Nr. 22: Die Lage in Maniersch nach der rumänischen Kapitulation; Evakuierung der Gemeinde durch vorübergehend vorgestoßene deutsche Truppen; Treck bis Sächsisch-Reen, Einwaggonierung und Bahntransport nach Niederschlesien; zweite Evakuierung im Frühjahr 1945.

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Erlebnisbericht des Johann Mann aus Maniersch (Măgherus), Plasa Dtimbrăveni (Elisabethstadt), Judeţ Târnava-Mică (Klein-Kokel) in Süd-Siebenbürgen.

Original, 16. April 1956, 8 Seiten, mschr.

Schon am 23. August 1944 fing sich die Umgebung jedes deutsch denkenden und fühlenden Menschen und Staatsbürgers, ob deutscher oder anderer Abstammung, zu verfinstern [an]. Niemand wußte, was da kommen sollte und kommen würde. Aber jeder, und am allerärgsten der Siebenbürger Volksdeutsche, ahnte in dieser Verdunkelung ein Etwas sich nähern, was alles andere sein könnte, aber nichts Gutes.

Von Tag zu Tag verschlimmerte sich diese böse Ahnung immer mehr bei den Siebenbürger Volksdeutschen, weil sie es mit offenen Augen und Ohren wahrnehmen mußten, daß ein gewisser Druck von den politischen Behörden immer mehr auf sie gerichtet war und auch ausgeübt wurde. Die Verbindung mit der Außenwelt wurde schön langsam, ohne Krach und ohne Sang und Klang, abgebrochen, indem von allen Deutschen alle Rundfunkgeräte, Autos, Motor- and Fahrräder eingezogen wurden. Jeder mußte selber alles abführen und übergeben. So führte auch ich persönlich mein Fahrrad an die Gendarmerie in unser Nachbardorf Nadesch ab. Wobei ich, das muß ich unbedingt hier erwähnen, sehr höflich und entgegenkommend, ja sogar tröstend behandelt wurde, vom Wachmeister als auch von jedem einzelnen Soldaten, bei der Übergabe als auch beim Verhör, dessen ich mich auch unterziehen mußte. Es klingt mir auch heute noch im Ohr, als ob es nur gestern gewesen wäre, wie der Gendarmerie-Chef tröstend zu mir sagte, ich


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solle ruhig heimgehen, es würde mir gar nichts passieren (weil ich ihn vertraulich auf Verschiedenes fragte, nachdem ich ihn gut kannte und mit allen bis zu der Zeit immer gut ausgekommen war), nachdem ich mir weder ihnen noch sonst jemanden gegenüber etwas jemals zuschulden hätte kommen lassen. Mein Jagdgewehr, so wie alle, waren zuerst eingezogen worden. Bei allen Abgaben konnte von mehreren im Staatsdienst stehenden Personen eine Art Mitleid, muß ich sagen, fast festgestellt werden, wobei immer wieder mitgeteilt wurde, daß es eine Verordnung von Oben sei.

Wenn ich ehrlich sein will, so darf es nicht unerwähnt bleiben, daß nicht nur die staatlichen Dienststellen, ob militärischer oder ziviler Art es waren, die ein gewisses Mitleidsgefühl zeigten den Deutschen gegenüber in düsteren Tagen, in welchen die Entwicklung der schlimmen Formen für sie immer mehr zutage trat; sondern alle Mitmenschen, mit denen man zeitlebens zusammen gelebt und öfters im Alltagsleben sich begegnet und brüderlich beim Begegnen sich gegrüßt und, wenn es notwendig war, was oft vorgekommen, sich gegenseitig ausgeholfen hatte. Folgedessen konnten die Hinweise „von Oben” ohne weiteres als wahrheitsgemäß auch geglaubt werden. Also von Oben wurde der Druck ausgeübt und vom Pöbel und Gesindel (aber nicht von anständigen und überlegenen Rumänen oder Ungarn) durchgeführt. Teils in Unkenntnis der Vergangenheit, in übermütigem Siegesrausch junger unerfahrener Menschen, die auf alles, was Deutsch war, gehetzt wurden, teils aus Rachegefühl, aus eventuellen einstigen Gegensätzlichkeiten, die auch hie und da vorgekommen [waren]. Nach meiner persönlichen Erinnerung und laut Nachrichten anderer Volksdeutscher Kameraden sind von den mitlebenden und bekannten Rumänen keine sichtbaren Schikanen gegen die Deutschen in den Tagen vor vinserer Flucht angewendet worden, sondern haben sie oft bei denselben Schutz gefunden.

Die zu Ende gehenden Augusttage als auch die angefangenen Septembertage wurden immer düsterer. Eine unbestätigte Nachricht jagte die andere. Niemand wußte aber, was in der Luft lag. Es wurden aus Richtung Schäß-burg tagsüber oft, der „Wiener Schiedsspruch„-ungarischen Grenze zu, die etwa 4 km von meinem Heimatort entfernt war, entwaffnete deutsche, in kleinen und größeren Gruppen, uniformierte Soldaten gesehen, die auf der Landstraße weiter marschierten. Die Nachricht über das immer näher Herankommen der russischen Armeen wurde immer öfter und deutlicher als wahre Tatsache von verschiedenen Seiten gehört und bestätigt. Die Menschen wußten nicht in ihrer Verzweiflung, was sie tun oder lassen sollten. Sie trauten sich nicht mehr recht, in die Feld- und Weingärten arbeiten zu gehen, aus Angst, und standen oft in den ersten Septembertagen in kleineren und größeren Gruppen auf der Dorfstraße, ratschlagten, erzählten und trösteten einander. Dabei dachte aber niemand an eine Flucht und Verlassen ihrer Wohnungen oder [ihres] Heimatortes. Wenn von ungefähr solche Gedanken jemand erwähnte, so wurde der sofort mit aller Entschiedenheit als „unmöglich und sinnlos” hingestellt und als undiskutabel bei Seite gelassen. Ich persönlich gehörte auch zu denjenigen, die eine eventuelle Flucht ganz entschieden ablehnten und jeden vor diesem Gedanken und Vorhaben mit allem Ernst warnten.


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Am 7. Sept. wurden Berichte bekannt, daß die rumänische Grenzbewachung an der rumänisch-ungarischen Grenze, zwischen Zuckmantel und Nagykend sich zurückgezogen hätte. Die deutsch-ungarischen Truppen seien nachgerückt. Am Nachmittag desselbigen Tages waren deutsche Soldaten, auf den Feldern von Maniersch [auf] Zuckmantel zu beobachtet worden1. Am 8. Sept. im Laufe des Vormittags fuhren einige vollbesetzte Militär-Autos in scharfer Fahrt durch unsere Gemeinde in Richtung Großalisch. Diese kamen in etwa 2 Stunden in ebenso scharfer Fahrt wieder zurück in Richtung Zuckmantel. Am Vormittag des 8. Sept. fielen einige Artillerieschüsse, die unsere Gemeinde überquerten, von Osten gegen Westen (d. i. von Nadesch nach Richtung Gemeinde Zendersch; Großalisch lag südlich und Zuckmantel nördlich von Maniersch). Am Nachmittag kurz vor 3 (15 Uhr) fuhren etwa 8 voll besetzte Militärautos mit deutschen Soldaten in unsere Gemeinde2 (die Anzahl der Fahrzeuge kann ich nicht genau bestimmen). Diese verteilten sich in der ganzen Dorfgasse entlang in einer Länge von etwa einem Kilometer. Vor meinem Wohnhaus, fest an der Frontwand auf dem Gehpflaster, stand auch ein getarntes Fahrzeug ohne Bemannung aufgeparkt. Die Leute waren erschrocken, obwohl niemand wußte, was da werden sollte. Etliche waren versteckt in ihren Wohnhäusern, etliche auf der Dorfstraße. Ich stand auch vor meinem Wohnhaus und hielt Umschau nach meinen Familienangehörigen, da ich nur allein mit noch 2 kleinen Enkelkindern zuhause war. Nun kam das Schreckliche, was niemand jemals geahnt und erwartet [hatte] und darauf vorbereitet war.

Punkt 3 Uhr nachmittags wurde in der ganzen Gemeinde bekannt gegeben, daß auf Grund militärischer Anordnung binnen einer Stunde das Dorf geräumt werden müßte. Mir schien diese Nachricht unglaublich und auch als unmöglich, da meine Frau und Tochter, Mutter und Schwiegermutter vom Hanfwaschen von Großalisch aus der großen Kokel noch nicht nach Hause gekommen [waren]. Erkundigte mich daher bei einem in der


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Nähe stehenden in bunter Felduniform getarnten und mir unbekannten Soldaten, was denn solch ein Befehl zu bedeuten habe, indem ich ihm gleich mitteilte, daß ich nicht fort gehen würde von zuhause, da ich nur allein mit zwei kleinen Kindern und einem Dienstmädchen daheim sei und auf meine noch zur Familie Gehörenden auch warten müßte. Erhielt die Antwort, ich müßte, weil ich eben kleine Kinder bei mir hätte, unbedingt Haus und Hof und die Gemeinde verlassen, weil man es nicht wisse, ob nicht über kurz oder lang ein Zusammenstoß in diesem Raum mit den gegenüber stehenden Militäreinheiten erfolgen könnte. Ich müßte und sollte für mich und die Kinder schnell warme Kleider und auf einige Tage etwas zum Essen zusammenpacken und bald verschwinden. Sollte und dürfte aber kein Haus noch Keller noch sonst eine Tür mit dem Schlüssel zusperren, weil diese, falls es notwendig sein sollte, doch mit Gewalt aufgebrochen werden müßten. Zum Schluß erhielt ich noch von diesem Soldaten die versichernde Mitteilung, daß ich ruhig alles im Hof und Haus, so wie es eben sei, liegen lassen könnte, denn in „zwei, höchstens drei” Tagen würden wir wieder in unseren Häusern sein.

Diese letzte Mitteilung, in 2 bis 3 Tagen wieder daheim sein zu können, hatte dazu beigetragen, daß ich mich entschließen konnte anzufangen, den Wagen aus dem Schoppen in [den] Hof vor die Haustür zu schieben und so mit bangem Herzen in voller Eile, was mir am ersten in die Hände kam, auf denselben aufzuladen. In der Aufregung und den großen Sorgen um meine noch fehlenden Familienangehörigen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich allein mit den 2 kleinen Kindern fertig werden würde als Großvater (und dazu noch auch das aus der Gemeinde stammende 12 Jahre alte Dienstmädchen), wurden auch Gegenstände aufgeladen, die nicht unbedingt notwendig gewesen wären und wertvolle liegen gelassen. Das Verpacken der Wägen vollzog sich panikartig. Ein Nachbar rief den anderen nur auf ein bis zwei Minuten Zeitdauer, wenn grad etwas Schweres zum Aufladen war; sonst versuchte jeder für sich, wie er wußte und konnte, den Wagen zu bepacken. In der Aufregung sind die wichtigsten Papiere oft vergessen worden auch zusammennehmen und mit zu bringen, wie z. B. grundbücherliche Auszüge, Kaufverträge, Taufscheine und dgl. mehr. Mir persönlich ist es ebenfalls so ergangen, daß meine Akten, welche oft hier zu Lande von Vorteil gewesen wären, zuhause liegen geblieben sind, Zusätzlich machte sich jeder Sorgen, was mit dem zurückbleibenden Vieh, Schweinen und allen anderen Haustieren geschehen würde. In vielen Höfen wurden die Schweine aus ihren Ställen frei gelassen, im Hof kübelwelse Mais ausgeschüttet, dann das Viehfüttern und -tränken einem älteren oder noch nicht entschlossenen zur Flucht, zurückgebliebenen Dorfbewohner übergeben auf die 2 bis 3 Tage bis zur Rückkehr. Man hatte das Gefühl, als ob auch die Haustiere die Nervosität ihrer Hausherrn wahrgenommen hätten. Katze und Hund streiften in nächster Nähe oft fest an den Füßen vorbei, als ob sie auch ahnten, daß etwas nicht in Ordnung sei und ein Aufbruch von zuhause bevor stünde, und schmeichelten, als ob sie sagen wollten: wollt ihr uns denn hier lassen? Es war dies eine furchtbare Stunde, an die bestimmt niemand gern zurück denken und nie vergessen wird.


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Um 4 Uhr nachmittags am 8. September war es, als ich schweren Herzens unter unserem (nach sächsischer Bauweise) „gewölbten” Torbogen herausfuhr und meinen Hof und alles, was noch drinnen geblieben, zurückließ. Auf dem Wagen waren die Kinder, einige Kopfpolster, etwas Kleidung, das noch vorhandene Brot, was ich im Haus und Keller vorgefunden und ein großes Stück Speck aufgeladen. Vor dem Wagen hatte ich meine 2 zuverlässigen Pferde angespannt und fuhr die Dorfstraße westwärts gegen Zuckmantel zu, wo schon ein Wagen nach dem anderen, ungeordnet in ungleichmäßigem Abstand, diese Richtung weiter fuhren. Verabschiedete mich von meinem Onkel, welcher erst am nächsten Tag nachkommen wollte, und bat diesen, er möge meinen Familienangehörigen mitteilen, daß sie unbedingt sofort nach ihrer Ankunft nachkommen sollten, da ich auf sie auf der Straße bis zur Grenze irgendwo warte, und zwar mit demselben Gespann und Wagen, mit dem sie in Großalisch gewesen wären.

Als auf der freien Straße dem Dorfende zu die Fahrt schön langsam fortgesetzt wurde und die Weitersicht besser war, erbot sich mir und jedes Menschen Auge ein herzzerreißendes Bild. Es ließ sich sofort erkennen, daß diese Flucht ungeahnt und unvorbereitet für jedermann gekommen war. Unvorschriftsmäßige und unrichtig bepackte Wägen fuhren aus verschiedenen Hoftoren, auf welchen obenauf weinende Kinder saßen. Das Vorgespann wurde meist von einer mit Tränen in den Augen schluchzenden Mutter geführt und kutschiert, deren Ernährer irgendwo im Frontdienst stand. Bald reihte sich Wagen an Wagen, so daß das Bild einer Völkerwanderung ähnlich war. Der kleine Trost, den man uns gegeben hatte, daß wir in 2 bis 3 Tagen wieder in unseren Häusern sein würden, wollte vins nicht recht erquicken. Es wurde wenig gesprochen und nichts vorausgesagt. Aber jeder las in den ernsten und geängsteten Gesichtszügen des anderen seine eigene Gedanken, die ihm sagten: Wir haben einen leidensvollen Weg ohne Ende angetreten, weil in jedem eine böse Ahnung vorhanden war. Bald verschlimmerte sich dies böse Gefühl, nachdem die ganze Kolonne, noch bevor die rumänisch-ungarische Grenze erreicht war, weitermarschieren mußte. Es wurde Nacht und wurde kühl. Die Kinder hungerten und fingen an zu frieren. Die Erwachsenen waren erschöpft und müde, und ebenso die Gespanne mit Ochsen und Kühen. Trotzdem mußte weiter gefahren werden, da es Militärbefehl war und die Flüchtenden nicht viel zu sagen hatten, denn die Landstraße von der Grenze bis Neumarkt (Marosvásárhely) zu wurde immer mehr mit marschierenden, berittenen und fahrenden Militäreinheiten überfüllt und verstopft. Zusätzlich zu der Gemeinde Maniersch kamen in Balavásár auch die Flüchtlinge aus Zendersch und Felldorf auch auf die Landstraße zusammen mit ihren bepackten Wägen, so daß sich der Treck immer mehr vergrößerte. Erst um Nachmitternacht, von l bis 2 Uhr, durfte auf bittliches Verlangen, neben der Landstraße eine Stunde lang eine Erholungspause gemacht werden.

Um 2 Uhr wurde weiter gefahren. Am frühen Morgen, als die Sonne ihre ersten Strahlen wieder über die Erde ausbreitete, war der ganze Treck kurz vor Neumarkt angelangt, und lagerte sich das Ganze auf die neben der Landstraße ausgebreiteten großen Wiesenflächen, in der Absicht, eine


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längere Rast hier einzuschalten und in dieser Zeit von irgend einer Seite her auch weitere Informationen und nähere Berichte erhalten zu können, ja sogar mit dem Gedanken, von hier die Rückreise nach Hause eventuell über kurz oder lang wieder anzutreten. Es wurde das Vieh gefüttert und getränkt, und die Menschen konnten sich nach einer schlaflosen Nacht wieder mit Speis und Trank etwas erquicken. Hier an diesem Ort wollte es das Geschick, daß meine lieben zurückgebliebenen Familien-Angehörigen mich mit meinen Kindern schon am zeitigen Vormittag eingeholt hatten, für was ich unserem lieben Herrgott auch heute noch von ganzem Herzen dankbar bin. In dieser kurzen Zeit unserer Trennung kannte ich keinen größeren Wunsch auf der Welt, als wie ein „Wieder-Zusammenfinden” mit meinen Familien-Angehörigen.

Es gingen einige Männer in die Stadt hinein, um Informationen einzuholen über die ganze Situation. Am Nachmittag des 9. Sept. erfuhren wir, daß sich ein großer Teil der Landsleute von Zendersch und Felldorf, unter der Leitung ihrer Treckführer, auf Grund der erhaltenen Informationen entschlossen hätten, weiter zu fahren in Richtung Sächsisch-Reen, da an eine Rückkehr in die Heimatgemeinden z. Zt. gar nicht zu denken sei, nachdem sich eine regelrechte Front in unserer Heimatnähe gebildet hätte. Bei der Durchfahrt durch die Stadt wurde diese weiter marschierende Kolonne von deutschen Flugzeugen, und wie uns berichtet wurde, mit rumänischen Piloten besetzt, welche über uns, [die] vor der Stadt parkenden Trecks, überflogen, eingeholt und mit Bomben und im Tiefflug mit Maschinengewehrfeuer stark beschossen. Bei diesem Fliegerangriff fanden schon am zweiten Tag unserer Flucht viele Landsleute in der Stadtmitte von Neumarkt den Tod1. Nach


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den nachträglich bekannt gewordenen Berichten sollen an diesem Tag 42 Personen, Tote und Verwundete, in dieser Stadt zurückgeblieben sein. Dies war eine bittere Nachricht und für jeden schmerzlich, so daß wir ratlos waren, was anfangen. Die Nachricht, die des öfteren uns auch immer mitgeteilt wurde, daß die feindliche Front in allernächste Nähe gerückt sei und immer noch in Eile näher komme und wir daher irgendwohin weiter machen müßten, war jedem furchtbar peinlich.

Kurz bevor die Nacht anbrach, waren wir noch entschlossen, auf dem in der nächsten Nähe liegenden Gutshof zu übernachten. Alle Manierscher fuhren hin. Wir hatten die Kinder kaum in ein in Eile hergerichtetes Bett hingelegt, da wurde uns von da untergebrachten Soldaten mitgeteilt, daß es besser sei, wenn wir sofort weiter fahren würden. Es wäre nicht sicher, ob es morgen bei Tag nicht schon zu spät sein könnte. Nun kamen Alle, Männer und Weiber, deren Männer nicht zu Haus waren, zusammen, wollten darüber beraten, was eigentlich gemacht und wie gefahren werden sollte. Als erste und dringendste Aufgabe hierbei erachtete jeder die Wahl eines Treckleiters, der sich von nun an über alle weiteren Verhältnisse im Namen der Gesamtheit informieren sollte und nach seiner Information wegweisend sein müßte, wobei jeder einzelne die Anordnungen des ernannten Leiters unbedingt zu befolgen hätte. Die Ernennung zu dieser unliebsamen Aufgabe als Treckleiter betraf mich persönlich, wobei alle einstimmig, wie bei mir, noch einen Stellvertreter ernannten. Diese Ernennung bedeutete für mich eine große Verantwortung, da die Sorgen sich für mich zusätzlich für denen, die ich meiner Familie schuldig war, sehr stark vergrößert hatten und [ich] körperlich als auch geistig von nun an viel mehr belastet war. Trotzdem nahm ich die Ernennung an.

In der Nacht vom 9. zum 10. Sept., um die Mitternachtsstunde, setzte sich die ganze Kolonne in Bewegung, und wir fuhren Wagen an Wagen schön langsam des Weges weiter durch die Stadt, wo wir noch die am Vortag durch die Tiefflieger getöteten Ochsen und Kühe auf der Asphaltstraße sehen konnten, in Richtung Sächsisch-Reen zu. Am Abend des selbigen Tages mußten wir in einer Gemeinde kurz vor Sächsisch-Reen nochmals übernachten, da alles mitgenommene Rindvieh zu sehr übermüdet war. In der Früh am 11. Sept. erreichten wir Sächsisch-Reen, wo wir zu unserer großen Überraschung eine Weisung nach der anderen erhielten, alles müßte so bald wie möglich zum Bahnhof oder wenigstens in die Nähe desselben hinfahren. In der Nähe des Bahnhofes auf einem mir bis zu der Zeit unbekannten Parkplatz, neben dem Elektrizitätswerk, fanden sich aus 5 Gemeinden, Maniersch, Zendersch, Felldorf, Rode und ein großer Teil aus Zuckmantel, die Landsleute mit ihren Wägen und Vorgespannen und noch zusätzlich mitgebrachtem Vieh, die Landsleute alle zusammen. Es wurde bald nach Ankunft bekannt gegeben, daß die Weiterreise bzw. Flucht unbedingt weiter gehen müßte, und zwar mit dem Zug, da ja sowieso eine Weiterfahrt mit dem Hornvieh unmöglich sei. An diesem Tag mußte sodann auch ich, wie


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alle Landsleute, die bis hierher mitgebrachten Gespanne und alles Vieh an die deutsche Wehrmacht abgeben. Bei der Übergabe meiner 2 Pferde und 2 Kühe, die eine hochträchtig, die andere eine der besten Milchkühe mit täglich 20 l Milchleistung, wars mir furchtbar schwer zumute, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wann ich als Bauer wieder Vieh haben werde, da ich kein Geld für diese 4 Stück, sondern nur eine Bestätigung, welche ich auch heute noch bei mir habe, erhalten hatte. Meine beiden Wägen als auch alle, sowie viele von zuhause mitgenommenen Sachen, mußten auch übergeben werden oder liegen bleiben, weil voraus gesagt worden war, daß auf den Zug nur das dringend notwendigste aufgeladen werden könnte. Die Verladung verzog sich von Stunde zu Stunde, weil keine Waggons aufzutreiben waren.

Es wurde Nacht. Kurz vor Mitternacht erhob sich ein furchtbar schweres Gewitter mit ununterbrochenem Blitzen und Donnern, wobei sich dann ein Wolkenbruch, schwerer Regen entlud. Ich war ständig unterwegs vom Parkplatz bis Bahnhof und zurück und erkundigte mich, wann die Einwaggonierung ungefähr möglich sei. Gegen morgens war ein Zug von etwa 50 Waggons, darunter 3 oder 4 Viehwaggons, die übrigen alles nur Schotter- oder Bahnschienen-Waggons, ohne ein cm hohe Seitenwand. Ich schleppte meine noch wenig zurückbehaltenen Sachen auch auf so einen Waggon, auf welchen wir 82 Personen uns unterbringen mußten. In kurzer Zeit war alles verladen, und der Zug setzte sich in Bewegung. Es ging immer nur kurze Strecken weit, und dann wurde gehalten, da die Lokomotive viel zu schwach war der großen Last gegenüber. Es waren 2600 Personen, zusätzlich noch für jeden das Gepäck aufgeladen. Einmal gings vor und dann rückwärts. Jeder hätte nun davon geeilt, weil die Nachricht verbreitet wurde, daß die russische Front schon sehr nah sei und immer näher rücke. Zweimal riß der Zug in zwei und drei Teile. Bis daß das Eisenbahnpersonal wieder alles zurecht gemacht hatte, dauerte das gewöhnlich halbe Tage. Bei längeren Aufenthalten suchte jeder, wo etwas zu finden war, nach Brettern und Stangen. So wurde von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, während der Fahrt, jeder für sich, an die Waggons mit der Zeit etwa l m hohe Seitenwände angebracht. Obenauf wurden Holzstangen quer gelegt, und hierauf wurde der Waggon mit Maisstengeln und Stroh zugedeckt. Ein Dach, durch welches der Regen leicht durch konnte, der Sonnenschein dagegen nicht, und war daher nur für trockene und kalte Nächte geeignet. Weil es aber auch Regentage und -nachte gab, so wurden wir naß, und unser Gepäck fing an zu faulen. In der dritten und vierten Woche waren wir schon geplagt mit Ungeziefer, da ein Reinhalten und Wäschewaschen absolut nicht möglich war. Im Laufe der Zeit wurde uns auch eine Transportleitung zugeteilt und ein Arzt und etwas wenig Bahnpersonal. Sobald der Zug irgendwo hielt, versuchte jeder auf oder zwischen 2 Mauerziegeln oder Steinen ein Essen zuzubereiten. Oft mußte der Topf mit den halb gekochten Kartoffeln oder Bohnen auf den Zug geworfen werden, wenn der Befehl „einsteigen” von einem Zugende zum ändern weiter geschrien wurde. In diesen Waggons mit dem niedrigen Strohdach, welche während unserer 6 Wochen langen Fahrt von vielen neugierigen Menschen und Fotografen fotografiert worden sind, weil der ganze lange Zug gleichmäßig so war, konnte niemand einmal grad


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stehen oder sitzen, sondern nur gebückt. Mußten oft bei Fliegeralarm mit Kind und Kegel aus dem Zug Hals über Kopf herausstürzen und das Weite suchen. Wenn keine Gräben oder Wald in der Nähe [waren], so nahmen wir Schutz unter der still stehenden Lokomotive und unter den Waggons. Zeit und Platz halber muß ich eine nähere Beschreibung dieser unserer nie vergeßlichen Reise vom 11. Sept. bis 16. Okt. 1944 beenden, obwohl ich von dieser noch ein ganzes Buch voll schreiben könnte.

Am 16. 10. landeten wir in Bischwitz bei Breslau, wo ein Teil Landsleute hier ausgeladen und in ein Flüchtlingslager untergebracht wurden. Der andere Teil mußte weiterfahren, zu dem auch ich angehörte. So wurden wir in Bad Langenau bei Glatz in ein Flüchtlingslager untergebracht. Es ist interessant, es selbst zu erfahren, daß der Mensch auch ein Gewohnheitstier ist. Denn Alt und Jung hatten sich auf dies schmutzige, unregelmäßige Leben eingewöhnt, so daß gegen eine Weiterfahrt nicht arg gestreikt worden wäre. So hatte es wenigstens den Anschein bei manchen Menschen, Mußte staunen, als unser 2½jähriger arg zu weinen anfing, als wir ausgeladen worden waren und er bemerkte, daß der Zug weiter gefahren war, und er das nicht begreifen konnte, warum wir nicht weiter fahren durften. Denn vor dem Zurückbleiben auf irgend einer Station auf der Fahrt hatte jeder eine furchtbare Angst, das war auch den Kleinsten beigebracht worden, weil das eine Trennung für immer bedeuten konnte. Und so fühlte sich dieser Kleine als Zurückgebliebener. In diesem Flüchtlingslager waren wir untergebracht vom 16.10.44 bis zum 6.5.1945, und erfolgte keine leichtere, sondern eine noch schwerere, das war unsere zweite Flucht, von der ich in ganz kurzen Zügen noch folgendes berichten möchte.

Am 6. Mai erhielten wir vom Lagerführer die Anordnung, alles müßte sich zur Flucht vorbereiten. Die Kinder und alten Leute wurden zum Bahnhof befördert und einwaggoniert. Diese sollten in Richtung Komotau—Bayreuth fahren, und alle anderen Lagerinsassen sollten, nach Angaben des Lagerführers, zu Fuß, so lang es ging, nachmarschieren. Daher durfte und konnte nur das dringend notwendigste mitgenommen werden, was jeder tragen konnte. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit wurde aus dem Lagerhof heraus marschiert. Auf einem Wagen mit einem Pferdegespann war der noch vorhandene Küchenproviant, Brot, Fett, Marmelade und dgl. aufgeladen. Es war eine stockfinstere Nacht. Kaum waren wir 4 km bis Habelschwerdt gefahren, da fing es an zu stürmen und zu regnen. Die Marschkolonne war schlecht zusammen zu halten, da sie nicht übersehen werden konnte. Bei Tagesanbruch waren wir in Altheide, wo wir eine kurze Zeit ausrasten konnten, bis der Lagerführer sich bei der Bahn erkundigte, damit wir nicht mehr zvi Fuß weitergehen müßten. Es war auch nicht möglich, da vielen und auch mir die Füße bluteten und am ganzen Leibe ganz naß waren. Schon um 8 Uhr konnten wir einsteigen und fuhren mit der Bahn bis nach Rückers, wo wir über die CSR-Grenze weiter fahren oder marschieren sollten. Dies war jedoch nicht mehr möglich, weil die Grenze schon abgesperrt war. Unser Provlantwagen war noch nicht angekommen, und so hatten wir kein Essen. Der Lagerführer war von uns fort und wußte niemand wohin. Folgedessen standen wir ratlos da und wußten nicht, was an-


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fangen und wohin. Nach stundenlangem Nachfragen und Suchen fand ich ihn am Stadtende bei einem Freund von ihm, wo er sich zur Ruhe und Erholung von seiner nächtlichen Anstrengung hingelegt hatte. Ich bat ihn, bei die Leute zum Bahnhof kommen zu wollen, da diese im ganzen Wartesaal im Fußboden liegen, Hunger hätten und weiter fahren möchten. Erhielt aber eine ablehnende Antwort. Er sagte zu mir, ich kenne mich in der Geografie gut aas und Deutschland kenne ich auch gut, ich sollte mit den Leuten nach bestem Gutdenken weiter marschieren oder fahren. Es gäbe sowieso keine Vorschrift mehr, jeder könne reisen, wohin es ihm beliebe. Ich erwiderte ihm hierauf, daß ich keine Berechtigung hätte, mich als Transportführer einer größeren Gruppe zu ermächtigen, und könnte nur mit meiner eigenen Familie höchstens Weiterreisen. Aber die Leute dürften doch nicht auf der begonnenen Wegstrecke liegen gelassen bleiben, sondern [müßten] weiter betreut werden, oder hätte er sie im Lager lassen sollen. Daraufhin gab er mir, Macht seiner Stellung als Lagerleiter, eine schriftliche Vollmacht, versehen mit dem Lagerstempel, mit welcher ich mich überall als Transportleiter dieser Leute ausweisen konnte. Er wollte nicht mehr zu uns kommen und hatte uns schon am nächsten Tag unserer Flucht praktisch verlassen.

Ich verabschiedete mich von ihm und kam zu den Leuten und teilte ihnen den ganzen Sachverhalt mit und erklärte mich bereit, daß ich nach Kräften die Weiterführung des ganzen Transportes übernehmen würde und jeden, der sich nur anschließen würde, die weitere Betreuung, soweit es mir möglich sei, zukommen lassen [würde]. Daraufhin erkundigte ich mich beim Bahnhofsvorstand, wann eine Weiterfahrt möglich sei. Und zwar in Richtung Glatz und Waldenburg. Konnten sodann um 12 Uhr weiter fahren und kamen am späten Abend in Waldenburg an, wo wir liegen bleiben mußten, weil eine Weiterfahrt über Hirschberg (wie ich mir geplant) nach Angabe des Bahnhofsvorstehers erst am nächsten Morgen um 5 Uhr möglich sein konnte. Diese Zeit benutzte ich, indem daß ich für die ausgehungerten Leute beim Roten Kreuz ein Essen bestellte und mich telefonisch nach allen verschiedenen Richtungen erkundigte, wo ungefähr der von Langenau abgegangene Zug mit unseren Lagerinsassen und Familienangehörigen sein könnte. Zuerst fragte ich in Langenau an, wo ich aus guter Bekanntschaft genau die Abfahrtszeit und die Weiterleitung von Bahnhof zu Bahnhof erfahren konnte. Denn das wichtigste war mir das, daß wir sobald wie möglich mit unseren im Flüchtlingslager getrennten Angehörigen wieder zusammenfinden könnten. Dies war zu der Zeit nicht so einfach.

In der Nacht, als die Leute im Wartesaal auf dem Fußboden dicht aneinander gedrängt schliefen, wachte ich im Büro des wachthabenden Bahnbeamten und erfuhr somit oft im Telefon die Vorgänge an der Front und zeichnete mir von einer auf dem Tisch liegenden Karte ein Skizze ab, weil ich überhaupt keinerlei Land- oder Bezirkskarte besaß, und somit eine Orientierung fast nicht möglich war. Um 4 Uhr fiel ein Artilleriegeschoß, den Bahnhof überquerend, unweit vom Bahnhof. Kurz nachher die zweite Granate, welche viel näher einschlug. Ich vermutete das Verfahren eines Gabelschießens und hatte arg Bedenken, daß sich der Feind nun auf den Bahnhof


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einschießen würde und dann diesen unter Trommelfeuer nehmen würde. Erkundigte mich sofort, wo der nach Hirschberg stehende Zug stand, weckte meine Leute und ließ sie alle einsteigen, damit keiner zurück bleibe. Punkt 5 Uhr, als der Zug eigentlich abfahren sollte und meine Leute alle in den Waggons untergebracht waren, wurde laut verkündet, daß ab sofort kein Zug mehr abfahre und die Benützung der Züge für Zivil-Personen streng verboten sei. Dies war für mich und alle ein sehr schwerer Schlag. Alles kam panikartig um mich ringsumher und jammerte und fragte, was nun zu machen sei. Es blieb kein anderer Ausweg übrig, als zu Fuß weiter marschieren, weil jeder weder zurückbleiben noch zu, sondern von der immer näher rückenden Front so schnell wie möglich immer weiter kommen wollte. Nun war meine Skizze sehr wertvoll.

Ersuchte daher alle, nur das allernotwendigste Gepäck noch zu behalten, das ander alles liegen lassen; und der, der mitkommen möchte mit mir, sollte sich mir anschließen und mir nachkommen. Wußte nämlich selber nicht, wozu es am besten zu marschieren sein würde, weil ja alle Straßen und Wege nach kurzer Zeit unseres Abmarsches mit Militär und Zivilpersonen voll überfüllt waren. Unsere Direktion war (über Berg und Tal) Friedland. Von hier konnten wir mit dem Zug weiterfahren, so daß wir in der Nacht zum 8. auf dem Bahnhof Halbstadt ankamen, wo ich in der Mitternachtsstunde im Rundfunk die Kapitulation der deutschen Armee und eine Rundfunkansprache von Stalin hörte. Von hier konnten wir am Nachmittag des 8. weiterfahren bis Trautenau, wo wir wiederum übernachten mußten. Von diesen Bahnhöfen telefonierte ich jedesmal nach allen Richtungen und fragte auch nach beim Bahnhofspersonal nach dem von Langenau durchgefahrenen Zug, mit so und so bekleideten und sprechenden Menschen. Sodann wollte es das Schicksal, daß wir uns in Trautenau wieder alle zusammen fanden, am 9. Mai, weil die mit dem Zug gekommenen hier einquartiert waren und wir sie so eingeholt hatten. Nun war das ganze Lager, über 200 Personen, darunter 74 Kinder unter 14 Jahren, wieder beisammen. Dies war für jeden neben dem Kummer auch eine Freude.

Am 11. 5. war es erst möglich, alle miteinander wieder weiterzufahren. Konnten jedoch nicht, wie es meine und unsere Absicht war, bis Reichenberg kommen, sondern wurden mit allen Waggons, ohne daß wir aussteigen brauchten, nach Hohenelbe abgeschoben. Hier waren wir eine ganze Woche in unseren Waggons und warteten [auf] unsere Weitertransportierung. Hier erhielt ich einen richtigen Reisepaß, mit dem ich mich überall ausweisen konnte als Transportleiter, weil er von den Behörden in Hohenelbe in tschechischer Sprache ausgestellt und mit Siegel versehen war. Hier kamen wir auch mit russischen Soldaten zum erstenmal zusammen, wo uns ein russischer Feldwebel ausfragte, von wo wir sind, und etwa 8 Männern in entgegenkommender Weise jedem 2 Glas Bier in einer Gastwirtschaft spendierte. Nach einer Woche konnten wir in Richtung Reichenberg weiterfahren. Von hier mit einem anderen Zug bis Tetschen-Bodenbach. Auf dieser Strecke wurde unser Zug in einen Wald bei einem Bahnhäuschen von russischen Truppen angehalten, wobei 3 Männer von unserem Transport mit anderen vielen reisenden deutschen Soldaten auch zurück gehalten wurden.


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In Tetschen-Bodenbach konnten wir wieder einen ändern Zug besteigen, mit welchem wir über Aussig bis Karlsbad direkt weiterfahren konnten. Bis Karlsbad waren noch mehrere Gepäck-Untersuchungen, wobei oft eine gute Uhr oder sonst aufbewahrte wertvolle Gegenstände oder Schmalzbüchsen abgenommen wurden. Kurz vor Tagesanbruch am 18. waren wir in Karlsbad, wo wir von amerikanischen Soldaten übernommen wurden und in Scharen auf dem Egerufer zusammengetrieben wurden. Nach mehrmaligem Bitten beim Ami wurden wir, weil mein Transport aus Rumänien stammte, noch an demselben Tag nach Eger mit Militärautos überführt. Hier wurden wir einquartiert und konnten erst nach 3 Wochen nach meiner tagtäglichen bittlichen Vorsprache beim amerikanischen Militär-Kommando von hier aus nach Bayreuth wiederum überführt werden, weil wir mit unseren in Bayern befindlichen Landsleuten zusammenkommen wollten und zusammen über Nürnberg, Passau und Linz, so wie mein Paß ausgestellt war, dann über Wien und Budapest bis nach Schäßburg in unsere Heimat fahren.

Ohne mein tägliches Bitten hätten wir von Eger nicht weiterfahren können, weil sich kein Mensch um uns kümmerte, und mit unseren vielen Kindern eine Zu-Fuß-Reise nicht möglich war. Diese vielen körperlichen und geistigen Strapazen und Sorgen waren für mich sehr schwer, da immer wieder verschiedene Vorkommnisse geregelt werden mußten. So war z. B. von meinem Transport tagszuvor, wie von Eger der Abmarsch erfolgte, eine Schwägerin von mir wegen Entbindung im Krankenhaus zurückgeblieben. So konnten nur die Kinder mitkommen. Der Vater und ältere Bruder von diesen waren irgendwo in der Armee. In Bayreuth mußte ein lOjähriger Junge ins Krankenhaus überführt werden, da er von einer Handgranate arg verwundet worden war, die die Kinder im Hof der Gräserschule gefunden hatten. Nach einer Woche kamen wir von Bayreuth nach Weiden. Hier erkrankte eine Manierscherin an Typhus. Von hier konnte ich, nach vielem Bitten um eine Bescheinigung, wieder nach Eger zurückfahren und die Wöchnerin zu Fuß über die bayerische Grenze nachholen, was mit großer Strapaze und Gefahr verbunden war. Von Weiden konnten wir bis Regensburg noch kommen, von wo eine Weiterreise uns strengstens untersagt wurde. Hier mußten wir Winterquartier beziehen in den umliegenden Gemeinden.


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