Nr. 34: Die Bestrebungen der jugoslawischen Nachkriegsbehörden in Kroatien-Slawonien, Anfang Juli 1945 von der Evakuierung zurückkehrende Volksdeutsche sofort wieder über die Grenze nach Ungarn und Österreich abzuschieben.

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Protokollierte Aussage des N. Q. aus Groß-Kikinda (Velika Kikinda) im Banat.

Original, 7. Juli 1946, 6 Seiten, mschr.

Ich befand mich im Juli 1945 im Umsiedlungslager St. Michael bei Leoben (Österreich). Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht wurde St. Michael von russischen Truppen besetzt. Auf Anordnung der Besatzungsbehörden wurde ein Transport von Deutschen und Kroaten zusammengestellt und nach Jugoslawien in Marsch gesetzt.

Am 7. Juli traf der Transport an der jugoslawischen Grenze bei Marburg (Maribor) ein. Von dort wurden wir nach Agram (Zagreb) weitergeleitet. Gleich nach unserer Ankunft in Maribor wurde der Transport unter Bewachung von Partisanen gestellt. Wir wurden mit gehässigen Schimpfworten gegen die "Schwabas" empfangen. In Agram wurden wir in einen großen Raum des Agramer Messegebäudes gebracht. Hier wurden die Volksdeutschen von den Andersnationalen, getrennt. Die Andersnationalen wurden entlassen, während wir Volksdeutsche interniert wurden, und zwar am 9. Juli 1945.

Zunächst wurden wir in einen großen Saal des Messegebäudes getrieben. Nachmittags um etwa 2 Uhr mußten wir den Saal verlassen und uns in einen anderen Raum begeben. Vorher war aber angeordnet worden, daß wir unser ganzes Gepäck in dem Saal zurücklassen müssen. Als wir den ersten Saal nach Hinterlassung unseres Gepäcks verlassen hatten, wurde dieser Raum abgeschlossen, und wir sahen nichts mehr von unseren dort zurück-


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gelassenen Sachen. Wir befanden uns jetzt in einem anderen Saal, den wir abends um etwa 6 Uhr verlassen mußten, um auf der Straße in fünf-gliederigen Reihen Aufstellung zu nehmen. Durch Lautsprecher wurde uns bekanntgegeben: Volksdeutsche, was ihr habt, Geld, Schmuck, Uhren, Fernstecher und andere Wertsachen, alles auf einen Tisch legen. Wer das nicht tut, der wird gefesselt und erschossen! Nachdem ein Teil der Internierten die Sachen abgegeben hatte, wurden diejenigen, die schon an der Reihe waren, kontrolliert. Man nahm eine Leibesvisitation vor. Es wurde dann bekanntgegeben, daß drei Personen erschossen wurden, weil man bei ihnen noch Sachen fand, die sie abliefern sollten.

Von dort wurden wir in Viehwaggons, in der großen Hitze, zu 60 Personen in einen Waggon verladen und nach Varaždin abtransportiert. Ohne Essen und Verpflegung. In Varaždin wurden wir ausgeladen und mußten zu Fuß über die Dräu nach Djakovec 1 und dann über die Mur nach Ungarn. Drei Tage blieben wir ohne Nahrung. Bei Eintreten der Dunkelheit übernachteten wir am Straßenrand.

In Ungarn wurden wir in einem mir unbekannten Ort vor eine russische Kommission geführt. Unser Transport bestand aus etwa 2500 Menschen, ausschließlich Volksdeutschen, Männern, Frauen und auch kleinen Kindern. Die russische Kommission richtete an uns die Frage, wohin wir wollen. Die Mehrheit erklärte, daß sie nach Jugoslawien zurück wolle, da wir den bestimmten Eindruck gewonnen hatten, daß man uns keinersfalls nach Deutschland bringen werde. Im Gegenteil fürchteten wir, daß wir nach Rußland kommen werden. Wir hatten von ungarischen Zivilisten unterwegs erfahren, daß vor uns schon ein Transport in östlicher Richtung (nach Rußland) gebracht worden war 2 . Die Kommission erklärte sich einverstanden, daß wir nach Jugoslawien zurückgebracht werden sollen, besonders mit Rücksicht darauf, daß sich sehr viele kleine Kinder bei uns befanden. Auch hier erhielten wir keine Lebensmittel und wurden wieder in Richtung Va-


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raždin zu Fuß in Marsch gesetzt. Auf diesem Marsch wurden wir schärfer getrieben und erreichten nach zwei Tagen wieder Varaždin. - Nunmehr waren wir schon fünf Tage lang ohne Essen unterwegs. - In Varaždin erhielten wir auch erst nach weiteren l ½ Tagen das erste Essen, und zwar zwei Deziliter Bohnensuppe. Am zweiten Tage unseres Aufenthaltes in Varaždin erhielten wir dann das erste Brot, und zwar 2 Kilogramm für 10 bis 12 Personen.

In Varaždin blieben wir etwa 14 Tage lang. Die Verpflegung bestand täglich aus einer Einbrennsuppe, die wir morgens um 10 Uhr erhielten. Die Suppe war ohne Fett und ohne Salz. Mittags erhielten wir die erwähnte Menge Brot und am Abend eine Bohnensuppe, auch ohne Fett und ohne Salz. Desgleichen war das Brot ungesalzen. Etwa ein viertel Teil der unserem Transport angehörigen Menschen wurde in einem Magazin untergebracht. Die übrigen mußten um das Magazin herum im Freien lagern. Bei Regenwetter mußten wir alle in das Magazin drängen. In diesem Magazin hatten überhaupt nur 700 bis 750 Personen Platz zum Schlafen. Als Lagerstätte bettelten diejenigen, die im Magazin Platz hatten, von der Zivilbevölkerung Stroh, das aber nur in beschränktem Ausmaße vorhanden war. Die übrigen rupften sich Gras oder nahmen Laub von den Bäumen, damit sie nicht auf den Steinen liegen müssen. Nach etwa einer Woche wurden wir registriert. Es wurde eine Namensliste angefertigt, wobei wir angeben mußten, wer beim "Kulturbund" war oder ob jemand oder seine Angehörigen bei der deutschen Wehrmacht Dienst geleistet haben.

Vierzehn Tage nach unserer Ankunft in Varaždin wurden wir wieder alle einwaggoniert und bei verschlossenen Waggontüren nach Marburg (Maribor) abtransportiert. Wir sollten nach Österreich weitergeleitet werden und erfuhren, daß vor uns tatsächlich ein Transport nach Österreich gebracht worden war. Tatsächlich traf unser Transport auch in Maribor ein. Unser Transport erhielt aber nicht die Erlaubnis, nach Österreich einzureisen. Wir erfuhren, daß die britischen Militärbehörden es ablehnten, unseren Transport zu übernehmen. Einen Tag lang standen wir so in Maribor. An Verpflegung erhielten wir hier: ein Viertel Liter leere Suppe mit Erbsenmehl und fünf Dekagramm Brot je Person. Etwa am 1. August wurden wir von Maribor wieder nach Agram zurückgebracht und kamen wieder in den Raum der Agramer Messe. Dort sahen wir noch unsere leeren Koffer und die leeren Hüllen unserer Pakete herumliegen. Der Inhalt hatte inzwischen schon neue Herren gefunden. In Agram faßten wir ein Viertel Liter Maisbrei, und dann ging es nach Velika Pisanica bei Bjelovar. Dort wurden wir in der Nacht ausgeladen und mußten im Freien am Bahnhof übernachten. In der Früh wurden wir abgezählt und marschierten in ein Lager.


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Das Lager war schwer bewacht und mit Stacheldraht umgeben. Da es aber mit Verurteilten von der Ustascha, Tsehetniken und anderen Formationen überfüllt war, wurden wir zwei Kilometer weiter auf einen Jahrmarktplatz gebracht. Auf diesem Markplatz verbrachten wir alle zunächst zwei Wochen, dann wurden die Arbeitsfähigen in der Umgebung von Pisanica zur Landarbeit und Bauarbeiten eingesetzt, und zwar Männer und Frauen. . . Ich war etwa drei Monate lang in Arbeit und wurde dann mit 350 arbeitsunfähigen Männern und Frauen nach Stara Gradiška gebracht. - Die anderen wurden, wie ich hörte, nach einiger Zeit nach Krndija bei Djakovo ins Lager gebracht 3 .

Im weiteren schildert der Berichterstatter seine Erlebnisse in verschiedenen Lagern 'in Stara Gradiška, Krndija (Slawonien), Sremska Mitrovica (Syrmien) und Podunavlje (Baranja) 4 , bis ihm nach zwei vergeblichen Versuchen die Flucht aus dem Internierungs- und Zwangsarbeitssystem, dem die Volksdeutschen durch das jugoslawische Nachkriegsregime unterworfen waren, Ende Mai 1946 mit dem Übertritt nach Ungarn gelang.


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