Anlage 10: Das Bodenreformgesetz von 1945.

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Dekret-Gesetz Nr. 187/1945 über die Verwirklichung der Agrarreform.

Kapitel I.

Zweck des Gesetzes. Allgemeine Verfügungen.

Art. 1. Die Agrarreform ist für unser Land eine nationale, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit.

Die Landwirtschaft Rumäniens wird sich auf starke, gesunde und produktive Wirtschaften stützen, Wirtschaften, die ein Privateigentum derjenigen darstellen, die sie besitzen.

Art. 2. Zweck der Agrarreform ist:

a) die Vergrößerung der bestellbaren Flächen der unter 5 ha bestehenden Bauernwirtschaften;

b) die Schaffung neuer individueller Bauernwirtschaften für Landarbeiter ohne Bodenbesitz;

c) die Beschaffung der in der Nähe von Städten und Industriezentren für die Versorgung der Arbeiter, Beamten und Handwerker erforderlichen Gemüsegärten;

d) die Reservierung gewisser Terrains für landwirtschaftliche Schulen und Musterversuchsfarmen zum Zwecke einer Hebung des Ackerbauniveaus, der Samenzucht, der Viehzucht und zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Industrie, wobei diese Terrains unter Staatsverwaltung gestellt werden.

Kapitel H. Enteignung.

Art. 3. Zwecks Verwirklichung der Agrarreform gehen, um an begüterungsberechtigte Bauern verteilt zu werden und die in Art. 2, Punkt c und d vorgesehenen Reserven zu bilden, folgende landwirtschaftliche Güter mit dem ihnen angeschlossenen toten und lebenden Inventar auf den Staat über:

a) die Bodenflächen und landwirtschaftlichen Besitztümer jeder Art, die deutschen Staatsangehörigen sowie rumänischen Staatsangehörigen, physischen und juristischen Personen, deutscher Nationalität (Volksabstammung) gehören, die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet haben;

b) die Bodenflächen und sonstigen landwirtschaftlichen Besitztümer der Kriegsverbrecher und der für das Unglück des Landes Verantwortlichen;


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c) die Bodenflächen derjenigen, die in Länder geflohen sind, mit denen Rumänien sich im Kriegszustand befindet, oder die nach dem 23. August 1944 ins Ausland geflüchtet sind;

d) der Landbesitz und sämtliche landwirtschaftlichen Güter der Abgentisten1;

e) der Landbesitz derjenigen, die in den letzten sieben nacheinander folgenden Jahren ihre Bodenflächen nicht in eigener Regie bearbeitet haben, mit Ausnahme von Parzellen bis zu 10 ha;

f) die landwirtschaftlichen Güter jeder Art der rumänischen Staatsangehörigen, die sich freiwillig zum Kampf gegen die Vereinten Nationen gemeldet haben;

g) Güter von toter Hand;

h) der Überschuß an landwirtschaftlichem Besitz, dessen Eigentümer physische Personen sind und der 50 ha überschreitet, wie: Ackerland, Obstgärten, Heuwiesen, Weiden, Sümpfe und künstliche Teiche, gleich ob sie für Fischfang dienen oder nicht, Moorland und Überschwemmungsgebiete.

Art. 4. Bauten, Landhäuser, Einfriedungen, Straßen, Obstgärten wie auch jegliche Bodenverbesserungsanlagen mit allen ihren Installationen sind in die im Punkt h des Art. 3 vorgeschriebene Quote von 50 ha miteinzubeziehen, wobei dem Besitzer das Recht zusteht, den für ihn reservierten Anteil durch Platzauswahl, jedoch nur für einen einzigen Ort, selbst zu bestimmen.

Art. 5. Soweit es sich um die Anwendung des Art. 3, Punkt 8, handelt, gilt als einziger Landbesitz:

a) die demselben Eigentümer gehörenden, in verschiedenen Landesteilen befindlichen landwirtschaftlichen Terrains;

b) der Landbesitz des Ehemannes und der Ehefrau.

Im Falle, daß die Ehefrau ein von dem ihres Gatten getrenntes, geerbtes oder durch Mitgift, vor oder nach der Heirat erhaltenes und durch Belege nachgewiesenes Gut besitzt, verbleiben der Ehefrau 10 ha, wobei den Eheleuten die Wahl zusteht, die gesetzlichen Anteile aus einer oder beiden Besitzungen nach freier Vereinbarung sich vorzubehalten;

c) der Landbesitz der Eltern und minderjährigen Kinder;

d) landwirtschaftliche Güter in Form von Miteigentum.


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Art. 6: Die Traktoren, Dreschmaschinen, Lokomobilen, Mähmaschinen und Combines2 der im Art. 3 aufgezählten landwirtschaftlichen Güter gehen auf den Staat über, der für Landwirte zur Verfügung stehende Kreis-Ausleihzentralen landwirtschaftlicher Maschinen gründen wird. Die übrigen landwirtschaftlichen Geräte und Zugtiere gehen ebenfalls im Verhältnis zu der enteigneten Fläche des Bodens auf den Staat über und werden an zu begüternde Bauern verteilt.

Art. 7. Sämtliche im Art. 3 und 6 angeführten landwirtschaftlichen Güter gehen mit sofortiger Wirkung ohne jegliche Entschädigung voll und ganz für die im Art. 2 aufgezählten Zwecke in das Eigentum des Staates über.

Kapitel III. Ausnahmen von der Enteignung.

Art. 8. Von der Enteignung sind ausgenommen und den gegenwärtigen Eigentümern zu überlassen: die bestehenden Reisfelder; den Klöstern, Metropolitankirchen, Bistümern, Kirchen, Pfarrgemeinden und kirchlichen Anstalten gehörende landwirtschaftliche Güter; die Güter der Krondomänen, die Liegenschaften der Krankenhäuser wie auch die der Rumänischen, Akademie, des „Hauses der Schulen” und anderer kulturellen Institutionen; das Gemeineigentum der Stadtgemeinden, der bäuerlichen Gemeinden und Genossenschaften, ebenfalls die den Gemeinden gehörenden Heuwiesen und Weiden und — im allgemeinen — sämtliche Güter des Staatsvermögens.

Kapitel IV. Enteignungs- und Begüterungsverfahren.

Art. 9. Die Bürgermeister der Landgemeinden sind verpflichtet, binnen 10 Tagen nach Veröffentlichung dieses Gesetzes im Monitorul Oficial eine Generalversammlung aller Bauern der entsprechenden Gemeinden, die kein Land oder Landbesitz bis zu 5 ha haben, einzuberufen, deren Zweck die Wahl eines örtlichen aus 7—15 Mitgliedern bestehenden Begüterungskomitees ist.

Das Wahlergebnis ist in ein durch sämtliche Anwesende zu unterzeichnendes Protokoll aufzunehmen.

Art. 10. Zur Zusammenarbeit mit den Staatsorganen für die Verwirklichung der Agrarreform werden Bezirkskommissionen gebildet, um die Arbeiten der Agrarreform zu koordinieren und Streitigkeiten zwischen den Dörfern und Gemeinden sowie zwischen Eigentümern und Begüterungsberechtigten zu schlichten, die sich aus der Durchführung der Agrarreform ergeben.


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Die Bezirkskommissionen setzen sich aus den durch die Ortsausschüsse delegierten Mitgliedern zusammen, wobei jeder Ausschuß zwei Mitglieder zu entsenden hat. Die Bezirksausschüsse können auch Begüterungsberechtigte aus anderen Bezirken zulassen.

Der Vorsitzende der Bezirkskommission für die Agrarreform wird vom Ministerium für Ackerbau und Domänen delegiert. Er kann Justizbeamter oder Jurist sein.

Art. 11. Die Ortsausschüsse verfertigen Verzeichnisse der auf den Staat übergehenden landwirtschaftlichen Güter, Verzeichnisse der zur Begüterung und zur Beteiligung an dem auf den Staat übergegangenen Inventar Berechtigten sowie Verzeichnisse der Gemeinden ohne Weideland.

Art. 12. Bei der Begüterung bevorzugt werden die auf Grund der Mobilmachung oder Konzentrierung unter Waffen stehenden Soldaten wie auch alle diejenigen, die gegen Hitler-Deutschland gekämpft haben.

Art. 13. Nach Abschluß der Begüterungsarbeiten händigt die Bezirks-präfektur den dafür Berechtigten die Eigentumsurkunde aus, ebenso den Gemeinden die Urkunde über die ihnen zugewiesenen Parzellen an Weideland.

Art. 14. Die Größe der Parzellen neu geschaffener Wirtschaften wie auch die Größe der Kleinwirtschaften wird im Verhältnis zu der im Umkreis des Bezirkes bestehenden Bodenreserve festgelegt. Dasselbe gilt auch für Heuwiesen und Weideland.

Art. 15. Die Größe der Begüterungsparzellen darf, mit Ausnahme der Fälle, wo zwecks Begüterung ein Umzug in andere Gebiete erfolgt und größere Parzellen möglich sind, 5 ha nicht überschreiten. Ihre Vermessung ist von den Organen des Ministeriums für Ackerbau und Domänen zu bestätigen.

Art. 16. Der Preis des Begüterungsbodens wird berechnet entsprechend dem einer mittleren Jahresernte pro Hektar, das ist

bei Weizen ....... 1000 kg

bei Mais......... 1200 kg

Die neuen Begüterten zahlen in bar oder in Naturalien 10 Prozent des Kaufpreises; der Rest des Kaufpreises ist in Raten wie folgt zu bezahlen:

von denen mit etwas Bodenbesitz.....in 10 Jahren,

von denen ohne Bodenbesitz........in 20 Jahren.

Bei Barzahlungen hat der Preis dem Weizenpreis auf dem freien Markt vom 1. März 1945 zu entsprechen.

Art. 17. Den Besitzlosen kann, nach Beschluß der Bezirkskommission für die Agrarreform, durch die Präfektur ein Zahlungsaufschub der ersten Rate für die Dauer von 3 Jahren gewährt werden.

Art. 18. In den Fällen, wo die Aufteilung der Güter noch vor dem Veröffentlichungsdatum dieses Gesetzes erfolgt ist, hat der örtliche Begüte-


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rungsausschuß neue Verzeichnisse in Übereinstimmung mit diesem Gesetz anzufertigen.

Das Verzeichnis der Berechtigten ist der Präfektur des entsprechenden Kreises vorzulegen, damit zugleich mit der Ausstellung der Eigentumsurkunde auch die Eintragung des Eigentums im Grundbuch oder in den Eigentumsfeststellungsregistern erfolgen kann.

Sämtliche Eintragungsakte sind Steuer-, gebühren- und stempelmarkenfrei.

Kapitel V. Schlußbestimmungen.

Art. 19. Für die Durchführung dieses Gesetzes ist — mit Ausnahme der später gesetzlich eröffneten Erbschaften — die für den 23. August 1944 festgestellte Rechtslage des Besitzes maßgebend.

Die im Herbst 1944 durchgeführte Aussaat ist von denjenigen zu ernten, die sie gesät haben.

Art. 20. Die in Durchführung dieses Dekret-Gesetzes geschaffenen Landwirtschaften dürfen nicht geteilt, verkauft, verpachtet oder hypothekarisch belastet werden, weder zur Gänze noch teilweise. In Ausnahmefällen können die neugeschaffenen Landwirtschaften nur mit Genehmigung des Ministeriums für Ackerbau und Domänen verkauft, verpachtet, geteilt oder hypothekarisch belastet werden.

Art. 21. Der Begüterte erhält den Boden frei von allen Lasten und Verbindlichkeiten.

Hypothekenschulden und all das, was ein enteignetes Gut belastet, werden durch ein besonderes Dekret-Gesetz geregelt.

Art. 22. Die als Musterfarmen vom Ministerium für Ackerbau und Domänen anerkannten Farmen erhalten durch das Reglement zu diesem Gesetz von Fall zu Fall besondere Bestimmungen.

Art. 23. Die Verwaltung der Wälder und Weingärten wird Gegenstand eines besonderen Gesetzes sein.

Art. 24. Ein Reglement wird alle Einzelheiten bezüglich der Anwendung dieses Gesetzes festlegen.

Art. 25. Mit der Durchführung dieses Dekret-Gesetzes ist der Minister für Ackerbau und Domänen beauftragt.

Art. 26. Dieses Dekret-Gesetz tritt am Tage seiner Veröffentlichung in Kraft.

Bukarest, den 23. März 1945.

(MIHAI)

„Monitorul Oficial”, Teil I, Nr. 6811/1945 vom 23. März 1945; übersetzt aus: Colecţiunea legislaţiei uzuale, Nr. 151 („Decret-lege pentru infâptuirea Reformei Agrare ...„), ed. C. G. Zotta (Bukarest 1946), S. 5 ff.


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