1. Siedlungsgebiete und Bevölkerungszahl.

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Das am 1. 12. 1918 proklamierte und durch die späteren Friedensverträge und Abkommen in seinen Staatsgrenzen näher bestimmte Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, - Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca -, J 929 umbenannt in "Königreich Jugoslawien", - Kraljevina Jugoslavija -, vereinigte die früheren Königreiche Serbien, Montenegro und die vorwiegend von Kroaten und Slowenen besiedelten Gebiete Österreich-Ungarns, daneben aber auch Territorien dieses Reiches, in denen die drei staatstragenden Völker in der Minderheit waren, zu einem Staat 1 . Von der


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ungarischen Reichshälfte erhielt Jugoslawien im Vertrag von Trianon (4. 6. 1920) 2 das westliche Banat 3 , den größten Teil der Batschka, das Baranja-Dreieck, Slawonien und Kroatien, das Zwischen- und Übermurgebiet; von der österreichischen im Vertrag von Saint Germain (10. 9. 1919) 4 die Untersteiermark, Südkärnten 5 , Krain und Dalmatien 6 , außerdem Bosnien und die Herzegowina; dazu gliederte es sich kleinere Gebiete von Bulgarien und Albanien an. Vielfältig und unterschiedlich war die historischpolitische, die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Territorien gewesen, die nun in dem neuen Staat zusammengefaßt wurden, allein dies hat ihn innen- und außenpolitisch mit einer schweren Hypothek belastet.


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Zu den von der Neuordnung der politischen Verhältnisse betroffenen Nationalitäten zählten als stärkste nationale Minderheit auch die deutschen Siedlungsgruppen, die vor allem im Banat, der Batschka und Baranja, in Syrmien, Slawonien und Krain (Gottschee) ansässig waren und bisher keinen näheren Zusammenhang untereinander gehabt hatten. Neben der städtischen deutschen Bevölkerung in Belgrad, Agram und Slawonien bestanden deutsche Streusiedlungen in Bosnien und der Herzegowina 7 .

Die stärkste und bedeutendste deutsche Bevölkerungsgruppe lebte in den ehemals südungarischen Gebieten: Banat, Batschka, Baranja. Im Banat - der Landschaft zwischen Donau und Theiß, der Mieresch (Maros) und den Transsylvanischen Alpen -, dessen westlicher Teil 1920 an Jugoslawien fiel, lag der Schwerpunkt deutscher Siedlungen im Süden bei Pantschowa, Weißkirchen und Werschetz, im Mittelbanat zwischen Groß-Betschkerek und der rumänischen Grenze, im Norden um Groß-Kikinda. In der Batschka, dem südlichen Ausläufer der ungarischen Tiefebene zwischen Donau und Unterlauf der Theiß, lebten Deutsche vorwiegend im südwestlichen Teil und um die Bezirksorte Palanka, Neusatz, Hodschag und Kula, Apatin und Sombor. Das relativ kleine Gebiet der jugoslawischen Baranja im Drau-Donauwinkel, das sich westlich an die Batschka anschließt und zum deutschen Siedlungsgebiet der "Schwäbischen Türkei" gehörte, war bei Popovać und Beli Monastir, in den Verwaltungsbezirken Batina und Darda, von Deutschen besiedelt.

Das Deutschtum dieser drei Gebiete geht auf die Besiedlung nach den Friedensschlüssen von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) zurück, durch die dieses Land an die Habsburger fiel. In die unter der Türkenherrschaft und durch die Kriege verödeten und verwilderten südungarischen Landesteile rief die kaiserliche Regierung Siedler aus fast allen Ländern des Reiches und versprach ihnen die Ansiedlung unter großzügigen finan-


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ziellen und materiellen Bedingungen. Diese staatliche Ansiedlung weist drei Höhepunkte auf. Nachdem schon seit den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts einige Gruppen deutscher Handwerker, später überwiegend Bauern, vor allem von dem Gouverneur Graf Mercy ins Banat gerufen worden waren, wurden unter Maria Theresia zwischen 1765 und 1771 jährlich durchschnittlich ca. 1000 bis 1500 deutsche Familien für das Banat angeworben, und auch unter Joseph II. zwischen 1784 und 1787 stellten hier wie in der Batschka deutsche Bauern und Handwerker an der Gesamtzahl der in dieser Zeit Angesiedelten den größten Anteil. Neben Deutschen wurden Serben, Madjaren und Rumänen, kleinere Gruppen Bulgaren, Kroaten, Slowaken. Ruthenen, Tschechen und eine geringe Anzahl von Italienern, Spaniern, Elsässern und lothringischen Franzosen angesiedelt; die zuletzt genannten sind bereits nach wenigen Generationen vorwiegend im Deutschtum der Umgebung aufgegangen 8 .

Die Neusiedlung der eroberten Gebiete beruhte indes neben der staatlichen auch auf der privaten Initiative der Grundherren, die, um die Prosperität ihrer Besitzungen zu heben, Bauern und Landarbeiter auf ihre Ländereien holten. Diese Siedlungsaktion wurde insbesondere in der Batschka begünstigt, in der ein großer Teil des Bodens ungarischen Magnaten gehörte und wo selbst der Kameralbesitz der Krone, der mit einer kurzen Unterbrechung (1740-44) der Ungarischen Hofkammer in Pressburg unterstand, privatwirtschaftlich verwaltet wurde. Als unter Joseph II. nach 1779 der Kameralbesitz im Banat an private Grundherren verkauft wurde, erfaßte diese Siedlungsbewegung auch das Banat. Es waren vorwiegend Madjaren, die ins Land gerufen wurden, daneben aber auch eine Anzahl deutscher Familien und Angehörige anderer Völker. Durch das Anwerbungspatent Josephs II. von 1782 wurde erneut ein Zustrom deutscher Siedler ausgelöst 9 . Trotz schwerer Rückschläge und wirtschaftlicher Schwierigkeiten erlebten die deutschen Siedlungen einen verhältnismäßig raschen Aufstieg. Da die kinderreichen deutschen Siedlerfamilien im Gegensatz zu den Angehörigen anderer Nationalitäten keine Realteilung kannten, entschlossen sich viele Söhne deutscher Bauern zur weiteren Landsuche, um nicht als Landarbeiter ihr Dasein fristen zu müssen, wenn es ihnen nicht gelang, in dem rein agrarischen Gebiet sich als Handwerker eine Existenz zu schaffen. Solange noch unbesiedeltes Land zur Verfügung stand, gründeten die von der Erbfolge ausgeschlossenen Bauernsöhne oft mit Unterstützung der Grundherren oder ihrer Heimatgemeinden neue, sogenannte Tochtersiedlungen in Gestalt einzelner oder mehrerer Kolonistendörfer. Nicht selten erwarben deutsche Familien durch Kauf Höfe in andersnationalen Siedlungen, die durch weitere Zusiedlung von Deutschen in den nächsten Generationen schließlich einen überwiegend deutschen Charakter gewannen oder aber eine starke deutsche Minderheit aufwiesen.


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Weit weniger geschlossen als im Banat, in der Batschka und Baranja siedelten Deutsche in Syrmien, Slawonien und im Kronland Kroatien. In Syrmieu, dem schmalen Landstrich zwischen der Donau und der Sawe, lag der Schwerpunkt deutscher Siedlungen im östlichen Teil: um Semlin, Neu-Pasua und Indjija, im westlichen um Ruma und Šremska Mitrowica. Deutsche Siedlungen gleicher Größenordnung gab es in Slawonien, der Landschaft zwischen dem Unterlauf der Dräu und Sawe, die im Westen durch die Randgebirge des Agramer Beckens begrenzt ist, nur in Esseg, Vinkowci und Vukovar. Zahlreiche kleinere Siedlungen befanden sich in der weiteren Umgebung von Djakovo und zerstreut in den Bezirken Gareinica, Daruvar und Virovitica im westlichen Teil des Landes. In Kroatien lebte nur in der Hauptstadt Agram eine nennenswerte Gruppe von Deutschen. Das Deutschtum in Syrmien, Slawonien und Kroatien wurde fast ausschließlich durch adlige Grundherren ins Land geholt 10 , die schon während des ganzen 18. und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Siedler, darunter auch eine größere Anzahl Deutscher, herbeiriefen, um ihren Besitz rentabler zu machen. Abgesehen von dieser Gruppe der Zuwanderer und einer Anzahl deutscher Beamten- und Handwerkerfamilien, die sich nach dem Abzug der Türken vorwiegend in den Städten, insbesondere in Esseg und Peterwardein, niedergelassen hatten, kam die Masse der deutschen Siedler erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in dem Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg in diese Landschaften, die durch Bodenbeschaffenheit und Klima, vor allem aber durch die Institution der "Militärgrenze" 11 weniger Siedlungsmöglichkeiten boten. Den äußeren Anstoß für die letzte Besiedlungswelle boten die Bauernbefreiung (1848), die Aufhebung des Einwandererverbots für Protestanten (1859) und die Auflösung der Militärgrenze (seit 1871). Die Siedler kamen zum überwiegenden Teil aus den Kolonisationsgebieten Südungarns, wo durch die wirtschaftliche Entwicklung die Bodenpreise hochgetrieben worden waren und es kaum noch Grund und Boden


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für größere Siedlerstellen gab. Viele Deutsche folgten daher dem Angebot von Grundherren in Syrmien und Slawonien, auf ihren Ländereien neue Bauernstellen zu errichten. Ähnlich wie in der Batschka fanden sich häufig die Auswanderer aus einem Dorf oder mehreren Orten zusammen und gründeten eine Reihe von "Tochterkolonien" 12 . Weit mehr Siedler erwarben jedoch Grund und Boden in andersnationalen Dörfern 'und Gemeinden, wo noch Grundstücke und Äcker zu haben waren. Es kam vor, daß auch hier in Dörfern, die einst ausschließlich von Serben und Kroaten bewohnt gewesen waren, die Deutschen im Lauf der Generationen schließlich die Überzahl erlangten. In anderen, nicht selteneren Fällen gingen die deutschen Zuwanderer im fremden Volkstum auf.

Bosnien und Herzegowina waren auf dem Berliner Kongreß von 1878 dem Habsburgerstaat zur unbefristeten Okkupation überlassen worden; 1908 wurden durch die Aunexionserklärung Österreich-Ungarns die Reste formaler türkischer Oberhoheit beseitigt und die Verwaltung und Stellung des österreichisch-ungarischen Reichslandes, das jetzt eine eigene Verfassung erhielt, staatsrechtlich fixiert. In diesen Provinzen, begrenzt vom Mittellauf der Sawe, der Drina, dem süddalmatinischen Küstenland und den Dinarischen Alpen, lebte verstreut über das ganze Gebiet nur eine geringe Zahl von Deutschen. Schwerpunkte deutscher Besiedlung hatten sich allein im nördlichen und nordöstlichen Bosnien in den Bezirken Bosanska Gradiška, Banja Luka, Prnjavor, Bijeljina und in den von der österreichisch-ungarischen Verwaltung angelegten Industriestädten Žepče, Zavidovići und Zenica, sowie in der Hauptstadt Sarajewo gebildet. Die Deutschen in Bosnien und der Herzegowina, die jüngste Siedlungsgruppe unter den Jugoslawiendeutsehen, waren erst nach der Besetzung beider Provinzen durch österreichisch-ungarische Truppen ins Land gekommen. Um das wirtschaftlich unerschlossene Land zu beleben, förderte die Wiener Regierung die Ansiedlung von Handwerkern und Bauern. Zu diesem Schritt wurde sie auch durch die von deutschen Trappisten gegründeten Siedlungen Windthorst 13 und Rudolfstal angeregt, in denen sich rund 500 Familien aus dem Rheinland, Hannover und Oldenburg niederließen und in verhältnismäßig kurzer Zeit zwei blühende Dörfer schufen. Bis 1905 wurden von der staatlichen Verwaltung 54 ärarische Siedlungen angelegt, in denen neben Polen, Ukrainern und Angehörigen anderer Völker der Anteil deutscher Siedler, zum überwiegenden Teil Galizien deutscher, etwa zwanzig Prozent betrug. Die weitaus größte Zahl deutscher Siedler zog seit 1885 aus eigenem Antrieb nach Bosnien und


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in die Herzegowina. Es waren meist Landsuchende, die aus den südungarischen Siedlungsgebieten und jetzt auch schon ans Syrmien kamen.

Slowenien, das nordwestliche Grenzland zwischen Karawanken, Julischen Alpen und Uskoken, das sich ostwärts bis über den Unterlauf der Mur erstreckt, gehörte mit seinen Teilgebieten Untersteiermark, Südkärnten und Krain zu den südlichen Ausläufern des geschlossenen deutschen Sprachgebietes. Hier hatten sich im Laufe der Jahrhunderte einige Schwerpunkte deutscher Besiedlung gebildet, die in den Städten, insbesondere Marburg, Pettau und Cilli, ihre kulturellen und wirtschaftlichen Zentren besaß. In der Krain lebte eine homogene deutsche Gruppe allein in der Gottschee, dem Hochplateau im Krainischen Karst südöstlich von Laibach, und in der Stadt Laibach selber 14 .

Wie in fast allen Siedlungsgebieten verdankten auch die Deutschen Sloweniens ihre Anwesenheit im Land zumeist obrigkeitlichen Maßnahmen. Sie waren seit dem Ende des 10. Jahrhunderts im Gefolge deutscher Grundherren ins Land gekommen, die auf ihre teilweise dünn besiedelten Besitzungen deutsche Bauern herbeiriefen. Auch die Erzbischöfe von Salzburg, zu deren Missionsgebiet Slowenien gehörte, versuchten die Erfolge der Christianisierung durch verstärkte Ansiedlung christlicher Bauern zu festigen. Auf eine jahrhundertelange Geschichte konnte auch die nach Slowenien älteste Siedlung des Jugoslawiendeutschtums, die deutsche Sprachinsel Gottschee, zurückblicken. Die Besiedlung des Gottscheer Ländchen geht auf die kärntnischen Grafen von Ortenburg zurück, die im 14. Jahrhundert deutsche Bauern zur Kultivierung des menschenleeren Waldgebietes ansetzten. Unter ihren Nachfolgern wurde das Werk fortgesetzt und erweitert. Seit dem 17. Jahrhundert rekrutierten sich die Siedler fast ausschließlich aus den ersten Gründungen, die sich trotz der Türkeneinfälle kräftig entwickelt hatten. -

Eine präzise zahlenmäßige Erfassung des vor dem zweiten Weltkrieg in Jugoslawien lebenden Deutschtums ist kaum möglich, da zuverlässige Unterlagen fehlen. Die Ergebnisse der österreichisch-ungarischen Volkszählung von 1910 und der jugoslawischen von 1921 und 1931 geben für dieses Gebiet in dem die staatlichen Erhebungen im Zeichen eines heftigen Nationalitätenstreits standen, kein völlig zuverlässiges Bild. Die in diesen Volkszählungen verwendeten Erhebungsmerkmale: Muttersprache, nationales Bekenntnis und Religionszugehörigkeit, vermitteln nur annähernd mit der Wirklichkeit übereinstimmende Ergebnisse für die Bestimmung der Volkstumszugehörigkeit. In einer Völkermischzone wie Jugoslawien, mit Gebieten


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unterschiedlicher politischer und kultureller Vergangenheit wurden die Umgangs-, Amts- und Hochsprachen oft nebeneinander oder vermengt gebraucht, oder ihre Geltungsbereiche überschnitten sich. Die enge Verzahnung der verschiedenen Siedlungsgebiete und die Durchmischung der Nationalitäten in einzelnen Landesteilen begünstigte den Volkstumswechsel, schuf in Grenzzonen ein schwebendes Volkstum, das sich je nach Opportunität für diese oder jene Nationalität entschied oder von dem jeweiligen Staatsvolk oder dem im betreffenden Gebiet vorherrschenden Volkstum assimiliert wurde 15 . Diesem Prozeß, dessen Wirkungen seit dem vorigen Jahrhundert im Zeichen des Nationalstaatsgedankens und des Nationalitätenkampfes nachhaltiger wurden, unterlag auch das Deutschtum, seitdem es nach dem Zusammenbruch der habsburgischen Monarchie keinen gesamtstaatlich-dynastischen Rückhalt mehr hatte.

Die letzte jugoslawische Volkszählung vor dem Zusammenbruch des Königreichs, die Zählung vom 31. 3. 1931, fragte nach der Muttersprache und der Konfession. Ihre Ergebnisse wurden jedoch von den jugoslawischen Behörden nur unvollständig bekannt gemacht und erst nach der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen von deutscher Seite veröffentlicht. Die Zählung von 1931 bildet trotz den skizzierten allgemeinen Mängeln der Nationalitätenstatistik den einzigen praktischen Anhaltspunkt, um die Stärke des Jugoslawiendeutschtums zu Beginn der 30er Jahre und für die späteren Jahre zu berechnen.

Nach den Ergebnissen dieser Volkszählung lebten in Jugoslawien 499 969 Deutsche, die Mehrzahl von ihnen in den alten Kolonisationsgebieten des Banats, der Batschka, Baranja und Syrmiens 16 . Im Banat gaben 120 450 Deutsch als Muttersprache an, d. h. zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung 17 . In 33 von 174 Gemeinden und in der Stadt Weißkirchen stellten die Deutschsprechenden die Mehrheit, in sechs Dörfern und in der Stadt Werschetz bildeten sie die stärkste Minderheitengruppe 18 . Die Batschka wies mit 173 058 Deutschen, die auch hier zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, die größte deutsche Bevölkerungsgruppe auf 19 . In 36 von 110 Gemeinden siedelten Deutsche in absoluter, in vier weiteren in jeweils relativer Mehrheit. Die Deutschen in der Baranja, mit 15 751 Seelen oder dreißig Prozent der Gesamtbevölkerung eine verhältnismäßig kleine Gruppe, hatten in sieben Ortschaften die absolute Überzahl 20 . Diese drei Gebiete wiesen die dichteste deutsche Besiedlung auf; im Banat und in der Baranja war das Deutschtum die stärkste nationale Minderheit, in der Batschka die zweitstärkste.


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Von den rechts der Donau gelegenen Landschaften besaß allein Syrmien eine relativ große deutsche Minderheit von 49 345 Personen oder vierzehn Prozent der Gesamtbevölkerung 21 . Obwohl in Slawonien und Kroatien 80 519 Deutsche lebten, stellten sie nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung dar 22 . Charakteristisch für das deutsche Siedlungsbild dieser beiden Landschaften war der vorherrschende Typus kleiner deutscher Gruppen inmitten größerer gemischtnationaler Siedlungen, insbesondere auf dem Lande. Siedlungen, die ausschließlich oder doch fast ausschließlich von Deutschen bewohnt wurden, gab es nur wenige. In nicht mehr als elf Landgemeinden besaßen Deutsche die absolute Mehrheit, in 25 weiteren die relative. In einer Reihe von Städten lag jedoch der deutsche Bevölkerungsanteil, verglichen mit dem Landesdurchschnitt, höher, z. T. sogar beträchtlich höher 23 . In Bosnien und der Herzegowina stellten die 15 500 Deutschen 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nur vier Ortschaften besaßen eine deutsche Mehrheit, bzw. eine rein deutsche Bevölkerung 24 .

Slowenien, das ehemals zur österreichischen Reichshälfte der Donaumonarchie gehört und wo das Deutschtum bis 1918 eine beherrschende Stellung innegehalten hatte, wies nach der Zählung von 1931 nur noch 28 998 Deutsche, das heißt 2,5 Prozent der Einwohnerzahl, auf. Mit Ausnahme der Orte in der Gottscheer Sprachinsel gab es nur in den Städten Marburg, Pettau und Cilli eine bedeutende deutsche Minderheit 25 .

Der Vergleich mit den Ergebnissen der Zählungen von 1921 und 1910 zeigt einen Rückgang des Deutschtums, dem in den einzelnen Siedlungsgebieten verschiedene Ursachen zugrunde lagen. In den ehemals südungarischen Gebieten war es vor allem die Madjarisierung, die mit der Apponyisehen Schulgesetzgebung von 1907 und den Maßnahmen der ungarischen Verwaltung in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreicht und zur Folge hatte, daß sich zahlreiche Deutsche zum Madjarentum bekannten 26 . Dieser Prozeß wurde zwar unterbrochen, als das Gebiet an Jugoslawien fiel und die neuen Behörden das deutsche Element für den südslawischen Staat zu gewinnen und dem madjarischen Einfluß zu entziehen versuchten, um ungarischen Revisionsansprüchen zu begegnen. Das anfängliche Entgegenkommen ließ jedoch nach, als sich die außenpolitische Situation des jugoslawischen Staates gefestigt hatte und die Nationalisierung der ehemals südungarischen Gebiete in den Vordergrund des staat-


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liehen Interesses trat 27 , was sich auch in den Methoden und Ergebnissen der Volkszählungen niederschlug 28 . Diese Entwicklung kann jedoch ebenso wenig wie die Abwanderung österreichisch-ungarischer Beamter und Militärpersonen nach 1918 allein den Rückgang erklären. Weit stärker wirkte sich auf die Bevölkerungszahl der Geburtenrückgang unter den Deutschen aus. In den wirtschaftlich starken Familien, vor allem unter den Bauern der Batschka, herrschte wegen der fehlenden Realteilung das "Ein- oder Zweikinder-System''' vor und griff auch auf die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten über 29 .

In den ehemaligen südungarischen Gebieten wurde mit der Eingliederung in Jugoslawien der Madjarisierungsprozeß, der neben dem Geburtenrückgang den Bestand des Deutschtums beeinträchtigt hatte, unterbrochen; dagegen setzte sich unter dem Streudeutschtum in Kroatien und Slawonien die Kroajtisierung weiter fort, ja, sie verstärkte sich sogar. Am unmittelbarsten waren ihr jene Gruppen ausgesetzt, die als schwache Minderheiten in kroatischen Dörfern lebten, wirtschaftlich abhängig und nicht in der Lage waren, eigene Schulen zu unterhalten. Ohne Kontakt zu ihren Landsleuten und einem harten Existenzkampf ausgesetzt, suchten sie sich ihrer Umgebung anzupassen und gingen schließlich im Kroatentum auf. Diese Entwicklung wurde erst eingedämmt, als in den 30er Jahren die kulturellen und wirtschaftlichen Organisationen der deutschen Minderheit ihre Erfassungs- und Betreuungsarbeit auch auf das Streudeutschtum auszudehnen versuchten 30 .


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Am auffallendsten war nach dem ersten Weltkrieg der Rückgang des Deutschtums in Slowenien, der, soweit der Vergleich der Volkszählungsergebnisse von 1910 und 1921 Schlüsse zuläßt, 62 Prozent betrug. Hier hatte bereits gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das national erwachte Slowenentum sich von dem deutschen kulturellen und wirtschaftlichen Einfluß zu emanzipieren begonnen und auf Kosten des Deutschtums ausgebreitet. Der völlige Umsturz der bestehenden politischen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns gab den Slowenen freie Bahn, um ihre national-völkischen Ziele durchzusetzen. Ehe noch die Friedensverträge die staatspolitischen Veränderungen sanktionierten, hatten die Slowenen bereits begonnen, möglichst viel von dem zu beseitigen, was an die vielhundertjährige Verbindung mit Österreich erinnerte. Tausende von Deutschen, insbesondere österreichische Beamte und Angehörige freier Berufe, wurden gezwungen, das Land zu verlassen. Viele andere wanderten ab, weil behördliche Anordnungen und Boykottmaßnahmen zum Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz führten. Nicht gering war aber auch die Zahl derer, die, um dies zu vermeiden und den politischen und wirtschaftlichen Repressalien zu entgehen, es vorzogen, von nun ab sich als Slowenen auszugeben 31 .

Parallel zu dieser Rückwanderung von Deutschen nach Österreich in den ersten Nachkriegsjahren lief eine starke Auswanderung nach Übersee. Nach amtlichen Statistiken wanderten allein in den 20er Jahren 29 083 Deutsche nach Übersee aus 32 . Wenn auch für die folgenden Jahre bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges keine amtlichen Unterlagen für die Abwanderung


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von Deutschen aus Jugoslawien zur Verfügung stehen, so darf doch angenommen werden, daß dieser Vorgang unvermindert anhielt, zumal da in der zweiten Hälfte der 30er Jahre zahlreiche Volksdeutsche aus Jugoslawien im Reich Arbeit fanden.

Berücksichtigt man einerseits den geringen Geburtenzuwachs, andererseits den Rückgang der Madjarisierung und Kroatisierung, so wird man die Zahl der Deutschen bei Ausbruch des Krieges mit rund 500 000 ansetzen dürfen 33 .