Nr. 33: Das Schicksal der deutschen Bevölkerung in den Landgemeinden der Iglauer Sprachinsel.

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Bericht des Lehrers Laurenz Hawelka ans Friedrichsdorf bei Iglau.

Original, Ende 1955, 5 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Der erste Teil des Berichtes enthält eine allgemeine Darstellung der Ereignisse beim Einmarsch der sowjetischen Truppen und bei der Internierung der Stadtbevölkerung.

Die Bauern des Igellandes waren beim Zusammenbruch fast 100 % auf ihren angestammten Höfen. Fast niemand war geflüchtet. Außer der bodenständigen deutscheu Bevölkerung waren noch viele Flüchtlinge aus Schlesien in Stadt und Land, die nun von den Tschechen abtransportiert wurden ... Unsere Bauern hatten in den Tagen nach dem 8. Mai 1945 unter den Requirierungen und Ausschreitungen der Soldaten zu leiden. Kaum hatten sich diese etwas beruhigt, erschienen benachbarte Tschechen und Partisanen. Und nun begann eine schreckliche Leidenszeit. Aller kleinlicher persönlicher Nachbarschaftshaß, der sich in den letzten Jahren angesammelt hatte, tobte sich nun auf die deutschen Bauern aus. Mißhandlungen, Folterungen und Morde waren an der Tagesordnung. Besonders schlimm war es in Bergersdorf, Schlappenz, Gießhübel, Altenberg, Stannern u. a., in den von den Tschechen besonders verhaßten Gemeinden. Aber noch waren die Bauern auf ihren Höfen. Erst als man in der Stadt die Deutschen aus ihren Wohnungen trieb1, da begann auf dem Lande der gewaltsame Besitzwechsel. Tschechen erschienen und erklärten sich als neue Herrn des Hofes, der eigene Knecht spielte sich plötzlich als Hofherr auf, und unsere Bauern wurden so über Nacht zu Knechten und Mägden, zu Arbeitssklaven auf ihren eigenen Höfen degradiert. Die meisten zogen in die Gesindekammern um, hatten aber bei all ihrem Elend den Städtern gegenüber doch einen Vorteil: Sie hatten wenigstens doch ein Dach über dem Kopf, hatten etwas Nahrhaftes zum Essen, und es blieben ihnen die Todesmärsche zur Grenze2 erspart.

Dieses Knechtsein am eigenen Hof dauerte meist bis in den späten Sommer 1945 hinein, dann wurden die Bauern und ihre Angehörigen willkürlich in der Gegend zur Zwangsarbeit eingeteilt, wo eben Bedarf bestand. Schon im Sommer waren einige vorwiegend bäuerliche Internierungslager entstanden, meist in den vorhandenen RAD-Barackenlagern3. Das größte


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in Pattersdorf, kleinere in anderen Sprachinseldörfern, so auch in Friedrichsdorf hinter der Säge Ofenböck. Von diesen Unterkünften aus mußte zur Arbeit gegangen werden. Die meisten Bauern arbeiteten aber immer noch auf Höfen, wohnten auch noch dort, sei es nun auf eigenen oder fremden im Sprachinselgebiet oder auf solchen in der tschechischen Umgebung des Igellandes.


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Zu Allerheiligen 1945 war es vielen Bauern noch möglich, die Friedhöfe zu besuchen. Mit dem Jahr 1946 wurde dann auch die Landbevölkerung hauptsächlich in den Lagern Altenberg, Stecken und Pattersdorf zusammengezogen und dort die Abtransporte nach Deutschland zusammengestellt. Von besonderer Tragik für uns Iglauer war es, daß die Bevölkerung des nördlichen Sprachinselteiles großenteils nach Ostdeutschland abtransportiert wurde.