Nr. 39: Die Ereignisse nach dem rumänischen Frontwechsel in Tschene; Internierungsaktion; Besetzung des Ortes durch deutsche Truppen und Evakuierung der Volksdeutschen Bevölkerung.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Befragungsbericht nach Aussagen des Josef Hahn aus T s c h e n e (Cenei), Plasa Jimbolia (Hatzfeld), Judeţ Timiş-Torontal im Banat.

Original, 20. Januar 1953, 7 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Der Berichterstatter gibt zunächst Auskunft über die allgemeinen Beziehungen zwischen den verschiedenen Nationalitäten in Tschene. Das Verhältnis der Deutschen sei besonders zu den Kroaten sehr freundschaftlich gewesen.

Am Tage der rumänischen Kapitulation sah die Situation in Tschene wie folgt aus: Der überwiegende Teil der männlichen deutschen Bevölkerung stand unter Waffen. Von den führenden Persönlichkeiten der Ortsgruppe waren nur zwei in der Gemeinde anwesend.

Am 24. August 1944 wurden von den Deutschen die Rundfunkgeräte und Fahrräder eingezogen. Weiterhin wurde den deutschen Landwirten befohlen, die in der Ortschaft befindlichen rumänischen Flüchtlinge aus der Gegend von Jassy nach Temeschburg zu transportieren. Der Gendarmerie-Vorsteher, der früher serbische Kommunisten mit Eifer verhaftete, rief eine Versammlung für Deutsche ein und gab bekannt, man möge die Ruhe bewahren. Inzwischen wurden dem Bürgermeister, dem Gendarmerie-Führer und dem Stationsvorstand Stellvertreter aus Temeschburg beigeordnet. Einige Tage darauf wurden die führenden deutschen Persönlichkeiten, ohne Rücksicht auf ihre politische Linie, verhaftet. Diese elf Verhafteten, unter ihnen befand auch ich mich, wurden zum Temeschburger „Cerc” eingeliefert. Hier wurden etwa 300 führende Deutsche aus dem Temeschburger Kreis zusammengebracht. Die politischen Führer, wie Ortsgruppenleiter, wurden abgesondert. Ein Kanzleifeldwebel erklärte den übrigen folgendes: „Gestern waren wir Freunde der Deutschen und Feinde der Juden, heute sind wir Feinde der Deutschen und Freunde der Juden.” Wir wurden mit der Bemerkung entlassen, wir möchten keine politischen Gegenaktionen unternehmen und die Ordnung und Ruhe in den Gemeinden bewahren. Die Verhafteten wurden in der Pionierkaserne untergebracht. Als sich die Zahl der Verhafteten auf etwa 250 erhöhte, wurden sie nach dem rumänischen Altreich gebracht. Zu acht fuhren wir nach Tschene zurück; etwa am 10. September 1944 wurden wir acht wieder verhaftet, wir kamen nach Temeschburg und kamen am selben Tage wiederum nach Hause.

Zu dieser Zeit mußten die Einwohner die Gendarmerie verstärken, auch Volksdeutsche, darunter ich. In der Ortschaft waren bereits durch die Anhänger von Kumanow1 kommunistische Plakate an Gebäuden aufgeklebt und Flugblätter verteilt [worden]. Während meines Wachdienstes sprach ich mit Kumanow und seinem Volksdeutschen Anhänger Peter Gehl, der aus


190

Temeschburg Propagandamaterial und Waffen brachte. Er sagte, die Russen kommen bald. Am nächsten Tag kam aber deutsches Militär, um die Ortschaft zu besetzen. Peter Gehl nahm an, es handle sich um sowjetisches Militär. Er hißte die um seinen Leib versteckte Sowjetfahne an eine Latte und ging seinen vermeintlichen Befreiern, die Fahne schwenkend, entgegen. Er wurde verhaftet und standrechtlich in Gertianosch erschossen.

Mit den deutschen Truppen kamen auch Funktionäre und Mannschaften aus dem jugoslawischen Banat. Sie gingen besonders scharf gegen die einheimischen Serben vor. Es wurden vier serbische Männer und die 15jährige Tochter des Obrad Kumanow gefesselt. Fräulein Kumanow wurde aber auf Intervention einheimischer Deutscher wieder freigelassen. Die Männer wurden abgeführt und davon zwei erschossen. Dies machte unsere Lage unhaltbar.

Am 16. September requirierte dieses Kommando sämtliche serbischen Transportmittel. Ich habe auf Ansuchen die Leitung der deutschen Geschicke in der Gemeinde übernommen. Nachdem mir mitgeteilt worden war, daß man uns evakuieren wolle, ging ich zum Kommandanten der Truppe und ersuchte ihn, uns doch Fuhrwerke zurückzulassen. Ich sollte am 17. September 1944 in Gertianosch welche bekommen. Hier war die Evakuierung im Gange. Ich meldete mich beim Evakuierungskommando, wo sich 6 bis 7 SS-Offiziere befanden. Ich bekam einen Evakuierungsbefehl, fuhr heim und traf zu meiner Freude den ehemaligen Ortsgruppenleiter R. an, der geflohen war. Er hatte die Evakuierung vorbereitet, die ihm vom Evakuierungskommando Gertianosch telefonisch durchgesagt wurde.

Die Deutschen der Gemeinde haben sich etwa zu vier Fünftel an der Flucht beteiligt. In Klári (Jugoslawien) erwarteten uns einige Mann deutsches Militär, die uns die Anweisung gaben, nach Deutsch-Tschernja1 zu fahren. In Deutsch-Tschernja übernachteten nach der am Morgen des 18. September stattgefunden Zählung 35 000 Flüchtlinge. Von Ungarisch-Tschernja2 überholte uns ein Auto mit vier SS-Offizieren, die mir anbefahlen, die Flüchtlinge der Gemeinde Tschene in Ungarisch-Tschernja einzuquartieren und 40 bis 45 freiwillige Männer nach Tschene zurückzuführen, damit das zurückgebliebene Vieh betreut und die Partisanen gestört würden, bis die Gemeinden, die zwischen Tschene und Temeschburg lagen, auch evakuiert seien. Diese 45 Mann verblieben in der Gemeinde bis Anfang Oktober.

Zu dieser Zeit zog die aus Griechenland kommende 117. bayrische Panzerdivision unter dem Kommandeur Oberstleutnant Dörner [?]3 vorbei, der mir vertraulich mitteilte, daß die Division nicht den Auftrag habe, hier im Banat Stellung zu nehmen, sondern nur auf der Durchreise sei. Er riet mir, mich zwischen West und Ost zu entschließen, und befürchtete, daß der größte Teil der zurückbleibenden Deutschen nach Osten verschleppt würde. Auf Grund dessen sind wir zu unseren Familien in Ungarisch-Tschernja gegangen und sind in der Kolonne der Flüchtlinge gegen Westen gezogen.


191