d. Konfessionelle Gliederung. Deutsches Schulwesen und rumänische Kulturpolitik.

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Für die Behauptung der kulturellen Eigenständigkeit des rumänischen Deutschtums kam den Kirchen besondere Bedeutung zu. Die starke Stellung der Siebenbürger Sachsen beruhte nicht zuletzt auf der Tradition ihrer unabhängigen „Evangelischen Landeskirche Augsburgischen Bekenntnisses” (A. B.). Der Übertritt zur lutherischen Reformation war 1550 von der sächsischen Nationsuniversität beschlossen worden. Immer wieder waren hinfort die evangelischen Landesbischöfe Wortführer des sächsischen Volkes. Die Kirche war Trägerin des deutschen Schulwesens wie des sächsischen Kultur-


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lebens überhaupt60- Auch die deutschen Bauern Bessarabiens wurden wesentlich durch ihr evangelisches Bekenntnis vor nationaler und sprachlicher Überfremdung bewahrt. Schon 1920 kam es zu einer lockeren Vereinigung der evangelischen Kirche Bessarabiens mit der siebenbürgischen Schwesterkirche. Der 1926/27 konstituierten „Evangelischen Landeskirche A. B. in Rumänien”, deren Bischofssitz Hermannstadt blieb, gehörten auch die kleineren protestantischen Gruppen in der Bukowina, im Banat und im Altreich an61.

In der römisch-katholischen Geistlichkeit hatte die Madjarisierungspolitik der ungarischen Regierung eine ihrer wertvollsten Stützen gefunden. Nach dem Übergang des Banats an Rumänien vollzog sich in dieser Hinsicht eine deutliche Wendung. Das nach der Teilung des Banats geschaffene katholische Bistum Temeschburg wies eine schwäbische Dreiviertelmehrheit auf, die das Los der Diözese unmittelbar mit den Volksdeutschen Interessen verknüpfen mußte62. Der schon 1923 mit der Leitung der Temeschburger Administratur betraute Schwabenbischof Augustin Pacha wurde zu einem der markantesten Repräsentanten des Banater Deutschtums63. Seit 1930 stand auch die für das rein katholische Deutschtum des Sathmar-Gebiets zuständige Diözese Großwardein unter der Leitung eines Schwaben, doch konnte sich Bischof Stefan Fiedler nur bedingt gegen den in seiner großen Mehrheit madjarisch gesinnten Klerus durchsetzen64. Im allgemeinen befanden sich, vor allem in der Bukowina65, deutsche Protestanten und deutsche


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Katholiken dem griechisch-orthodoxen Rumänentum gegenüber gleichermaßen auch kirchlich in der Minderheit, so daß den konfessionellen Unterschieden innerhalb des Deutschtums nur sekundäre Bedeutung zukam66.

Besonders wichtig war die Arbeit der evangelischen wie der römischkatholischen Kirche auf dem Gebiet des deutschen Schul- und Erziehungswesens. Für die Sicherung des muttersprachlichen Unterrichts in eigenen kirchlichen oder staatlichen Schulen war die Ausgangslage bei der Schaffung des groß-rumänischen Staates in den verschiedenen Gebieten des rumänischen Deutschtums außerordentlich verschieden. Im Banat und im benachbarten Sathmar-Gebiet hatte die systematische Madjarisierungspolitik der ungarischen Regierung das im 19. Jahrhundert aufgebaute deutsche Schulwesen fast völlig zerstört67. Mit dem politischen Erwachen des Banater Deutschtums nach 1918 setzte hier ein Wandel ein: die Schwaben forderten nun Kultur- und Schulautonomie68. In Siebenbürgen hatte die autonome evangelische Landeskirche die von ihr gestützten deutschsprachigen Volksschulen — rund 250 an der Zahl — trotz des madjarischen Druckes zu behaupten vermocht69. In Bessarabien waren zwar deutsche Volksschulen von den evangelischen Kirchengemeinden geschaffen worden, doch waren nur wenige den Russifizierungsbestrebungen der letzten Vorkriegsjahrzehnte entgangen70. In der österreichischen Bukowina gab es ein ausgebautes System deutscher staatlicher Schulen, das von der Landesuniversität in Czernowitz gekrönt wurde71.

Der Kulturpolitik des neuen groß-rumänischen Staates schien in der Minderheitenfrage eine klare Linie zunächst zu fehlen. Der Minderheitenschutzvertrag vom 9. Dezember 1919, den die rumänische Regierung trotz starken Widerstrebens hatte unterzeichnen müssen, verpflichtete den rumä-


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nischen Staat nicht nur zur Duldung privater und kirchlicher Minderheitenschulen, sondern auch zur Einrichtung staatlicher Elementarschulen mit muttersprachlichem Unterricht „in den Städten und Bezirken, wo ein beträchtlicher Prozentsatz rumänischer Staatsangehöriger mit einer anderen Sprache als der rumänischen wohnt”. Sachsen und Szeklern wurde überdies die volle Autonomie in Schul- und Kirchenfragen zugebilligt — der einzige Fall, in dem ein Minderheitenschutzvertrag derartige Rechte korporativ erteilte72. Schon dem Beitritt der deutschen Minderheiten in Siebenbürgen, in der Bukowina und im Banat zu den Anschlußerklärungen dieser Gebiete an Rumänien in den Jahren 1918/19 waren entsprechende Zusicherungen vorausgegangen73'.

Im Banat wie in Bessarabien kam es unmittelbar nach 1918 tatsächlich zu einer Konsolidierung des deutschen Schulwesens74. Gleichzeitig wurde jedoch die wirtschaftliche Grundlage der deutschen evangelischen Schulen in Siebenbürgen durch die Agrareformen nachhaltig erschüttert: Allein die Evangelische Landeskirche verlor 58 000 Joch (ca. 33 000 ha) Land75. Die Czernowitzer Universität wurde schon im Jahre 1919 völlig rumänisiert. Unter Leitung des liberalen Kultusministers Dr. Constantin Angelesen (1922—26, erneut 1933—37) setzte sich dann in der rumänischen Schulpolitik ein eindeutig minderheitenfeindlicher Kurs durch. Das Gesetz über den staatlichen Volksschulunterricht vom 24. Juni 1924 sah zwar für Gemeinden mit anderssprachiger Bevölkerung eigene Schulen vor76. Die Bestimmungen des Gesetzes wurden jedoch in zahlreichen Fällen umgangen. Rumänische Sprachprüfungen führten zum Ausscheiden deutsche Lehrer, andere wurden an rumänische Schulen des Altreichs versetzt. Selbst in den nominell „deutschen” Schulen blieb dem muttersprachlichen Unterricht infolge der gesetzlich verankerten Einführung zahlreicher rumänischer Pflicht-


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stunden vom 2. Volksschuljahr an nur relativ schmaler Raum77. Da die alten Gemeinde- und Privatschulen verstaatlicht wurden, blieb lediglich der Ausweg kirchlicher Schulen. Das Partikulargesetz vom 22. Dezember 1925 bot den Kirchen die Möglichkeit zur Gründung und Erhaltung eigener Schulen, in denen dem Staat nur beschränkte Aufsichtsrechte zustanden78.

War das deutsche Schulwesen in Siebenbürgen schon in ungarischer Zeit von der evangelischen Landeskirche getragen worden, so sah sich nunmehr auch das katholische Deutschtum des Banats auf den Weg der deutschen Konfessionsschule verwiesen. Aufs Ganze gesehen verlief die Entwicklung der deutschen Schulen im Banat wie im Sathmar-Gebiet in der Folgezeit nicht unbefriedigend, wenn auch zahlreiche Wünsche offen blieben. In Sathmar konnte die Zahl der deutschen Schulen in den Jahren 1926—30 von einer auf 22 vermehrt werden 79. Im Banat und noch stärker im Sathmar-Gebiet wurde zudem die deutsche Volkstumsarbeit in den Jahrzehnten nach dem ersten Weltkrieg von dem auf Schwächung des madjarischen Elements bedachten rumänischen Staat toleriert, ja sogar gefördert. In der Bukowina und in Bessarabien jedoch führte die nach vorübergehender Lockerung mit dem erneuten Amtsantritt Angelescus verschärft einsetzende Rumänisierungspolitik zur fast restlosen Beseitigung der deutschsprachigen Schulen, da den Deutschen dieser Gebiete die Mittel zum Aufbau eigener Schulen fehlten80. In den zum Teil noch ärmeren Gemeinden der Do-


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brudscha war es — mit wenigen Ausnahmen — nie zur Einrichtung deutscher Schulen gekommen81.

Die deutschsprachigen Mittel- und Oberschulen wurden von den Rumänisierungsbestrebungen nicht in demselben Maße wie die Volksschulen betroffen82. Hier bildete jedoch das durch Gesetz vom 25. März 1925 eingeführte Bakkalaureat, das — unabhängig von den Abschlußprüfungen der deutschen Schulen — vor rumänischen Kommissionen in rumänischer Sprache abgelegt, allein zum Studium an rumänischen Hochschulen berechtigte, einen schweren Hemmschuh83.

In den Jahren der Königsdiktatur Carols II., die den demokratischparlamentarischen Staat in Rumänien 1938 beseitigte, schien sich — möglicherweise aus außenpolitischen Rücksichten84 — eine entgegenkommendere Behandlung des Schulproblems anzubahnen. Nach Maßgabe der bereits im Schulgesetz von 1924 enthaltenen Bestimmungen sollten nun an Orten mit mehr als 30 Schulpflichtigen fremder Muttersprache im Rahmen des staatlichen Schulwesens eigene Schulen oder doch Schulzüge geschaffen werden, die den Unterricht in dieser Sprache erteilten85. Durch Gesetz vom 8. November 1941 wurde die inzwischen zur juristischen Person öffentlichen Rechts erklärte Deutsche Volksgruppe in Rumänien zum Träger aller deutschsprachigen Schulen gemacht; ohne Rücksicht auf ihre frühere Rechtsstellung wurden alle deutschen Schulen den rumänischen Staatsschulen rechtlich gleichgestellt, wobei sie jedoch in allen schulischen Fragen allein dem Schulamt der Volksgruppenführung unterstanden86. Diese Entwicklung zur Schulautonomie, die die Volksdeutschen schon seit den Anfängen des groß-rumänischen Staates angestrebt hatten, vollzog sich jetzt allerdings unter dem politischen und ideologischen Vorzeichen der nationalsozialistischen Volksgruppenpolitik. Betroffen waren von der Neuregelung auch die


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Kirchen, die sich nur widerstrebend zu der geforderten Übergabe ihrer Schulen an die Volksgruppe bereitfanden; lediglich die Mädchen-Schulen des Notre-Dame-Ordens im Banat blieben ausgenommen. 1942 verfügte die Deutsche Volksgruppe in Rumänien über 457 Volksschulen, 27 Mittel- und Oberschulen und 4 Lehrerbildungsanstalten in den verbliebenen Gebieten87. Nord-Siebenbürgen unterstand Ungarn, die Bukowina-, Bessarabien- und Dobrudscha-Deutschen waren schon zwei Jahre zuvor umgesiedelt worden.