Nr. 37: Die Entwicklung in Reschitza und Steierdorf-Anina nach dem 23. August 1944; Besetzung Steierdorfs durch deutsche Truppen und Evakuierung der Volksdeutschen Bevölkerung; Transport nach West-Ungarn und weiter nach Deutschland.

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Befragungsbericht nach Aussagen des B. N. aus Reschitza (Reşiţa), Jndeţ Cara; (Karasch) im Banat,

Original, 3. Februar 1953, 6 Seiten, mschr. Teilabdruds.

Der Vf. befaßt sich zunächst eingehend mit der allgemeinen Lage, insbesondere mit der politischen Einstellung der vorwiegend in der Metallindustrie beschäftigten deutschen Bevölkerung von Reschitza, ivobei er erwähnt, daß sich in der sozialdemokratisch gesinnten deutschen Arbeiterschaft auch eine kommunistische Zelle gebildet hatte.

Am Morgen nach der rumänischen Kapitulation (24. August 1944) fuhr ich mit einem Personenkraftwagen aus Steierdorf, wo ich mein Wohnhaus hatte, nach Reschitza. Das Leben spielte sich noch normal ab. Am Vormittag gegen 9 Uhr erschien ein deutscher Flieger über der Stadt. Die rumänische Polizei hat den Befehl gegeben, die Bevölkerung solle unverzüglich die Luftschutzkeller aufsuchen. Wir Deutschen fanden die Maßnahme lächerlich, aber der Polizeichef, ein Rumäne, sagte: „Wenn die Deutschen nicht in die Luftschutzkeller wollen, dann wird auf sie geschossen.” Ich ahnte etwas Böses. Mein Fahrer kam ins Büro und sagte, es dürfe kein Deutscher mehr die Stadt verlassen. Rumänien habe kapituliert. Die „Si-


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guranţa” (rumänische Polizei) hat mir aber doch die Erlaubnis gegeben. Als ich nach Hause kam (nach Steierdorf), erfuhr ich, daß durch Trommelschlag bekanntgegeben worden war, daß Radiogeräte und Fahrräder abzugeben seien. Am Nachmittag wurden bereits der Ortsgruppenleiter Karl Sch. und andere politisch führende Persönlichkeiten der Volksgruppe verhaftet und im Gasthaus Frank in Anina eingesperrt. Die verhafteten Deutschen, etwa 23 Personen, kamen nach einigen Tagen nach Craiova und wurden von dort aus nach Rußland geschleppt.

Ich lieferte am nächsten Morgen meinen Apparat bei der Gendarmerie ab, konnte aber feststellen, daß Leute sogar ihre Nähmaschinen abliefern wollten, weil sie unter Maschinen auch Nähmaschinen verstanden haben. Die Bekanntmachung lautete: „Alle Maschinen sind abzuliefern.” Die rumänischen Flaksoldaten, die auf den deutschen Flieger nicht geschossen hatten, wurden ebenfalls verhaftet.

Bis zum 14. September ereignete sich nichts Besonderes. Man konnte nicht mehr nach Reschitza. Die Stadt war vom Militär gesperrt. In die Nachbarortschaften wie Anina konnte man ohne Erlaubnis gehen. Anfang September 1944 wurde von der Gendarmerie bekanntgegeben, man möge die Russen, wenn sie erscheinen sollten, mit Blumen empfangen und sie herzlichst begrüßen. Das Gemeindeamt wurde von einem Rumänen kommissarisch geleitet. Die Gewalt wurde allein von der Gendarmerie ausgeübt.

Am 14. September 1944 zog eine lange rumänische Kolonne durch die Gemeinde. Die rumänischen Behörden verließen die Präfekturstadt Orawitza und zogen ins Gebirge. Ich hörte, als ein rumänischer Oberst auf die Frage, was denn eigentlich los sei, antwortete: „Die Deutschen haben die Grenzen überschritten und stehen vor Orawitza.”

Am nächsten Tage (15. September 1944) kam es am Vormittag zu einem kleinen Feuergefecht, und die Rumänen zogen sich zurück. (Anschließend wurde der Ort von deutschen Truppen unter einem Major besetzt.) Die kämpfenden rumänischen Soldaten wurden von uns nett bewirtet. Einer erklärte mir, es sei doch töricht, daß die rumänische Armee gegen die Deutschen kämpfe, wo doch die beiden Völker verbündet gewesen wären und soviel Gemeinsames gegen den Kommunismus geleistet hätten. Die rumänische Armee hatte bei den Kämpfen zwei Tote zu beklagen, die entgegen dem Befehl des deutschen Majors, der die bejubelten deutschen Soldaten befehligte, von der deutschen Bevölkerung beerdigt wurden.

Am Abend ließ der Major in den einzelnen Straßen des Ortes bekanntgeben, daß sich die deutsche Bevölkerung auf eine dreitägige Evakuierung nach Jugoslawien vorbereiten solle. Der Abtransport werde am nächsten Morgen (16. September 1944) 8 Uhr erfolgen. Er werde bei Widersprüchen Zwang anwenden. Wir trafen zu befohlener Zeit beim Abfahrtsort, der Kirche am Marktplatz, ein. Bis zum Abend des 16. September wurden etwa 4000 Personen auf Lastkraftwagen nach Orawitza gefahren. Etwa 2500 Personen legten die Strecke zu Fuß zurück. Zurück blieben in Steierdorf-Anina etwa einige Hundert Menschen.

Aus Orawitza wurden wir am nächsten Tage nach Alibunar im jugoslawischen Banat gefahren. Von Werschetz wurden wir in verschiedene,


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zum Teil offene Güterwagen nach Ungarn verladen und wurden auf einige Ortschaften des Veszprémer Komitats verteilt. Es hieß hier noch immer, daß wir in Bälde nach Hause kämen.

Aber nach 14 Tagen wurden wir einwaggoniert und nach Deutschland gebracht. Der Transport von der ungarischen Grenze an war gemischt, es befanden sich unter uns sogar russische Emigranten.

Auf dem Transport hatten wir Steierdorfer meines Erachtens 20 bis 25 Tote zu beklagen. Ich glaube, ich war der einzige Reschitzer Deutsche, der im September 1944 die Stadt hat verlassen können.