a. Die Entwicklung der politischen Lage bis zur Abschaffung des Königtums.

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Noch am 25. August 1944 ließ die sowjetische Regierung durch Molotow erklären, sie werde sich in die Gestaltung der inneren politischen und sozialen Struktur Rumäniens nicht einmischen1. Der nach dem Umsturz gebildeten Koalitionsregierung des General Sănatescu gehörten neben dem Führer der zahlenmäßig unbedeutenden rumänischen Kommunisten, Lucreţiu Pătrăşcanu, auch die demokratischen Parteiführer Julius Maniu (National-ţaranisten), Dinu Brăţianu (Liberale) und Constantin Titel-Petrescu (Sozialdemokraten) an2. Ein Dekret vom 31. August 1944 setzte die alte demokratische Verfassung von 1923 erneut in Kraft3. Das demokratische Zwischenspiel war jedoch von kurzer Dauer. Schon am 4. November schieden Maniu, Brăţianu und Petrescu aus der Regierung aus, während Petru Groza, Führer der kommunistisch bestimmten „Bauernfront” und führendes Mitglied der neugebildeten „Nationaldemokratischen Front” (FND), das Vizepräsidium des Ministerrats übernahm4. Ebensowenig wie Sănatescu vermochte General Rădescu, der Anfang Dezember die Führung des Koalitionskabinetts übernommen hatte5, der von kommunistischer Seite systematisch geschürten Unordnung und Unruhe im Lande Herr zu werden. Sein Versuch, kommunistische Demonstrationen mit Waffengewalt zu zerstreuen, gab den Sowjets den erwünschten Anlaß zur Intervention. Am 2. März 1945 mußte König Michael Groza zum Ministerpräsidenten ernennen; wenige Tage später übernahm das neue Kabinett der „Nationaldemokratischen Front” die Regierung, in der nun alle einflußreichen Posten mit Kommunisten besetzt waren6.

Der Kampf Grozas und der Kommunisten gegen die Opposition der „historischen” Parteien, der Nationalţaranisten Manius und der Liberalen Brăţianus, bestimmte das politische Geschehen in Rumänien während der


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folgenden Jahre. Wiederholte Interventionsversuche der Westmächte für eine Beteiligung der Opposition an der Regierung und für die Abhaltung freier Wahlen blieben ohne nachhaltigen Erfolg7. Die rücksichtslos gefälschten Ergebnisse der Novemberwahlen von 1946 gaben der FND 348 von insgesamt 414 Mandaten der Nationalversammlung8. Mitte Juli 1947 wurden die führenden Nationalţaranisten verhaftet. Wenige Wochen nach ihrer Aburteilung9 wurde König Michael zur Abdankung gezwungen. Am 30. Dezember 1947 war Rumänien Volksrepublik10.

Die schon Ende 1944 einsetzenden Versuche, die rumänische Nationalitätenpolitik auf neue Grundlagen zu stellen, waren von Anfang an kommunistisch gelenkt. Bei der Bildung des zweiten Kabinetts Sănatescu wurde der kommunistische Professor G. Vlădescu-Răcoasa zum Minister für Nationale Minderheiten ernannt11. Aufgabe des neugeschaffenen Ministeriums war das Studium „aller durch das Bestehen verschiedener auf dem Gebiet des rumänischen Staates mitwohnender nationaler Minderheiten entstehenden Probleme” und die Überwachung und Kontrolle „aller Maßnahmen, die das gesamte soziale Leben der nationalen Minderheiten betreffen, im Rahmen des Statuts für Nationale Minderheiten”12. Das noch im letzten Monat der Amtszeit Rădescus, am 6. Februar 1945, erlassene Statut sichert allen rumänischen Staatsbürgern „ohne Unterschied der Rasse, Nationalität, Sprache und Religion” volle Gleichberechtigung zu, wobei nationaler Exklusivismus wie die Propagierung von Haß oder Verachtung um der Rasse, Religion oder Nationalität willen ausdrücklich unter Strafe gestellt werden13. Der freie Gebrauch derMuttersprache im privaten Bereich wurde ebenso verbürgt, wie ihre Zulassung als Amts- und Gerichtssprache in Orten und Bezirken, in denen die Angehörigen einer Minderheit mehr als 30 % der Bevölkerung ausmachen; über die Einrichtung staatlichen Unterrichts in den Sprachen der Minderheiten hinausgehend, sollten sich auch die konfessionellen Privatschulen der Minderheiten staatlicher Unterstützung erfreuen. Das Nationalitätenstatut wurde durch die Regierung Groza ausdrücklich be-


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stätigt und durch ein besonderes Strafgesetz verstärkt14. Ein weiteres Dekret verbot den Gebrauch des Begriffs „Minderheit”15; an die Stelle des Verhältnisses von Staatsnation und Minderheiten trat im Sinne der marxistisch-stalinistischen Nationalitätenpolitik die Idee der „zusammenwohnenden” oder „mitwohnenden Nationalitäten”16.

Ziel dieser Nationalitätenpolitik war es zunächst, dem Kommunismus angesichts der kommunistenfeindlichen Haltung weiter Kreise des Rumänentums bei den Angehörigen der nationalen Minderheiten, den Serben, Ukrainern, Zigeunern, Türken, Tataren, besonders aber den Madjaren, Rückhalt zu verschaffen. Die Sicherung der madjarischen Nationalitätenrechte17 bildete darüberhinaus eine wesentliche Voraussetzung für die wenige Tage nach dem Regierungsantritt Grozas verfügte endgültige Rückgabe Nord-Siebenbürgens an Rumänien18. Die Volksdeutschen waren von den Vergünstigungen des Nationalitätenstatuts in den ersten Jahren weitgehend ausgeschlossen, obwohl im Organisationsgesetz des Minderheitenministeriums neben der madjarischen, slawischen und „balkanischen” ausdrücklich auch eine: deutsche Sektion vorgesehen war19.

Die „Deutsche Volksgruppe in Rumänien” und die ihr 1940 verliehenen Privilegien waren, wohl unter Bezug auf Art. 15 des Waffenstillstandsvertrages20, durch Dekret vom 8. Oktober 1944 aufgehoben worden21. Unmittelbar nach der rumänischen Kapitulation hatte Senator Hans Otto Roth nach Fühlungnahme mit Ministerpräsident Sănatescu in einem „Aufruf an die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben” die Verantwortung für die Deutschen in Rumänien übernommen22.


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Als Kurator der evangelischen Landeskirche, mit deren neugewähltem Bischof Dr. Friedrich Müller er eng zusammenarbeitete, behielt Roth auch in der Folgezeit einen gewissen Einfluß. Seinen persönlichen Beziehungen zu Maniu und Brăţianu waren: manche Erleichterungen zu verdanken, wenn er auch die von den Sowjets angeordnete Deportation nicht verhindern konnte23. Die demokratischen rumänischen Parteien ermöglichten die Herausgabe der „Temesvarer Zeitung” — mit einer Sonderausgabe für Siebenbürgen —, neben der als sozialdemokratisches Organ die ebenfalls deutschsprachige „Freiheit” erschien24. Auf die Dauer mußte sich angesichts der innenpolitischen Gewichtsverlagerungen freilich gerade dieser enge Kontakt der alten sächsischen Führungsschicht zu den „historischen Parteien” nachteilig auswirken; schon gegen Ende des Jahres 1945 ließ Ministerpräsident Groza Roth mitteilen, er könne ihn als „bürgerlichen Reaktionär” nicht mehr empfangen.

Die Politik der rumänischen Kommunisten war in den ersten Jahren nach dem Kriege offen gegen die Volksdeutschen gerichtet. Versuche Volksdeutscher Kreise, durch ein „Antifaschistisches Komitee” unter dem Hermannstädter Sozialisten Rudolf Mayer politisch zum Zuge zu kommen, blieben erfolglos25. Das im März 1945 erlassene Bodenreform-Dekret richtete sich in erster Linie gegen die ehemaligen Angehörigen der Deutschen Volksgruppe, damit aber praktisch gegen die Volksdeutschen allgemein, da sie ja durch das Volksgruppengesetz von 1940 automatisch zu Mitgliedern der Volksgruppe erklärt worden waren26. Noch das am 14. Juli 1946 verkündete Wahlgesetz schloß neben Kollaborateuren, Kriegsverbrechern und an der Katastrophe des Landes Schuldigen auch alle Mitglieder der ehemaligen Deutschen Volksgruppe vom Wahlrecht aus27. Schlimmer noch als die gesetzliche Diskriminierung war die praktische Rechtlosigkeit der Volksdeutschen. Kommunistische Haßpropaganda führte zu örtlichen Ausschreitungen, gegen die vielfach auch wohlwollende Beamte machtlos waren28. Willkürliche Beschlagnahmen von Wohnungen, Häusern und sonstigem deutschen Eigentum, Haussuchungen und Verhaftungen blieben auch weiterhin an der Tagesordnung29, betrafen freilich das rumänische Bürgertum in kaum ge-


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ringerem Maße. Für die Volksdeutschen in den zur Deportation herangezogenen Altersklassen bestand, soweit sie der Verschleppung im Januar 1945 entgangen waren, eine amtlich verfügte Arbeitspflicht, in deren Rahmen sie im Lande, zum Teil in den Bergwerken von Petroşeni und Anina, zum Teil zu gelegentlichen Straßen- und Aufräumungsarbeiten, eingesetzt wurden30.

Selbst von kommunistischer Seite scheint jedoch eine geschlossene Aussiedlung der Volksdeutschen aus Rumänien, wie sie in der Tschechoslowakei, in den östlichen Reichsgebieten und in Ungarn erfolgte, nie ernsthaft erwogen worden zu sein31. Schon in den Jahren 1946/47 gelang den Deutschen dann zum Teil eine gewisse Konsolidierung auf wirtschaftlichem Gebiet, vor allem aber im kirchlichen Bereich und im Schulwesen. Der offene Übergang Rumäniens zur kommunistischen Diktatur in der zweiten Jahreshälfte 1947 schuf schließlich mit der Ausdehnung der 1944/45 proklamierten Nationalitätenpolitik auf die Deutschen bei gleichzeitiger Inangriffnahme der systematischen Bolschewisierung des Landes völlig neue Voraussetzungen.