c) Internierung und Zwangsarbeit.

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Die allgemeine Internierung aller in ihren Heimatorten gebliebenen Jugoslawiendeutschen, soweit sie nicht schon in die Arbeitslager oder in die Gefängnisse der OZNA, des jugoslawischen NKWD, eingeliefert worden waren, setzte in der nordwestlichen Batschka ein, nachdem bereits im Dezember 1944 die Deutschen in einem Streifen der südlichen Batschka interniert worden waren 1 . Seit Anfang März 1945 wurde in der nordwestlichen Batschka die deutsche Bevölkerung in den bereits bestehenden Lagern oder in neugeschaffenen Ortslagern konzentriert. Die gleichen Maßnahmen wurden anschließend allgemein in der Batschka und auch im Banat, im Süden um den 26.-27. März 1945, sonst durchweg bis zum 18.-19. April 1945 eingeleitet 2 . Um die deutsche Bevölkerung in Ortslagern zusammenzufassen, wurde zumeist ein bestimmtes Viertel oder auch nur eine Häuserzeile (Gasse) von allen Bewohnern geräumt und unter scharfe Bewachung durch Partisanen gestellt. Hier wurden die Internierten zusammengezogen. Die Deutschen waren in den Ortslagern freilich nicht ganz hermetisch abgeschlossen, sondern konnten gewöhnlich noch Kontakte mit der übrigen Ortschaft aufrecht erhalten. Neben den Ortslagern wurden Zentralarbeits-


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lager in den Bezirksorten eingerichtet; sie ergänzten sich aus den Arbeitsfähigen der Ortslager.

Als Motiv dieser Aktion wird man wohl den Beginn der abschließenden Offensive der Partisanenarmeen am 11. 4. 1945 ansehen können. Im Zusammenhang mit dieser entscheidenden militärischen Operation im Nordwesten Jugoslawiens hielt man es vielleicht für geraten, auch dem letzten Deutschen die ohnehin eingeschränkte Bewegungsfreiheit zu nehmen. Jetzt konnten den Deutschen gegenüber alle Hemmungen fallen, nachdem von den deutschen Truppen kein ernsthafter Widerstand mehr zu erwarten war. Später hatte sich das System der Lager für die Partisanenverwaltung soweit eingespielt, daß man es auch nach der Aufhebung der Militärverwaltung im Februar 1945 beibehielt, ja, sogar auf alle Deutsche ausdehnte. Damit blieb die beliebig einsetzbare Arbeitsreserve der arbeitsfähigen Deutschen auch den neuen Behörden für ihre vielfältigen Zwecke erhalten. Schließlich läßt sich die allgemeine Internierung der Deutschen, die zur Räumung ganzer Ortschaften oder Ortsviertel in gemischtsprachigen Wohnorten führte, mit der Beschaffung von Unterkunftsmöglichkeiten für die seit dem Sommer 1945, nach der Verkündigung der Agrarreform, eintreffenden Neusiedler aus den wirtschaftlich rückständigen Gegenden Jugoslawiens in Verbindung bringen. Hatten sich bisher bei der Behandlung der Deutschen und der Verwaltung der Lager die örtlichen Umstände und persönliche - positive wie negative - Charakterzüge der Partisanenführer geltend gemacht, so beruhte jedenfalls die allgemeine Internierung, die bis Ende Mai 1945 abgeschlossen war, auf einem Plan, der die gesamte deutsche Bevölkerung einbezog und sie ausnahmslos der unmittelbaren administrativen Kontrolle in einer verhältnismäßig geringen und schnell überschaubaren Zahl von Lagern unterstellte.

Der systematische Charakter der Aktion drückte sich auch in der Einteilung der Lager in drei Gruppen: Zentralarbeitslager, Ortslager und Konzentrationslager für Arbeitsunfähige aus. Der Unterschied zwischen den Zentralarbeitslagern, in denen vornehmlich arbeitsfähige Männer zu Gruppen zusammengefaßt und den Arbeiter anfordernden Stellen zur Verfügung gestellt wurden, den Ortslagern, in denen die gesamte deutsche Bevölkerung einer Ortschaft abgesondert wurde, und den Konzentrationslagern für Arbeitsunfähige trat seit dem Herbst 1945 immer schärfer zutage. Wegen der hohen Sterblichkeitsrate der Zwangsarbeit leistenden arbeitsfähigen Männer und Frauen, der unablässigen Mißhandlungen und mangelhaften Ernährung aller internierten Deutschen schwoll vor allem die Zahl der Arbeitsunfähigen, der Kranken und Verletzten, neben den Alten, Frauen und der Kindern bis etwa zum 12. Lebensjahr stark an. Parallel dazu stieg die Zahl der Todesfälle unter denen, die von Alter, Krankheit und Entbehrung schon besonders geschwächt waren, in allen Lagern steil an 3 . In den großen Lagern für Arbeitsunfähige, Gakovo, Krusevlje und Jarek für die Batschka, Rudolfsgnad und Molidorf für das Banat, starben Tausende, deren Plätze sogleich wieder Neuankömmlinge einnahmen. In


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Rudolfsgnad mit durchschnittlich 20 000 Insassen starben von den ca. 33 000 Volksdeutschen, die zwischen dem Oktober 1945 und dem März 1948 in das Lager aufgenommen wurden, fast 10 000, d. h. ein Drittel 4 ; der monatliche Höchststand an Todesfällen kletterte im Gefolge einer Fleckfieberepidemie im Februar 1946 auf ca. 13 00 5 . In Jarek wurden mehr als 6000 Tote registriert 6 ; ähnlich wurde in Gakovo und Kruševlje die Zahl der Internierten durch Todesfälle, die durch Hungerödeme, Typhusepidemien, Mißhandlungen verursacht waren, reduziert 7 .

Ärztliche Hilfe konnte in allen Lagern nur unzureichend geboten werden. Die gelegentliche Unterstützung durch jugoslawische Ärzte vermochte den Leiden ebensowenig auf die Dauer entscheidend Abbruch zu tun wie die Inspektionsbesuche von Regierungskommissionen, die dann und wann einmal ein Lager besichtigten 8 . Auf sanitäre Einrichtungen, Möglichkeiten des Kochens, der Kinder- und Krankenpflege wurde kein Wert gelegt, so daß oft Hunderte von Bauernfamilien in wenigen Höfen und Scheunen oder z. B. Hunderte von Männern in der Molkerei von Groß-Kikinda, die als Arbeitslager diente, hausen mußten.

Die Verpflegung in den Lagern war äußerst mangelhaft. Gewöhnlich gab es Kesselkost, jedoch in sehr geringen Mengen und oft ohne Salz und Fett zubereitet. Die Mahlzeiten bestanden in monotoner Gleichmäßigkeit aus Maisschrot- oder Röstmehlsuppen, Polentabrei, auch aus Maisbrot mit Tee. In Rudolfsgnad wurden z. B. im Dezember 1945 pro Person 2 ½ kg Maismehl, l Krautkopf und 4 dkg Salz ausgegeben, im Januar 1946 nur 223 dkg Maisbrot und 7 dkg Salz. Im Winter 1945/46 kam es jedoch im gleichen Lager vor, daß fünf Tage lang überhaupt keine Lebensmittel ausgegeben wurden und die Insassen dem Hunger überlassen blieben 9 . Ähnliche Verhältnisse herrschten auch in allen anderen Konzentrationslagern für Volksdeutsche: in Gakovo, Kruševlje, Molin, Mitrovica, Valpovo, Krndija und Jarek. Die Sterbeziffern wären daher ohne Zweifel noch höher angestiegen, wenn nicht in den Ortslagern ein Teil der aufgespeicherten Ernte - meist trotz strenger Verbote - irgendwie verwertet, bzw. Lebensrnittel in die Lager geschmuggelt oder außerhalb erbettelt worden wären.

Inzwischen trafen seit dem Sommer 1945, in stärkerem Maße seit Ende September 1945 Neusiedler in den ehemals Volksdeutschen Siedlungen ein 10 , vornehmlich Montenegriner, Likaner und Bosnier, die aus den über-


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völkerten und verarmten Bergbauernbezirken der westlichen und südwestlichen Landeshälfte stammten, auch einen besonders hohen Anteil an den Partisaneneinheiten gestellt hatten und nun mit Landzuweisungen aus dem Bodenfonds der Agrarreform belohnt wurden. Bis zum Frühjahr 1946 waren alle ehemals von Deutschen bewohnten Ortschaften oder Gehöfte in Streusiedlungen von den neuen Besitzern übernommen. Manchmal wurden die in Ortslagern internierten früheren deutschen Besitzer der Höfe den Neusiedlern eine Zeitlang zur Seite gestellt, um sie mit den landwirtschaftlichen Verhältnissen Syrmiens und der Woiwodina, die diesen zumeist völlig fremd waren, vertraut zu machen 11 . Durch die verschiedenen Gesetze über die Agrarreform und den Übergang feindlichen Vermögens in Staatseigentum wurde der Besitzwechsel bis zum Herbst 1946 legalisiert. Ein nicht näher bestimmbarer Anteil des früheren deutschen Grundbesitzes wurde den Staatsgütern zugewiesen.

Wenn man die Lager für Arbeitsunfähige einmal außer Betracht läßt, in denen die Insassen oft nur noch von Tag zu Tag dahinvegetierten, so sind alle Internierten dauernd zu Zwangsarbeiten verwendet worden. Die Verwaltung der Lager oblag seit dem Frühjahr 1945 den Abteilungen für Lager bei den Bezirksverwaltungen, die wiederum den Sektionen für Lager in den Innenministerien der Volksrepubliken unterstellt waren. Anstelle der aus Partisanen bestehenden Wachmannschaften traten Milizposten oder Einheiten der Volksarmee unter der Aufsicht von Lagerdirektoren. Schließlich übernahmen die staatlichen Güterverwaltungen die Ortslager, und allmählich lockerte sich das Lagerleben etwas auf.

Gewöhnlich in Gruppen unter Bewachung bewaffneter Partisanen, später eines Aufsehers, wurden die arbeitsfähigen Männer und Frauen zuerst zu Aufräumungs- und Straßenarbeiten eingesetzt, dann an Fabriken, Staatsgüter und Bauern gegen einen gestaffelten Entgelt an die Lagerleitung von täglich bis zu 100 Dinar pro Person "ausgeliehen" 12 . Für die überwiegende Zahl der Deutschen bedeutete das in den vorherrschend agrarischen Gebieten des Banats, Syrmiens und der Batschka landwirtschaftliche Arbeit, mit der sie vertraut waren. Auch hier bewährte sich in zahlreichen Fällen die Hilfsbereitschaft der andersnationalen Bevölkerung, die die aus den Lagern gemieteten "Schwaben" freundlich und verständnisvoll behandelte und ihnen reichlich zu essen anbot. Auf diese Weise konnten viele Deutsche nach den Monaten der Entbehrung wieder etwas zu Kräften kommen, anderen Lagerinsassen mit Lebensmitteln helfen und bisweilen auch Vorräte und etwas Geld für die Flucht über die Grenze nach Ungarn sparen 13 . Es ist schwer vorstellbar, wie die Internierten ohne diese Arbeit auf dem Lande mit ihrer allmählichen und mittelbaren Verbesserung der Lebensbedingungen, so bitter die Anstrengungen und der Knechtsdienst auf früher eigenem Besitz auch empfunden werden mochten, und ohne den seit dem Frühjahr


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1946 genehmigten Empfang von Paketen 14 die Härten des jahrelangen Lageraufenthalts hätten überstehen können. Die demütigende Verpachtung der Arbeitskraft, die scharfen Kontrollen beim Verlassen und Betreten des Lagers, die unerbittliche Bestrafung, wenn das Einschmuggeln von Lebensmitteln entdeckt wurde, all das hat freilich den lastenden Druck des Lagerdaseins nicht schwinden lassen.

Eine der traurigsten Erscheinungen in der Geschichte der Lager ist die Behandlung der Kinder. Sobald sie das 13. oder 14. Lebensjahr erreicht hatten, wurden sie zur Arbeit eingesetzt. Seit der allgemeinen Internierung wurden auch alle Kinder in die Ortslager getrieben. Oft waren die Väter zum Militär eingezogen oder erschossen, die Mütter nach Rußland deportiert, so daß die Kinder ganz auf sich gestellt waren oder allenfalls von Verwandten betreut wurden. In den Ortslagern wurden die Kinder jedoch bald rigoros von ihren Angehörigen getrennt und in die großen Konzentrationslager für Arbeitsunfähige überführt, wo sie als sogenannte elternlose Kinder galten (d. h. als Kinder, deren Eltern nicht im gleichen Lager waren, sofern sie überhaupt noch lebten) und ihr Aufenthalt auf eigens abgetrennte Kinderbezirke innerhalb des Lagers eingeschränkt wurde. Krankheit, Hunger und Verwahrlosung forderten einen hohen Todeszoll, zumal da auch mitinternierte Verwandte oder hilfsbereite Lagerinsassen die Kinder abgeben mußten und jeder Kontakt mit ihnen untersagt wurde. Wenn man sich vor Augen hallt, daß am 30. 4. 1946 die Belegschaft des Konzentrationslagers Rudolfsgnad zu 46 Prozent aus Jungen und Mädchen unter 14 Jahren bestand 15 , läßt sich das Elend dieser hilflosen Kinder erst deutlicher ermessen.

Seit dem Frühsommer 1946, - in Rudolfsgnad z. B. nach der Fleckfieberepidemie im Juli, in Gakovo Ende Juni -, wurden in den Konzentrationslagern, z. T. ganz überraschend, Kindertransporte zusammengestellt 16 und der Obhut von staatlichen Kinderheimen übergeben, die verstreut über das gesamte Staatsgebiet in Mazedonien, Montenegro, Slowenien oder Kroatien lagen 17 . Dort wurden die Kinder manchmal noch eine Zeitlang deutschem Pflegerpersonal überlassen, überall vorzüglich verpflegt und ärztlich betreut, dann aber in Unterricht und Erziehung wie die nichtdeutschen Kinder behandelt 18 ; jede Verbindung mit Eltern oder Verwandten wurde unterbunden. Dieser Versuch einer bewußten "Umvolkung" der Volksdeutschen Kinder kam erst zu einem Ende, als Vereinbarungen zwischen dem Roten Kreuz der FVR Jugoslawien und der Bundesrepublik


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Deutschland auch den deutschen Kindern der staatlichen Heime im Rahmen der Familienzusammenführung die Reise nach Deutschland ermöglichten 19 .