Auch in der Batschka und Baranja ließen sich junge Volksdeutsche während des Balkanfeldzuges von der Waffen-SS und Wehrmacht anwerben oder schlössen sich freiwillig den durchmarschierenden Verbänden an, wäh-
rend in der gleichen Zeit junge Ungarndeutsche zu "Sportkursen" ins Reich geschickt und in die Waffen-SS aufgenommen wurden. Bei der Wehrmacht wurden allein bis zum Dezember 1941 ca. 1500, bei der Waffen-SS ca. 2000 und beim Werkschutz der "Organisation Todt" in Belgrad ca. 2000 Batschka-deutsche registriert 1 . Den neuen ungarischen Behörden blieb der Eintritt in die deutschen Truppen nicht verborgen, ja, nach den Honved-Musterungen wurden von den ungarischen Militärdienststellen Steckbriefe gegen solche Volksdeutsche wegen unerlaubten Aufenthalts im Reich erlassen und einige von ihnen wegen Verletzung der ungarischen Dienstpflicht und unerlaubten Grenzübertritts verurteilt; Volksdeutsche Waffen-SS-Angehörige wurden im Urlaub als Militärflüchtlinge verhaftet. Die ungarische Regierung wurde durch den deutschen Gesandten in Budapest, der ungarische Generalstab durch den deutschen Militärattache beschwichtigt, dennoch wurden die Volksdeutschen, die trotz einer offiziellen Urlaubssperre in ihre Heimat reisten, weiter als Fahnenflüchtige behandelt 2 .
Erst im neuen Jahr wurden durch einen Verbalnotenaustausch zwischen der deutschen und ungarischen Regierung am 24. 2. 1942 die Grundzüge eines Abkommens über die erste von den insgesamt drei Werbungsaktionen der Waffen-SS festgelegt. Ursprünglich hatten sich die Ungarn unter der Voraussetzung, daß der Eintritt freiwillig und mit Einwilligung der Eltern, sowie unter Verzicht auf die ungarische Staatsangehörigkeit erfolge, mit der Werbung von 20 000 Männern der Jahrgänge 1912 bis 1920 einverstanden erklären wollen, da, wie der Honvedminister dem deutschen Gesandten v. Jagow vertraulich erklärte, "ein Abstoßen dieser an sich doch zentrifugalen Kräfte nur der Befriedung dienen könne" 3 . Das Abkommen ließ indessen die staatsrechtlichen Fragen insoweit offen, als der Verlust der ungarischen nicht automatisch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit brachte. Bereits im Juni erklärte sich Ministerpräsident v. Källay mit einer Erhöhung des Kontingents auf 30 000 Männer einverstanden, die bei deutschen Truppen ihrer Wehrpflicht genügen könnten 4 . Bis dahin war die erste Werbung trotz andauernder Behinderung durch die ungarischen Verwaltungs- und Polizeiorgane und starken kirchlichen Widerstrebens schon abgeschlossen worden. Insgesamt 16 527 Rekruten, von denen die Mehrheit aus der ehemals jugoslawischen Batschka kam (9322 Männer),
trafen bis Anfang Mai in Deutschland ein 5 . Während die Werbung im Gebiet Trianon-Ungarns sogleich den Charakter der Freiwilligkeit verlor und massiver Druck des "Volksbundes" vonnöten war, drängten sich in der Batschka und Baranja - wie ebenfalls in den neugewonnenen ungarischen Gebieten der Slowakei und Siebenbürgens - die jüngeren Volksdeutschen zur Musterung. Sie fanden dabei Zustimmung in den donauschwäbischen Gemeinden. So sollen sich bei einer Abschiedsfeier in Neusatz angeblich 25 000 Volksdeutsche zusammengefunden haben. Jedoch fehlte es auch hier bisweilen nicht an Überredung und physischem Zwang gegen Zögernde oder Widerstrebende 6 .
Der unverhohlene Widerstand der ungarischen Behörden gegen diese Musterungen setzte sich in der Folgezeit in ejner oft schikanösen Behandlung der Angehörigen von Rekruten fort. Wegen der Fürsorgeansprüche, der Versorgung von Hinterbliebenen und der Feldpostbeförderung kam es zu einer kaum abreißenden Kette von Mißhelligkeiten, ehe statt der ungarischen Fürsorgesätze nach einem von Ribbentrop ausgehandelten Transferabkommen die sechsfach höheren reichsdeutschen Sätze in Pengös ausgezahlt werden konnten 7 . Die Rückwirkungen dieser sozialen und finanziellen Unsicherheit auf die Freiwilligen wurden als so nachhaltig angesehen, daß die Kommandeure der SS-Einheiten offen eine Minderung der "Kampfmoral"" und "Einsatzfreudigkeit" der Ungarndeutschen einräumten 8 . Ohne Rücksicht auf die Proteste der deutschen diplomatischen und militärischen Dienststellen zu nehmen, schritten die ungarischen Gendarmerieposten in der Batschka weiter zu Verhaftungen von Urlaubern, die seinerzeit illegal in die Waffen-SS eingetreten waren und noch immer als Deserteure angesehen wurden. Gleichzeitig wurden diese ersten Waffen-SS-Frei-
willigen, auch wenn man ihrer nicht habhaft werden konnte, durch Bekanntmachung im Amtsblatt der ungarischen Regierung ausgebürgert; die Zahl dieser Fälle belief sich schon im November 1942 auf mehr als 3000 9 . Nach wiederholten deutschen Interventionen lehnte es die ungarische Regierung in einer Verbalnote vom 3. 12. 1942 geradenwegs ab, die Rückbürgerung dieser Volksdeutschen zu ermöglichen 10 .
Die in alledem erkennbare Tendenz einer auch im Kriege unvermindert anhaltenden Madjarisierungspolitik hat in der SS-Führung den Anstoß zur Beratung weiterer Umsiedlungspläne gegeben 11 . Noch vor Beginn der zweiten SS-Werbungsaktion im Mai 1943 gab man sie jedoch auf. Nachdem der Gesandte v. Jagow und Dr. Basch bei einem Besuch in Berlin von der Bereitschaft des ungarischen Ministerpräsidenten zu einer neuen Werbungsaktion und der "beträchtlichen Anzahl" Volksdeutscher berichtet hatten, die bei einer Regelung der Fürsorgefrage der Waffen-SS "zur Verfügung" gestellt werden könnten 12 , kam es zu einem zweiten Verbalnotenaustausch am 22. 5. 1943 13 . Er enthielt die Einwilligung der ungarischen Regierung zur Werbung unter den Jahrgängen 1908 bis 1925, die dadurch besonderes Gewicht erhielt, daß Reichsverweser v. Horthy in einer Konferenz mit Hitler im April 1943 die Volksdeutschen Angehörigen der Honved ebenfalls zur Musterung freigab 14 . Kurz nach der ersten Werbung hatte die Volksgruppenführung der Ungarndeutschen das Ergebnis einer zweiten SS-Musterung mit "6000 Meldungen im Höchstfall" veranschlagt, dennoch blieben die tatsächlichen Zahlen weit hinter diesen Erwartungen zurück. Die Anzahl der Waffen-SS-Angehörigen, die bis dahin ca. 21 500 betragen hatte, stieg bis zum Ende des Jahres 1943 nur auf 22 125 an 15 . Die Gründe für diesen offensichtlichen Mißerfolg der Musterungskommission lagen einmal in der wachsenden Kriegsmüdigkeit auch der deutschen Siedlungen begründet, wohin soeben etwa 10 000 Volksdeutsche Honvedsoldaten von der Ostfront zurückgekehrt waren, als die II. ungarische Armee abgerüstet hatte. Weiter wirkten sich der offene und geheime Widerstand der ungarischen Behörden, der kirchentreuen deutschen Katholiken, der sogenannten "Schwarzen", und
der VDU-feindlichen ..Treuebewegung", auch noch immer die Fürsorgeprobleme und die Werbung kurz vor Beginn der Erntezeti als nachteilig aus 16 . Da andererseits die Volksgruppenführung den hochgespannten Hoffnungen des SS-Hauptamtes und des persönlich sehr interessierten Himmler gerecht zu werden wünschte, ging sie nicht nur sehr scharf gegen Mitglieder der VDU-Organisationen vor, die sich bei der zweiten Musterung noch nicht zur Waffen-SS gemeldet hatten 17 , sondern regte von sich aus den Verzicht auf den äußeren Anschein der Freiwilligkeit, also "eine Zwangsmusterung", an 18 . Langwierige Verhandlungen, die sich über ein Jahr hinzogen, waren indes notwendig, ehe dieser Ratschlag, der sicher den Intentionen der SS-Führung entsprochen haben wird, befolgt werden konnte. Als Zwischenergebnis wurde allerdings endlich eine Legalisierung der Freiwilligenmeldungen erreicht. Das Honvedministerium veröffentlichte nämlich am 11. Februar 1944 einen Erlaß, in dem es die ungarischen Behörden anwies, alle Staatsangehörigen, die vor dem 1. 1. 1944 in die deutsche Wehrmacht oder in die Waffen-SS eingetreten seien, so zu behandeln, als ob dies mit ihrer Zustimmung erfolgt sei 19 .
Der ungarisch-deutsche Staatsvertrag, der der dritten SS-Werbung vorausging und dem Reich die Wehrhoheit über die Ungarndeutschen übertrug, wurde zwischen dem deutschen Gesandten Veesenmayer und dem ungarischen Außenminister Csatay vereinbart. Als strittiger Punkt stellte sich vor allem die Präzisierung des Begriffs der "deutschen Volkszugehörigkeit" heraus. Während die ungarischen Diplomaten ihn als "freies Bekenntnis zum Deutschtum" definiert zu sehen wünschten 20 , wurde auf deutscher Seite durchaus die Möglichkeit erkannt, daß damit eine Ausweichgelegenheit für "diejenigen Deutschstämmigen, die nicht gewillt sind, in der Waffen-SS zu dienen", gegeben war 21 . Unter dem Druck der deutschen Verhandlungsführung wurde schließlich der entscheidende § 4 des am 14. 4. 1944 unterzeichneten Vertrags so formuliert, daß als "deutscher Volksangehöriger . . . in Anwendung dieser Vereinbarung in Betrachtung (kommt), wer sich durch seine Lebensweise und seine Volksmerkmale als solcher zeigt oder sich freiwillig zum Deutschtum bekennt" 22 . Dank dieser elastischen Beschreibung standen für die SS-Dienststellen alle Möglichkeiten offen, die vertraglich fixierte Wehrpflicht für alle Volksdeutschen "mit Vollendung des 17. Lebensjahres" (§ 3) auszunutzen, wie sie sich auch noch in einem Abkommen vom Juni 1944 nach den Grundsätzen des Vertrages vom 14. 4. 1944 die "An-
Werbung Volksdeutscher Frauen und Mädchen" vom 17. bis 30. Lebensjahr für das "SS-Helferinnen-Korps der Waffen-SS" gewährleisten ließ 23 .
Aus den 1944 Eingezogenen wurde in der Batschka die 18. SS-Panzergrenadierdivision "Horst Wessel" aufgestellt, die im slowakischen Aufstand und anschließend an der Theissfront eingesetzt wurde, bis zum Dezember 1944 aber bereits als aufgerieben galt 24 . Das durch irgendwelche staatsrechtlichen Rücksichten auf die Ungarn nicht mehr gezügelte Vorgehen der SS-Musterungsgruppen führte nach dem April 1944 zu einer Massenrekrutierung mit allen Mitteln des Zwangs. Förmliche Treibjagden auf junge Wehrpflichtige wurden veranstaltet, deren Angehörige erpreßt und Methoden angewandt, die von den Zwangswerbungen etwa des 18. Jahrhunderts nicht zu unterscheiden sind. Bis zum Oktober 1944 wurden alle Volksdeutschen Manner, deren die Waffen-SS noch habhaft werden konnte, eingezogen. Bis Kriegsende sollen so insgesamt ca. 120000 Ungarndeutsche in der Waffen-SS Dienst getan haben, die an den verschiedenen Fronten den Zusammenbruch erlebten 25 .