b. Die wirtschaftliche Lage der Volksdeutschen nach der Bodenreform.

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Schon das erste, Ende September 1944 veröffentlichte Programm der Nationaldemokratischen Front hatte umfassende Enteignungen und Verstaatlichungen propagiert32. Die Weigerung Rădescus, die von der FND geforderte Bodenreform unverzüglich durchzuführen, trug wesentlich zu seinem Sturz bei33. Appellierte die Nationalitätenpolitik der rumänischen Kommunisten an die Mitarbeit der nationalen Minderheiten, so sprach auch aus der Bodenreform in erster Linie das Bemühen, die landlose und landarme Dorfbevölkerung für die kommunistische Politik zu gewinnen. Aus wirtschaftlichen Erwägungen war eine neue Agrarreform, nachdem der eigentliche Großgrundbesitz mit wenigen Ausnahmen schon durch die nach


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dem ersten Weltkrieg durchgeführten Reformen beseitigt worden war, zweifellos nicht zu rechtfertigen. Das Ergebnis der Bodenreform von 1945 war neben einer katastrophalen Schwächung der rumänischen Landwirtschaft vor allem die Zerstörung der wirtschaftlichen Fundamente des rumänien-deutschen Bauerntums.

Die gesetzliche Grundlage der neuen Bodenreform bildete das Dekret-Gesetz Nr. 187 vom 23. März 194534, das durch das Durchführungs-Reglement Nr. 4 vom 11. April 1945 ergänzt wurde35. Entschädigungslos enteignet wurden nach Art. 3 des Reformgesetzes:

a) „die Bodenflächen und landwirtschaftlichen Besitztümer jeder Art, die deutschen Staatsangehörigen sowie rumänischen Staatsangehörigen, physischen und juristischen Personen, deutscher Nationalität (Volksabstammung) angehören, die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet haben;

b) „die Bodenflächen und sonstigen landwirtschaftlichen Besitztümer der Kriegsverbrecher und der für das Unglück des Landes Verantwortlichen;

c) „die Bodenflächen derjenigen, die in Länder geflohen sind, mit denen Rumänien sich im Kriegszustand befindet oder die nach dem 23. August 1944 ins Ausland geflüchtet sind”.

Erst an achter Stelle erwähnt das Gesetz den Großgrundbesitz, soweit er 50 ha überschreitet.

Nach der Definition der Durchführungsverordnung fielen unter Artikel 3, a:

„rumänische Staatsbürger, die Angehörige der deutschen Waffen-SS waren, mit ihren Familienangehörigen in auf- und absteigender Linie; „rumänische Staatsbürger, die mit der deutschen und ungarischen Armee abgezogen sind”;

und schließlich:

„rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität (Abstammung), die der deutschen Volksgruppe angehört haben, sowie alle diejenigen, die hitleristische Propaganda betrieben haben, indem sie gegen die demokratischen Grundsätze gekämpft oder in irgendeiner Weise zur Unterstützung des hitleristischen Deutschland beigetragen haben, sei es auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem oder sportlichem Gebiet”.

Da durch das Volksgruppen-Dekret der rumänischen Regierung vom 20. November 1940 alle rumänischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit zu Mitgliedern der Deutschen Volksgruppe in Rumänien erklärt worden waren, bedeutete dies faktisch die vollständige Enteignung der Volksdeutschen Bauern, unabhängig von der Größe ihres Besitzes. Ausgenommen waren lediglich die wenigen, die nachweisen konnten, daß sie aus der Volks-


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gruppe ausgetreten waren oder doch ihren Beitrag nicht gezahlt hatten36; gelegentlich wurden dabei Gutachten deutscher Antifaschisten herangezogen. Verschont blieben ferner diejenigen Volksdeutschen, die noch nach dem 23, August 1944 in den gegen Deutschland eingesetzten rumänischen Einheiten gekämpft hatten37. Auch ihre Zahl war gering, wobei die Berücksichtigung ihrer Ansprüche überdies in der Hand der örtlichen Ausschüsse lag38. Eine Entscheidung des Ackerbauministeriums vom 31. Mai 1946 nahm auch Zwangsevakuierte von den Bestimmungen der Agrarreform aus39; bedeutete dies eine gewisse Milderung, so betraf es doch, da Art. 3, a des Reformgesetzes ausdrücklich beibehalten wurde, nur einen kleinen Teil der Volksdeutschen Rückkehrer, vor allem der Sathmarer Schwaben und Nord-Siebenbürger, die nicht Mitglieder des für sie zuständigen Volksbundes der Deutschen in Ungarn gewesen waren.

Das Agrarreform-Gesetz wurde mit seiner Verkündung wirksam, doch setzte die tatsächliche Enteignung im allgemeinen erst im Herbst 1945 ein, da die Ernte laut Gesetz noch von den alten Besitzern eingebracht werden sollte40. Besonders in den ganz oder zum Teil von den deutschen Bewohnern geräumten Dörfern war es freilich schon vor der Verkündung des Reform-Gesetzes zu örtlichen Enteignungsaktionen gekommen, in deren Verlauf auch die zurückgebliebenen deutschen Bauern ausgeplündert und aus ihren Höfen verdrängt wurden41. In anderen Orten begannen die im Gesetz vorgesehenen Gemeindeausschüsse sofort nach der Veröffentlichung mit ihrer Arbeit, so daß Enteignung und Neuverteilung bereits im Sommer 1945 beendet waren42.

Die gesamte Enteignungsprozedur vollzog sich nur selten in den geordneten Formen, die das Gesetz vorsah. Die örtlichen Ausschüsse, die sich aus Kleinbauern, rumänischen Landarbeitern und Zigeunern zusammensetzten, gaben durch persönliche Bereicherungen und Cliquenwirtschaft vielfach Anlaß zu Beschwerden, so daß ihre Zusammensetzung häufig wechselte. Zunächst wurden den Deutschen im allgemeinen Vieh und Geräte abgenommen. Dann wurde die Aufteilung des Bodens und der Gebäude auf die neuen Besitzer vorgenommen, soweit sich diese nicht schon vorher auf eigene


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Faust in den ihnen genehmen Höfen eingenistet hatten43. Das Gesetz überließ die Größe der zu vergebenden Parzellen den örtlichen Ausschüssen, wobei jedoch die Gesamtgröße der neuen Anwesen 5 ha nicht überschreiten durfte44, in Siebenbürgen waren die „Kolonisten” vor allem Rumänen aus ärmeren Nachbargemeinden, „Motzen” aus den Gebirgsdörfern und Zigeuner45. Die ortsansässigen rumänischen Bauern beteiligten sich nur zum kleinen Teil an den Enteignungen. In den rein deutschen Siedlungsgebieten des Banats gab es im allgemeinen nur wenige Rumänen, Serben und Bulgaren, die für eine Landzuteilung in Frage kamen, so daß man hier in stärkerem Maße Kolonisten aus dem Altreich heranführen mußte; in großer Zahl waren rumänische Flüchtlinge, die im Verlauf der Kriegshandlungen aus Bessarabien, der Bukowina und der nördlichen Moldau ins Altreich gekommen waren, an den Landzuweisungen beteiligt46. Ein Teil der nicht an geordnete Arbeit gewöhnten Neubauern kehrte schon nach kurzer Zeit in ihre Heimatgemeinden zurück, so daß oft größere Landflächen brach lagen47.

Nach den im Frühjahr 1947 nach dem vorläufigen Abschluß der Bodenreform veröffentlichten Zahlen wurden 143 219 Landbesitzern insgesamt l 443 911 ha Grund und Boden enteignet48. Nur 114 000 ha wurden angeblich aus der Enteignung von Großgrundbesitz über 50 ha gewonnen49), während die Enteignung der deutschen Klein- und Mittelbauern 536 000 ha ergab50. Ein Vergleich der Gesamtzahlen für die Gebiete mit starker


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deutscher Bevölkerung mit denen der altrumänischen Provinzen ergibt ein klares Bild”:

Es entfielen somit 97 % der enteigneten Grundbesitzer mit — trotz Überwiegens der kleineren und mittleren Besitzungen — 49 % des enteigneten Bodens auf die Deutschtumsgebiete. Eine Gegenüberstellung der Zahlen für die einzelnen Judeţe läßt die aufgezeigten Verhältnisse noch eindeutiger hervortreten52.

Rund 1,1 Million Hektar Land wurden an mehr als 900 000 Bauernfamilien aufgeteilt, von denen fast die Hälfte vorher kein eigenes Land besessen hatte53. 350 000 ha verblieben als Staatsreserve, aus der später


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Staatsgüter (Staatsfarmen) gebildet wurden. Der Anteil des letztlich unproduktiven Kleinbesitzes unter 5 ha an der gesamten Anbaufläche Rumäniens wurde durch die Reform von 32,8 auf 57,7 % erhöht54. Die schon im Sommer 1945 auftretende, im Jahre 1946 wiederholte Dürre verstärkte die negativen Auswirkungen der Agrarreform, so daß es besonders im Jahre 1946 zu einer schweren Krise in der rumänischen Landwirtschaft, zu regelrechten Hungersnöten, vor allem in der Moldau, kam55.

Die Volksdeutschen hatten ihr Ackerland, ihr Vieh und ihre Gerätschaften bis zum Jahresende 1945 fast ausnahmslos verloren56. Geblieben waren ihnen zum Teil die Weinberge, da sie von den Kolonisten nicht bewirtschaftet werden konnten57. In manchen Dörfern hatte man die deutschen Bauern kurzerhand auch aus ihren Häusern verdrängt und in die am Ortsrand gelegenen Zigeunerhütten umgesiedelt; zum Teil wurden ihnen einzelne Höfe oder auch die Schule als Gemeinschaftswohnungen angewiesen58. In vielen Fällen gaben sich die Kolonisten mit einem Teil des Hofes zufrieden, so daß der deutsche Vorbesitzer mit seiner Familie in einem Winkel seiner Wohnung, im Nebengebäude oder in der Waschküche wohnen bleiben konnte59. Oft waren die unerfahrenen und vielfach arbeitsscheuen Neubauern froh, wenn sie den Rat und die Hilfe der Deutschen in Anspruch nehmen konnten60. Mancher Volksdeutsche Bauer konnte einen Teil seines alten Bodens gegen Ablieferung des halben Ertrages selbst bestellen; sogar Teile der Staatsreserve wurden vorübergehend an Deutsche verpachtet61. Dennoch suchte ein Teil der enteigneten deutschen Bauern, besonders in der Nähe der Städte, in den Fabriken Arbeit zu finden62. Andere versuchten sich durch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten, im Straßenbau oder auf den zunächst erhaltenen Muster- und Versuchsgütern einen kärglichen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Fehlen der arbeitsfähigen Männer machte sich in vielen Familien erschwerend bemerkbar. Besonders die Jahre 1946/47 waren vielfach Hungerjahre63. Eine gewisse Besserung ergab sich mit der teilweise schon 1946 einsetzenden Einrichtung von Staatsgütern, die vor allem die Volksdeutschen zur Arbeit heranzogen64.


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Für den weiteren Bestand des rumänischen Deutschtums war es von Gewicht, daß die Bodenreform nicht nur die selbständige Lebensgrundlage der zu einem großen Teil bäuerlichen Sachsen und Schwaben vernichtet, sondern zugleich auch die Geschlossenheit der deutschen Bauerndörfer durch die Hinzuführung ortsfremder Kolonisten gesprengt hatte65.

Nach der im ersten Anlauf verwirklichten Bodenreform zwang die verschärfte innerpolitische Auseinandersetzung die kommunistische Regierung, auf weitere wirtschaftliche Reformmaßnahmen zunächst zu verzichten. So konnte sich — von willkürlichen, örtlichen Übergriffen abgesehen — der deutsche Anteil am Wirtschaftsleben der Städte sehr viel länger behaupten. Deutsche Handwerksbetriebe, Geschäfte, ja selbst Fabriken arbeiteten zum Teil ungestört weiter66, um erst 1948 von der allgemeinen Bolschewisierung des rumänischen Wirtschaftslebens erfaßt zu werden.