Nr. 36: Die Verhaftungsaktion der rumänischen Behörden gegen führende Persönlichkeiten der deutschen Volksgruppe im Banat nach dem 23. August 1944; Überführung der Internierten in das Lager Tàrgu-Jiu.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Befragungsbericht nach Aussagen des B. R. aus Perjamosch (Periam), Plasa Periam, Judeţ Timiş-Torontal im Banat.

Original, 22. August 1952, 5 Seiten, mschr., Teilabdruck.

Der Berichterstatter schildert zunächst die bedrohliche Lage der Volksdeutschen und insbesondere der in Perjamosch im Lazarett befindlichen deutschen Soldaten nach dem rumänischen Frontwechsel vom 23. August 1944 und fährt dann fort:

Einige Tage nach der rumänischen Kapitulation ließ mich der Gendarmeriepostenführer D. herausrufen1. Er sagte mir, ich möchte doch auf einen Augenblick auf seine Dienststelle kommen, wo er mir eine wichtige Mitteilung zu übergeben habe. Ich habe gleich Verdacht geschöpft und meinem Mitarbeiter L. mitgeteilt, daß ich jetzt zur Gendarmerie gehe. Sollte ich in 10 Minuten nicht zurück sein, so darf niemand mehr einer Gendarmerie-Vorladung folgen.

Vor der Gendarmerie-Kaserne stand ein Posten mit aufgepflanztem Seitengewehr, was sonst nicht üblich war. Auf der Dienststelle empfing mich Gendarmeriewachtmeister P., der mich mit Händedruck begrüßte. „Wir sind in einer gefährlichen Situation. Wir befinden uns in den Händen der Kommunisten.” Ich antwortete: „Das wird wohl nicht das Traurigste sein. Die Lage wird sich wohl noch zu unseren Gunsten ändern.” P.: „Das Traurigste ist, daß ich Sie verhaften muß.” Ich: „Warum?” Er: „Heute


177

Nacht habe ich telephonisch Befehl erhalten, in meinem Bezirk in jeder deutschen Gemeinde drei führende deutsche Persönlichkeiten festzunehmen.” Inzwischen verließen die Soldaten truppweise Perjamosch1. Er: „Ich werde Sie bei der Gendarmerie-Legion unterstützen. Wenn die Deutschen wiederkommen, sollen Sie uns auch helfen.” Er hat mir ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Er verständigte meine Frau, die mir Essen brachte. Kurz darauf wurde auch Lehrer H. in meine Stube geführt. H. beteuerte D., er möge ihn freilassen, da er keine Funktion ausübte.

Gegen 16 Uhr sagte uns D., wir würden nach Temeschburg eingeliefert. Schmilz2 rief laut: „Leuť, seht ihr, den R. und H. führen sie schon ab!” Ich: „Nach uns kommt ihr ran.” Wir wurden von 2 Posten abgeführt. Auf Intervention des Rumänen S. bat mich der Bahnhofsvorsteher, ich möge mich doch in sein Büro begeben, um mich nicht den Blicken der Umstehenden preiszugeben.

Der Zug war überfüllt. Der Posten wollte uns in der I. Klasse unterbringen, jedoch setzte uns der Zugschaffner in Billed ab. Darauf bat uns der Posten, wir möchten selbst die Karten lösen. Wir taten es. Mit dem nächsten Zug fuhren wir mit. Im Zug traf ich noch andere Geiseln an: die Ortsgruppenführer von Lovrin (W.) und von Alexanderhausen.

In Temeschburg wurden wir zur Legion geführt. W. wurde sofort entlassen. Der Offizier vom Dienst sagte, er werde persönlich in Perjamosch über unser Betragen Erkundigungen einziehen. Hier blieben wir drei Tage. Darauf wurden wir in die Hunyadi-Kaserne geführt. Dort traf ich etwa 60 Personen an: Der Berichterstatter nennt mehrere Namen, darunter den des Kreisleiters von Temeschburg, S. K.

Hier wurden wir nicht vernommen. In Temeschburg habe ich gesehen, daß man deutsche Soldaten entwaffnet hatte. Hier lagen wir eine Woche.

K. hat unter den Geiseln einen vertrauten Kreis gebildet. Ihm wurden geheime Flugblätter von General der Waffen-SS Phleps und Volksgruppenführer Schmidt zugeleitet. K. sagte mir, er sei deshalb nicht geflohen, damit man nicht andere an unserer Stelle verhaftete. K. teilte uns mit, daß wir in ein Lager kommen. Sollte es aber über Lugosch hinausgehen, so würden wir das Zugpersonal überfallen, um uns zu befreien. Viele der Geiseln waren ängstlich und widersprachen. K. sagte: „Es geht auf Leben und Tod.” Wenn einer nicht mitmachen wollte, so schade es seiner und der Freiheit seiner Kameraden.

Nach einer Woche, abends 22 Uhr, wurden wir einwaggoniert. Die Fahrt ging nach Craiova. In Hermannstadt flohen K. und Ing. G. und andere (14 Personen) durch den Mut von K. Ich war leider nicht in seinem Waggon. In Craiova kamen wir nach Târgu-Jiu in das ehemalige Konzentrationslager für Kommunisten, die bereits befreit waren. Wir waren die ersten „faschi-


178

stischen” Gäste. Neben uns waren noch einige Madjaren drin. Hier wurden wir nicht schlecht behandelt. Die Verpflegung haben wir uns selbst bezahlt.

Nach einer Woche kam eine Gruppe aus der Arader Gegend (Kreisleiter T. usw.). Nachher kamen auch die reichsdeutschen Internierten (Gesandtschaftspersonal).

Hier haben wir die ersten Russen gesehen. Ein Oberleutnant der Wache hat seine Tochter in unser Lager gesteckt, damit sie von den Russen nicht vergewaltigt werde. Ein russischer Offizier kam mal ins Lager und suchte Andreas Schmidt. Aus Siebenbürgen waren im Lager Kreisleiter H. u. a. Das Lager ging vorerst nicht in russische Verwaltung über.

Erst nach Neujahr 1945 hat man mit der genaueren Karteierfassung begonnen. Bis zum Jahrgang 1899 wurden wir alle in eine abgetrennte Baracke gebracht. Hier wurden wir strengstens bewacht. Kurz darauf wurden wir in Waggons verladen. Das Zugbegleitpersonal war bereits russisch. Am 13. Januar 1945 fuhren wir, über 2000 Reichs- und Volksdeutsche, nach Jassy. Bei der Übernahme war den Russen nicht der Name, sondern die Zahl wichtig. Als einer weglief, hat der russische Kommandant einen rumänischen Soldaten in den Wagen gesteckt. In Jassy traf ich Jugoslawiendeutsche und einige Landsleute, die nach Rußland verschleppt wurden.

Am 2. Februar wurden wir, Reichs- und Volksdeutsche gemischt, in russischen Waggons nach Kriwoi-Rog einwaggoniert.