Nr. 27: Die Verteidigung der deutschen Siedlungen Windthorst und Rudolfstal gegen Partisanenangriffe, ihre Evakuierung im September/Oktober 1944 nach Österreich.

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Bericht von Pater Odilo Wiedeumann aus Windthorst (Nova Topola), Bezirk Bosanska Gradiška in Bosnien.

Original, 2. April 1958, 6 Seiten, mschr. Teilabdruck.

Nach einem knappen Rückblick auf die Siedlungsgeschichte von Windthorst und Rudolfslal und auf die Ereignisse im Jahre 1941 berichtet der Vf.:


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Mit Ausnahme einiger deutscher Streusiedlungen in Slawonien hatte wohl kein deutsches Dorf so lange und so harte Kämpfe auszufechten mit den Partisanen wie die beiden bosnischen Dörfer Windthorst und Rudolfstal 1 . Zum Glück bekamen sie besonders in der ersten kritischen Zeit Hilfe aus Esseg (Volksgruppenführung) und vor allem eine straffe militärische Führung der Ortswehr. Später übernahmen die jeweiligen deutschen Polizeieinheiten die Führung, und diese verhinderten auch, daß nicht zuviele Männer abgezogen wurden zur Waffen-SS. Doch gab es auch in Einsätzen gegen die Partisanen manche Todesopfer. - Die wichtige Straße Bosnisch Gradiška-Banja Luka mußte auf jeden Fall offen gehalten werden für die deutsche und kroatische Wehrmacht. Und auch die Partisanen versuchten ihrerseits immer und immer wieder, diese Straße zu unterbrechen.

Jede Nacht war ein "Zug" der Kolonisten in und bei den Häusern an der Peripherie des Dorfes auf Wache. Wenn es sehr kritisch wurde, dann mußten alle drei Züge auf Wache gehen. Die Partisanen ihrerseits wußten, daß sie hier auf Granit beißen mußten, denn die Kolonisten verteidigten nicht nur die wichtige Straße, sondern vor allem ihre eigenen Frauen und Kinder und Häuser. Furchtbar rächten sich die Partisanen, wenn sie sich des einen oder anderen deutschen Mannes bemächtigen konnten, besonders an der nur von wenigen Häusern besiedelten Strecke zwischen Windthorst und Rudolfstal. Im strengsten Winter (Jänner 1942) nahmen sie drei Männer mit, banden sie an Bäume, zogen sie nackt aus und mißhandelten sie dann bis zum Tode. Erst Monate darauf, nach der Frühjahrsoffensive gegen die Partisanen im Kozara-Gebirge, konnten die arg verstümmelten Leichen dieser drei Männer geborgen und auf dem Rudolfstaler Friedhof beigesetzt werden. Doch waren nicht alle Partisanen-Brigaden gleich grausam. So hat sich z. B. die Einheit unter dem Kommando eines jungen serbischen Popen, die das Kloster Mariastern einnahm zu Neujahr 1944, im großen und ganzen korrekt verhalten. Am radikalsten waren die kroatischen Serben aus der Lika und dem Grmec-Gebirge, weil dort vorher die kroatischen Ustaši furchtbar brutal vorgegangen waren. Ende September 1944, als es zur Aussiedlung kam, war gerade diese Brigade aus der Gegend von Petrinje von der Kozara-Seite her im Einsatz gegen Windthorst, und das wußten alle: da gab es kein Pardon, wenn diese Windthorst einnehmen.

Noch eine Anekdote aus den kritischen Septembertagen 1944, kurz vor der Aussiedlung: Ein hoher Stabsoffizier der deutschen Wehrmacht aus Banja Luka war zu Besuch in Windthorst, und da wurde in ganz intimem Kreise die Frage besprochen, was zu tun sei, wenn über kurz oder lang der Befehl kommen sollte zur Aussiedlung. Alles zu verlassen, was die Vorfahren und die Leute mit soviel Fleiß und Mühe erworben hatten und wo sie sich ganz und gar zu Hause fühlten, das war furchtbar schwer. Der Offizier ist etliche Tage darauf in Banja Luka gefallen, aber der Rat, den


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er gab, war gut für die beiden Kolonien. Er meinte, wenn die Amerikaner landen in Dalmatien, dann sollten wir es uns zuerst gut überlegen, ob wir dem Befehl zur Aussiedlung folgen. Und es sprach bei ihm die stille Hoffnung mit, daß dies geschehen möge. Wenn jedoch die Tito-Kommunisten siegen und der Russe herkomme, dann gäbe es gar keinen Zweifel darüber, daß wir lieber alles liegen und stehen lassen sollten, um das nackte Leben zu retten. - Wir alle hatten freilich keine Ahnung, daß alles schon beschlossen war und die Amerikaner trotz der Warnung Churchills auf eine Landung an der Adria verzichteten, genau wie Stalin es haben wollte 2 . Vielleicht wären wir alle heute noch zu Haus und die Welt hätte sicher ein anderes Bild und die Amerikaner hätten weniger Sorgen, wenn man damals auf Herrn Churchill gehört hätte.

Am 16. September 1944 ist Banja Luka in die Hände der Partisanen gefallen und damit über 30 Kanonen und der ganze Waffen- und Munitionsvorrat des kroatischen Heeres. Teile der deutschen Wehrmacht verteidigten sich noch durch ca. 8 Tage in dem alten türkischen Kastell, bis die "tjelesna garda" (die Leibgarde) des Poglavnik Dr. Pavelić Banja Luka wieder befreite, zusammen mit Kosakenverbänden unter deutscher Führung.

Am 18. und 19. September waren schwere Kämpfe um den Flugplatz und an der Engstelle des Vrbastales bei Klašnice. Die Partisanen schafften die erbeuteten Kanonen auf die Berge und konnten von dort aus die im Tale liegenden Polizei-Einheiten unter schweren Beschüß nehmen. Auch in die beiden Kolonien fielen die Granaten.

Am Freitag, dem 22. September, kam der Befehl zur Aussiedlung, da die deutsche und kroatische Wehrmacht für den Schutz der Kolonien nicht mehr garantieren konnte. - Es war wohl gut, daß der Befehl zur Aussiedlung nicht zehn Tage früher kam, denn sonst hätten ungefähr die Hälfte der Kolonisten den Befehl nicht befolgt, und sie wären ebenso ausgerottet


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worden wie viele Dörfer im Banat und in der Batschka. Jedoch mitten in dem Kampfgetümmel war der Abschied von Feld und Haus und Hof verhältnismäßig leicht. Das Leben war doch wichtiger als der Besitz. Das Walten der göttlichen Vorsehung über den beiden Kolonien war oft handgreiflich, besonders auch auf dem weiteren Fluchtweg.

Aus den beiden Kolonien wurden fast alle gerettet durch die Flucht in letzter Stunde. Nur ganz wenige Familien blieben freiwillig zurück. - Diese und auch die alten Patres und Brüder des Trappistenklosters Mariastern kamen nach dem Zusammenbrach 1945 ins Konzentrationslager, das in Windthorst und Rudolfstal für die zurückgebliebenen Deutschen geschaffen wurde. Alle Deutschen aus Bosnien wurden dorthin zusammengebracht, vom kleinsten Kind bis zum ältesten Greis. Auch diejenigen, die niemals beim "Kulturbund" und immer in schärfster Opposition gegen das Hitlerregime waren. Doch muß gesagt werden, daß die Lager in Windthorst keine ausgesprochenen Vernichtungslager waren, wie in anderen deutschen Siedlungsgebieten in Jugoslawien. Die Gefangenen durften manche Hilfe von außen in Empfang nehmen, und es ist in diesen Lagern keiner direkt verhungert. Erst als im Banat die ärgste Vernichtungswelle vorüber war, kamen sie alle im Jänner 1946 dorthin. Die alten Trappistenpatres und Brüder kamen dort in Rudolfsgnad sogar in das "Altersheim" und hatten immerhin einige Pflege. Trotzdem starben die meisten dort oder in Subotica. In Subotica hatten die Kroaten und Ungarn unter Leitung der Pfarrcaritas ein einheimisches Hilfskomitee geschaffen für die gefangenen Deutschen. Sie "kauften" um Geld an die Lagerleitung einzelne Gefangene angeblich zur Arbeit heraus, zumal Priester. Dann ließen sie ihnen wieder bessere Nahrung und menschliche Behandlung zukommen. So wurden manche vor dem Hungertode gerettet 3 .)

Von Windthorst mußten die Flüchtlingsfuhrwerke etliche Kilometer auf der einzigen Dammstraße fahren und boten da ein günstiges Ziel für die in den Maisfeldern versteckten Partisanen. Es ist fast ein Wunder, daß es nicht mehr Tote gab. Nur zwei Personen fanden auf diesem Fluchtweg bis Bos. Gradiška den Tod. Der Übergang über die Sawe gestaltete sich äußerst schwierig, weil die Sawe sehr wenig Wasser führte und schon etliche Granaten in der Nähe der Brücke einschlugen. Langsam in der Nacht und gegen Morgen des 23. September 1944 sammelten sich die Wagen in der Nähe von Okučani, an der Bahnlinie Zagreb-Beograd.

Am Mittwoch, dem 27. September, fuhren Frauen und Kinder in Viehwaggons nach Osijek (Esseg). Wegen der Minengefahr auf der Bahnstrecke dauerte die Fahrt ca. zwei Tage. In Osijek wurden fast alle in dem sog. Deutschen Haus einquartiert, freilich fast unbeschreiblich zusammengedrängt.

Am 28. September konnten dann endlich auch die ca. 350 Wagen sich in Bewegung setzen, nachdem die deutschen Polizei-Einheiten für einen guten


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Schutz für unterwegs gesorgt hatten. Jeder von uns bekam Waffen, und sogar etliche Panzerspähwagen fuhren voraus. Wir mußten in Slawonien durch Gegenden, in denen sich seit Monaten kein deutsches Fahrzeug mehr zeigen durfte. Oft erstaunten die kroatischen Dorfbewohner, wenn wir uns ruhig am Abend todmüde zur Ruhe legten in irgendeinem Stall oder in einer Scheuer, während doch ganze Gruppen von Partisanen kaum eine viertel Stunde entfernt in den Weinbergen lagen. Nebst dem Schütze Gottes verdanken wir es sicher dem "guten Ruf", der uns vorausging. Sie wußten gut, daß wir uns 2 ½ Jahre gegen die Partisanenangriffe verteidigt hatten und daß es nicht gut sei, mit den Švabo in eine Schießerei sich einzulassen.

Der Weg führte über Nova Kapela Batrina, Podvinj bei Slav. Brod, Andrijevci nach Djakovo. Dort war ein Ruhetag, und in dem großartigen Dom der Bischofsstadt hatten wir einen feierlichen Gottesdienst durch den Heimatgeistlichen. - Es waren ja, sicher zur großen Beruhigung und zum Trost der Leute, drei Pfarrer bei den Frauen und Kindern und drei Trappistenpatres bei den Wagen. - Am Dienstag, dem 3. Oktober, kamen wir nach Čepin, etwa 10 km vor Osijek. Dort spielte sich noch ein anderer harter Kampf ab. Die Volksdeutsche Kreisleitung wollte alle waffenfähigen Männer einziehen und die Frauen und Wagen nach dem etwa 20 km entfernten Bijelo Brdo schicken. Die meist prawoslawische Bevölkerung war zum Teil ausgerottet worden von den Ustaši oder in den Wald gegangen. Dies hätte den sicheren Untergang aller bedeutet, zumal bei der Erbitterung der prawo-slawischen Partisanengruppen zu jener Zeit Ende 1944. Zum Glück kam der deutsche Gesandte Kasche 4 , und er entschied zur Zufriedenheit aller: zuerst ins Reich und dann, nachdem Frauen und Kinder untergebracht sind, einrücken.

Am 6. Oktober fuhren wir weiter, hinüber über die Dräu in die damals ungarische Baranja nach Laskafalü (Laschkafeld). Dann kamen auch Frauen und Kinder auf Autos hierher. Von dort sollten sie mit der Bahn weitertransportiert werden. Aber dies ging furchtbar langsam vor sich, weil die Tiefflieger immer wieder die Lokomotiven zerstörten und die Züge beschossen. Aus der Ferne hörte man schon den Kanonendonner der Front. Was die armen Leute in diesen Tagen und Wochen mitmachen mußten, das ist schwer zu erzählen. Zehn oder elf Kinder wurden geboren: zum Teil in Viehwaggons, die mit 40 und mehr Personen belegt waren; zum Teil auf dem Bahnhof von Fünfkirchen, weil die Leute sich nicht entfernen durften und wollten. Mit heißer Sehnsucht warteten sie auf einen Militärzug, der endlich wieder zwei oder drei Waggon Flüchtlinge anhängte. Bei Tieffliegerangrifien kam ein Kind an der Brust der Mutter ums Leben. - Und dann wurden alle zerrissen: Die einen kamen in verschiedene Auffanglager in Sachsen, die anderen nach Schlesien. - Frauen und Kinder und die älteren Personen haben oft arg gehungert, unterwegs und in den Lagern. Dagegen hatten die Leute bei den 350 Wagen immer noch halbwegs genügend zum


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Essen, wenn sie auch fast täglich bis auf die Haut durchnäßt waren von dem kalten Herbstregen.

Die Wagen fuhren nun jeden Tag ca. 30 km über Ujpetre, Szigetvär, Tompsany, Kiskomärom, am Plattensee vorbei, Särvär in Richtung Ödenbürg. - Im großen und ganzen waren die Ungarn recht entgegenkommend und opferbereit. Es war ja keine Kleinigkeit, ca. 1000 Menschen und 700 Pferde zu verpflegen. Zudem war unser Treck nicht der erste und nicht der letzte, der durch die Ortschaften kam. Die Benediktiner z. B. der Abtei Zalaapati ließen auf ihre Rechnung 100 kg Brot verteilen durch den Bäcker, und dies war eine große Hilfe, nachdem die Heimatvorräte aufgezehrt oder durch den dauernden Regen verdorben waren. Nur als in diesen Tagen Horthy den Waffenstillstand anbot 5 , entstand große Nervosität bei den Flüchtlingen und bei den Ungarn helvet. Konfession, denn diese standen zu Horthy. Da mußten viele bei kaltem Regen auf der Straße übernachten. - Noch etliche "Gewaltmärsche" und wir kamen am Nachmittag durch Ödenbürg und am Abend des 17. Oktober nach Klingenbach im österreichischen Burgenland. In der Weingegend von Pöttsching gab es dann etliche Ruhetage, die für die überanstrengten Pferde recht notwendig waren. Der größte Gewaltmarsch kam dann am Montag, dem 23. Oktober, etwa 62 km bis Wien. Auf dem Schlachtviehhof St. Marx kamen wir bei stockfinsterer Nacht und strömendem Regen an. Wir waren nun "daheim im Reich", aber in schöner Erinnerung werden diese Tage in Wien und St. Marx wohl bei keinem geblieben sein.

Noch eine große Gefahr wurde in diesen Tagen von unserer Kolonne abgewendet. Wir sollten nach Budweis weiterfahren, in das ehemalige tschechische Gebiet, obwohl vorauszusehen war, daß dort ein Bleiben unmöglich sei nach dem Sieg der Alliierten. Ein Offizier, der einige Zeit in Windthorst stationiert gewesen war und die beiden Kolonien gut kannte, verhinderte dies. Wir kamen nun in den Kreis Brück an der Leitha und wurden dort auf ca. 40 Ortschaften aufgeteilt.

Anfangs November war es endlich Gottseidank soweit, daß alle wieder ein Dach über dem Kopf hatten. Langsam, wenn auch mit viel Streit und Kampf, holten dann die Männer ihre Angehörigen aus den Auffanglagern in Sachsen und Schlesien heraus, und bis Weihnachten waren so ziemlich alle Familien wieder vereint. Es ging den Flüchtlingen verhältnismäßig gut in diesem Winter. Sogar die Pferde durften die meisten behalten. Dadurch konnten sie sich durch Fuhrwerksdienste manches verdienen. Und das wichtigste war, sie hatten noch Gespanne, als der Russe gegen Ostern 1945 immer näher kam. Ein Großteil machte sich auf und fuhr nach Ober-Österreich, die meisten weiter nach Bayern in die Gegend von Simbach und Alt-ötting. Eine starke Gruppe, besonders aus Rudolfstal, blieb jedoch in Nieder-österreich zurück.

Abschließend stellt der Vf. noch fest, daß die Deutschen aus Windthorst


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und Rudolfstal heute zerstreut in allen Gegenden Deutschlands und Österreichs leben und daß einige inzwischen auch nach den USA, Kanada, Argentinien und Australien ausgewandert sind.