katzendorf auf Hamrudener Hattert1, auf dem „Hohen Rennen” aufgefahren war. In Draas angelaugt, erfuhren wir, daß die Draaser schon früher von der geplanten Evakuierung gewußt hatten. Den nächsten Morgen, den 8. Sept. 1944, ging es gemeinsam mit den Draasern mit vielen Fuhrwerken, die meisten mit Pferden bespannt, wenige Ochsenwagen, nach Nordosten durch die uns wohlbekannten Szeklergemeinden: Jánosfalva, Dálga. In Blkafalva überließ ich meine Kühe einem Bauern mit dem schriftlichen Vertrag, wenn ich bis Weihnachten zurückkehren sollte, bekäme ich die Hälfte zurück, sonst blieben alle ihm zum Eigentum. Eine junge Milchkuh nahmen wir am Pferdewagen angebunden mit, diese hat uns noch manchen guten Tropfen Milch gespendet in den nächsten 2—3 Wochen, bis ich dieselbe abgeben mußte, weil sie nicht mehr mitkommen konnte mit dem Pferdewagen.

In der Nähe von Marosvásárhely [Neumarkt] hörten wir, daß der Treck von Zendersch oder Zuckmantel bombardiert worden sei2. In Deutsch-Zepling neben Sächsisch-Reen wurde angeordnet, daß sämtliches Hornvieh abgeliefert werden müßte. Die Ochsenfuhrwerke wurden entladen und alle Personen davon mit der Bahn weiter befördert, nur Pferdefuhrwerke aus Draas und Katzendorf bildeten nun weiter einen Treck. 3—4 Soldaten waren unsere Begleiter auf dem weiteren Weg bis in die Ostmark. Dieser Begleitmannschaft muß ein sehr gutes Zeugnis ihrer Pflichterfüllung ausgestellt werden, denn sie hat uns auf dem beschwerlichen Weg von 6—7 Wochen langer Dauer bestens geführt. Es ging durch ganz Ungarn: über die Theiß, Budapest blieb links, Györ an der Donau hinauf bis an die tschechoslowakische Grenze, dann 20 km südlich von Wien, St. Polten bis nach Amstetten in Niederösterreich. Dort wurden wir auf die umliegenden Gemeinden gruppenweise aufgeteilt und einquartiert. — Die Einquartierung ging auch nicht reibungslos vonstatten. Es gab nicht wenige Einheimische, die uns mit scheelen Augen ansahen. Sieben Wochen lang hatte die Fahrt von


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Siebenbürgen bis nach Amstetten gedauert. Dank der guten Führung hatten wir keine Menschenleben zu beklagen, außer kleineren Unfällen war die lange Fahrt mit den Fuhrwerken besser abgelaufen, wie die Bahnfahrt der anderen, die zeitweise tagelang auf offener Strecke halten mußten. Einmal wurden wir von Fliegern beschossen, die es jedoch mehr auf einen vorbeifahrenden Eisenbahnzug abgesehen hatten, so daß wir glimpflich davonkamen.

Der Vf. berichtet abschließend, daß nur etwa 20 Familien aus Katzendorf und Draas im April 1945 mit den vor der Roten Armee zurückweichenden deutsdien Truppen in den Raum Salzburg überführt worden seien. Der größte Teil der Flüchtlinge wurde in der Umgebung von Amstetten von den Russen überrollt und nach Rumänien zurückgeführt1. Der Bericht endet mit kurzen Angaben zur gegenwärtigen Lage.