Nr. 11: Musterung und Einziehung von Volksdeutschen Waffen-SS-„Frei--willigen” aus dem Banat auf Grund des deutsch-rumänischen Abkommens; die Durchführung der Aktion in Groß-Komlosch.

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Erlebnisbericht des F. N. aus Groß-Komlosch (Comloşul-Mare), Plasa Jimbolia (Hatzfeld), Judeţ Timiş-Torontal im Banat.

Original, 20. August 1956, 6 Seiten (hschr.). Teilabdruck.

Durch das Deutsch-Rumänische Militärabkommen für unsere deutsche Volksgruppe in Rumänien wurde eine Musterung sog. Freiwilliger muss1 von 18—35 Jahren durchgeführt. In Gr. Komlosch fand Sie am 20. 5. 43 im Jugend-Männerverein [statt]. Hinzu kamen die Gemeinden Ostern [und] Lunga. Aus Ostern wollten etliche Bauernsöhne sich nicht mustern lassen; dann wurden Sie durch Rollkommandos aus Ihren Orten herbeigebracht. In dem Gemeindeämter war es am schwarzen Brett veröffentlicht: nur diejenige welche Freiwillig, Volontär, also ohne Zwang oder „muss” sich Mustern lassen. Wieder die Deutsche Volksgruppenleitung gab Anordnungen auf „muss” heraus. Daraufhin dachte ich, so wie so mancher: Das sieht so aus, wie wenn die Deutsche Volksgruppe ein Staat im Staate wäre.

Die rumänische Behörden hatten sich in die Sache kaum eingeschaltet. Denn der Befehlserlass durch Marschall I. Antonescu, im Vereinbarung mit dem grossen Generalstab, wurde an alle Regimentern im Tagesbefehl vor der Truppe verlesen: Auf Anordnung des Marschalls I. Antonescu und im einvernehmen mit dem grossen Generalstab erhielten wir den Befehl, alle Soldaten Deutscher Volkszugehörigkeit ab heute zu Desconcentrieren von


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unserem Regiment1. Der Reg. Kommandeur hielt eine kurze Ansprache: „Camarăzi; Soldaţi2! Mit schweren Herzens muss ich euch heute auf Anordnung entlassen aus unserem Regiment. Ihr wart bis heutigen Tages uns gute ehrliche sowie Tapfere Soldaten und Kameraden, das gleiche wünsche ich euch auch in der Zukunft zu bleiben. — Să trăiţi!”3 — „Hurra!” Des selben Tages wurden alle Volksdeutsche desconcentriert, auch so manche, die nicht [wollten] oder denen es dort besser ging und [die] gute Posten oder Stellungen inne hatten. Zuhause erwartete Sie die Musterungskommissionen. So ging es vom Früjjahr bis Sommers.

Die gemusterte wurden durch die Ortsdienststellenleiter mit [dem] Blockleiter zu Haussammlungen herangezogen, um Ihrer Familienangehörigen die zustehende Geldunterstützungen zu sammeln4. Da ging ich auch mit Blockleiter Stuhlmüller 2 mal als Unterstützungssammler von Haus zu Haus. Es wurde durch eine Liste der Unterstützungsbetrag festgelegt nach dem Vermögensbesitz. So mancher besitzende jammerte mehr als besitzlose und sah nicht voraus, das so bald alles auf dem spiele steht, so wie es auch nachträglich geschah. So hatte mann als Sammler so manche erfahrungen sowie Meinungen gehört.

Am 16. Julie 1943 um 6°° sollte der erste Transport einberufener vom Jugend-Männer-Verein mit ungefähr 29 Gemusterten abfahrtbereit nach Gr. Sankt-Nikolaus5 mit Pferdefuhrwerke stehn. Es fuhren, insoweit noch Plätze vorhanden, auch unsere Frauen bis nach Gr. Sankt-Nikolaus zur Verabschiedung mit. Es war ein Sommerheisser Freitag. Ungefähr in der hälfte der Fahrt hielten wir im Schatten der Strassen-Maulbeerbäumen eine kurze Rast sowie Essenpause, Trinkpause; mann hatte schon so ein Reisdrang verspürt. Ungefähr 11°° kamen wir am Hauptbahnhof Szentmiklosch an. Nachmittags gab es noch einen Strassenumzug durch die Stadt. Abends 8°° waren wir im Güterwagons verladen und verabschiedeten uns zum letzten mal, so manch einer für immer. Da ging es über Perjamosch, Arad, Curtici, in der früh die Grenzkontrolle der Personalausweise sowie der Papiere und Wagons, dann alles Einsteigen, über Lökösháza, Szolnok (Bade-, Entlausungsanstalt), dann Wien Ostbahnhof, aussteigen alle Mann. Da war eine kleinere Menschenmenge, fragten: „Wo kommt Ihr den hehr?


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Aus Rumänien? Ihr Kriegverlängerer, hab Ihr ein Schweinespeck?” Ein jeder l kg, der wurde in Körbe gesammelt; dann gings ohne tritt Marsch zum Arsenal, dort aufstellung und Zählung, die bis 165 cm große rechts, die über 165 cm große links. Verpflegungsempfang sowie Nachtquartier.

Nächsten früh zum Bahnhof, abfahrt nach Agram; auswagoniert, ohne Tritt bis außerhalb der Stadt auf den Viehmarkt. Unterkunft mit einem über gedeckten Holzdach; Holzwolle, Decke, das war unsere Schlafstelle; Verpflegung aus der Gulaschkanone, Pellkartoffel, Salzkartoffel, Gemüse, Eintopf; Margarine zum Frühstück sowie Abendbrot, Kaffe ohne Zucker, Marmelade; eine gänzliche Umstellung. (Bei uns in der Heimat war die Margarine [ein] fast unbekanntes Nahrungsmittel.) Nach etlichen Tagen erhielten wir die Drillichkleider, Schuhe, Socken, Mütze, Leibwäsche. Sodann fing die Reckrutenausbildung an durch Reichsdeutsche Ausbilder. Mitte August stellte sich unser Kompaniechef, Hauptsturmführer Müller, vor. Unter anderem sprach er zu uns: „Liebe Kammeraden, Ich komme aus Deutschland und bin beauftragt worden, mich als euer Kompanieführer vorzustellen. Ihr werdet in kürze nach Deutschland gebracht, und zwar nach Wahn bei Köln. Ein Vorkommando von 8—10 Mann kann bereits sich abfahrtbereit halten. In ungefähr einer Woche fahren wir alle dahin.” So fuhr die ganze Komp. nach Köln-Wahn: Truppenübungsplatz, Flugplatz, Kaserniert. Da fing es ernst an, die Rekrutenausbildungen ohne Erbarmen — streng, sachlich, entweder — oder. Verpflegungsmäßig war es sehr knapp, ständig Kohlendampf, ausgehungert durch die schwere Ausbildungen. Im November erhielten wir die Stoffuniformen sowie legten den Fahneneid ab.

Der Vf. schildert im folgenden seine Erlebnisse während der restlichen Dauer des Krieges: Einsatz zunächst in der Etappe in Kroatien, wo, besonders nach der Kapitulation Rumäniens, zahlreiche Volksdeutsche desertierten, dann ab Februar 1945 an der Ostfront, wo der Vf. verwundet wurde. Nach Gefangenschaft in verschiedenen norddeutschen und belgischen Lagern als Schwerkranker entlassen, wurde der Vf., da der zur Rückführung nach Rumänien bereitgestellte Lazarettzug in Linz festgehalten wurde, dann zunächst für mehrere Jahre in einem westdeutschen DP-Lager untergebracht.


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