d. Die Behandlung der Rückkehrer.

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Fast schwerer als das Los der in Rumänien Zurückgebliebenen war das Schicksal derjenigen Volksdeutschen, die als Umsiedler oder Flüchtlinge in den „eingegliederten” polnischen Gebieten, in der Tschechoslowakei und in den östlichen Teilen Österreichs vom Strudel des deutschen militärischen Zusammenbruchs erfaßt wurden.


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Mit der übrigen deutschen Bevölkerung der Ostgebiete hatten zu Beginn der zweiten Januarhälfte 1945 auch die in den damaligen „Reichsgauen” Danzig-Westpreußen und Wartheland angesiedelten Volksdeutschen aus Bessarabien. der Bukowina und der Dobrudscha den Evakuierungsbefehl erhalten79. Zahlreichen Trecks gelang es nach langwieriger und mühseliger Fahrt, mittel- oder westdeutsches Gebiet zu erreichen80. Für die östlichsten deutschen Gemeinden war der Fluchtbefehl zu spät gekommen, so daß eine geregelte Evakuierung nicht mehr möglich war. Ein Teil der Flüchtlingstrecks wurde noch vor Erreichen der Oder von den vordringenden Sowjets überholt und zum Umkehren gezwungen81. Die wehr- und arbeitsfähigen Männer wurden teilweise sofort erschossen, die übrigen wenig später zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt82. Frauen und Kinder mußten nach Plünderung ihrer Habe durch die erbitterten Polen an ihre Ansiedlungsorte zurückkehren, um dort, teils in Lagern, teils unmittelbar polnischen Bauern zugewiesen, zur Arbeit eingesetzt zu werden83. Für die aus der Sowjetunion stammenden Volksdeutschen, zu denen auch Bessarabien- und Nordbuchenland-Deutsche gezählt wurden, ordneten die sowjetischen Militärbehörden eine Rückführung an, der in den meisten Fällen eine Verschleppung ins Innere der Sowjetunion folgte84; eine größere Gruppe von Volksdeutschen aus der Nord-Bukowina lebt noch heute in Stalinabad in der asiatischen Sowjetrepublik Tadschikistan85. Ungeachtet ihrer deutschen Staatsbürgerschaft wurden wie die von der Sowjetunion beanspruchten Volksdeutschen auch ein Teil der im rumänischen Teil der Bukowina sowie in der Dobrudscha beheimateten Deutschen in den Jahren 1945/46 nach Rumänien zurücktransportiert86. Die übrigen mußten, soweit sie nicht vorher fliehen konnten, vielfach jahrelang warten, bis sie, zum Teil erst 1950. nach Deutschland entlassen wurden87.

In nicht allzu großem Umfang waren Dobrudscha- und Bukowina-Deutsche auch in den sudetendeutschen Gebieten sowie im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren angesiedelt worden. Mit ihnen wurde eine weit größere Zahl bukowina-deutscher Flüchtlinge, die ihre Ansiedlungsorte im polnischen Ost-Oberschlesien Ende Januar 1945 verlassen mußten, auf tschechoslowakischem Gebiet vom Zusammenbruch überrascht88. Es folgten die Schrecken des sowjetischen Einmarsches, zum Teil die Einweisung in tschechische Lager, sonst Wochen und Monate des Wartens, oft ohne Verpflegung und in behelfsmäßigen Unterkünften89. Auch hier gaben die


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Sowjets den Befehl zur Rückführung aller Flüchtlinge und Umsiedler. Ein schon Anfang Mai 1945 in Mähren aufgebrochener Treck erreichte über Ödenburg, Arad, Craiova Anfang August die heimatliche Dobrudscha90. In der zweiten Hälfte des Jahres gingen von Brunn, Troppau, Prag und besonders Pilsen zahlreiche Eisenbahntransporte ab, wobei die in Viehwagen eng zusammengepferchten Rückkehrer auf der wochenlangen Fahrt, ohne ausreichende Versorgung, Plünderungen und sonstigen Schikanen ausgesetzt waren, bis sie in Großwardein oder Arad den rumänischen Behörden übergeben wurden91. Bukowina-Deutsche, die im Herbst 1945 von den Tschechen kurzerhand über die benachbarte österreichische Grenze getrieben worden waren, wurden im Frühjahr 1946 von einer rumänischen Repatriierungskommission erfaßt und zurückgeführt.

Diesen Bemühungen rumänischer Stellen stand die Aufnahme der heimkehrenden Umsiedler in ihren Heimatorten entgegen. Sie hatten ihre rumänische Staatsbürgerschaft und alle Besitzansprüche verloren. Ihre Dörfer und Höfe waren verfallen oder anderweitig, in der Dobrudscha vor allem von rumänischen Umsiedlern aus Bulgarien, den „Mazedoniern”, belegt worden92. Von den Grenzbehörden nach kurzer Untersuchung und Registrierung entlassen, wurden die Volksdeutschen Rückkehrer in ihren Heimatbezirken vielfach sofort wieder erfaßt und in Arbeitslager in verschiedenen Teilen des Landes eingewiesen93. Soweit sie in ihren alten Dörfern Unterkunft fanden, mußten sie sich mit Erntearbeit, Aushilfe in rumänischen Haushalten. Handarbeiten und Gelegenheitsarbeiten aller Art unter erbärmlichen Bedingungen ihr Brot verdienen94. Wenn sie die alteingesessene rumänische und tatarische Bevölkerung auch oft bedauerte, ja ihnen sogar zu helfen suchte95, so waren sie doch, besonders von den Neuzugezogenen, zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt96. So machten die meisten der Rückwanderer von der gebotenen Möglichkeit Gebrauch, sich Anfang 1947 auf Antrag aus Rumänien ausweisen zu lassen, um dann in geschlossenen Transporten zunächst in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands übergeführt zu werden97. Die Gesamtzahl der von den Sowjets nach Kriegsende nach Rumänien repatriierten Volksdeutschen Um-


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Siedler ist nicht genau feststellbar. Für die Dobrudscha allein werden die Rückkehrer auf 2500 beziffert98, doch sind wahrscheinlich nur wenige endgültig in Rumänien geblieben99.

Die Volksdeutschen Umsiedler in den Ostgebieten unterstanden bei Kriegsende den örtlichen deutschen Partei- und Verwaltungsbehörden, die auch über ihre Evakuierung entschieden. Die in Österreich untergebrachten rumänien-deutschen Flüchtlinge, vor allem die Nord-Siebenbürger, erfuhren dagegen eine Sonderbetreuung durch ihre alte Volksgruppenführung, die zum Teil neue Fluchtpläne für den Fall eines weiteren Vordringens der Sowjets vorbereitet hatte100. Als die niederösterreichischen Aufnahmegebiete im April 1945 geräumt werden sollten, ließen sich die Pläne nur in begrenztem Umfang verwirklichen. Es fehlte vor allem an Gespannen, da die einsatzfähigen Pferde zumeist auf Anordnung der Wehrmacht eingezogen worden waren101 und nur zum Teil wiederbeschafft oder ersetzt werden konnten102. Dennoch kam es zum Aufbruch verschiedener Trecks103. Andere Gruppen schlugen sich mit der Eisenbahn, auf Militärfahrzeugen, Donauschiffen oder auch zu Fuß, teils in gelenkten Transporten, teils in regelloser Flucht nach Oberösterreich und Bayern durch, wo sie in Einzelfällen erst Ende Mai eintrafen104.

War es einem großen Teil der Flüchtlinge gelungen zu entkommen, so wurde doch auch hier eine beträchtliche Anzahl von den Sowjets überrollt; einigen Trecks war auf Befehl des zuständigen Gauleiters noch kurz vor Linz die Weiterfahrt in das mit Flüchtlingen überfüllte Oberösterreich untersagt worden105. Schon Ende Mai 1945 erging ein allgemeiner Rückfüh-


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rungsbefehl der sowjetischen Besatzungsmacht, auf Grund dessen die örtlichen österreichischen Stellen die Flüchtlinge unter Verweigerung weiterer Lebensmittelkarten zum Aufbruch nötigten106. Wiederum kam es zu Trecks, die auf wohlbekanntem Wege, diesmal unter russischer Eskorte. in mehrwöchigem Marsch nach Rumänien zurückzogen107. Daneben wurden auch in Österreich im Laufe des Juni zahlreiche Bahntransporte zusammengestellt108. Die Versorgung war in jedem Fall schlecht. Züge wie Trecks wurden, trotz zum Teil anständigen Verhaltens der sowjetischen Begleitmannschaften109, vielfach überfallen und ausgeraubt110. Auch die Durchschleusung der Transporte in Arad und besonders Großwardein vollzog sich in wenig erfreulichen Formen111. Dennoch gelangten die Heimkehrer im allgemeinen ungehindert in ihre Heimatorte.

Insgesamt dürften im Sommer 1945 auf diese Weise zwischen 15 000 und 20 000 Volksdeutsche Flüchtlinge aus Siebenbürgen und dem Banat nach Rumänien zurückgekehrt sein, wenn sich genauere Angaben auch nicht machen lassen112. Nicht nur aus den sowjetisch besetzten Teilen Österreichs, sondern auch aus Aufnahmeorten im Sudetenland und in der deutschen Sowjetzone fanden Rückführungen statt113; sogar aus den amerikanisch besetzten Gebieten wurden einzelne Gruppen zurückgeschickt114.

Das Los der heimgekehrten Flüchtlinge unterschied sich zunächst nur unwesentlich von dem der zurückgeführten Umsiedler in Dobmdscha und Bukowina. In den auf Grund von Art. 8 des Waffenstillstandsvertrages115 erlassenen Beschlagnahme-Gesetzen war neben dem Vermögen des deutschen und ungarischen Staates und ihrer Staatsangehörigen ausdrücklich auch der gesamte Besitz „von Personen mit Wohn- oder Aufenthaltsort auf dem Gebiet Deutschlands oder Ungarns sowie in den von ihnen besetzten Gebieten” unter rumänische Staatsverwaltung gestellt worden116. Die Rege-


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lung der Staatsangehörigkeit für die Bewohner der von Ungarn zurückgewonnenen Gebiete nahm überdies ausdrücklich von der Wiedererlangung der rumänischen Staatsbürgerschaft aus:

„die Bewohner Nord-Siebenbürgens, die freiwillig in den Militärdienst eines Staates getreten sind, mit welchem sich Rumänien nach dem 23, August 1944 im Kriegszustand befand, oder die sich freiwillig einer militärischen oder militärähnlichen Formation dieser Staaten angeschlossen haben”, sowie

„diejenigen, die während des Rückzuges der feindlichen Armeen aus dein Gebiet Nord-Siebenbürgens, indem sie sich mit diesen solidarisierten, freiwillig abgezogen sind”117.

Erst im Verlauf des Jahres 1946 kam es zu einer gewissen Rehabilitierung der Zwangsevakuierten; ein Dekret-Gesetz vom 16. Oktober 1946 verfügte die Rückgabe persönlichen Eigentums an Häusern, Grundstücken, Einrichtungsgegenständen, sowie auch ländlicher Kleinbetriebe und Werkstätten118; Handels- und Industriebetriebe, sowie Bankguthaben, Aktien und Wertsachen blieben jedoch ausgeschlossen. Da auch die Gültigkeit der Bodenreform für die Landgüter des fraglichen Personenkreises ausdrücklich bestätigt wurde119, war die Lage der Rückkehrer damit lediglich derjenigen der schon vorher enteigneten Volksdeutschen Landbevölkerung in den nicht evakuierten Gebieten angeglichen.

Die auf Grund der Bodenreform in die verlassenen sächsischen und schwäbischen Höfe eingerückten Rumänen und Zigeuner hatten zunächst vielfach versucht, den zurückkehrenden Volksdeutschen den Aufenthalt in


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ihren alten Heimatorten zu verwehren120. Die örtlichen Behörden veranlaßten dann im allgemeinen eine Unterbringung in leerstehenden Höfen, Scheunen, Schulen oder Pfarrhäusern, zum Teil auch in den verlassenen Lehmhütten der Zigeuner121. Oft kam es daraufhin zu einer Einigung mit den Kolonisten, die einzelne Räume freigaben122. Ein Teil der Rückkehrer wurde im Rahmen der Arbeitsdienstpflicht zur Zwangsarbeit in verschiedenen Lagern, in Bergwerken oder an staatlichen Bauprojekten eingesetzt123. Die übrigen suchten sich ihren Lebensunterhalt mit Feld- und Hausarbeiten zu verdienen, waren jedoch nicht selten genötigt, sich ihre Nahrung von Haus zu Haus zusammenzubetteln124.

Einzelne Rückkehrer, Volksschullehrer und andere angesehenere Persönlichkeiten, wurden, vielleicht als letzte Auswirkung der im Vorjahr begonnenen Internierungsaktionen, noch im Sommer 1945 verhaftet und in die politischen Konzentrationslager eingeliefert, um erst nach Jahren freizukommen125.

Wie sie wurden auch die heimkehrenden Volksdeutschen Kriegsgefangenen die ja zumeist Angehörige der Waffen-SS gewesen waren, zunächst festgehalten. Nur wenige waren schon 1945/46 nach Rumänien entlassen worden126. Der rumänischen Staatsangehörigkeit verlustig erklärt127, wurden sie, soweit man ihrer habhaft wurde, von den rumänischen Behörden wieder verhaftet, in Großwardein und anderen Gefängnissen festgehalten und zum Teil nach Ostdeutschland abgeschoben128. Größere Transporte mit Volksdeutschen SS-Angehörigen wurden erst im Dezember 1950 von Kiew nach Rumänien zurückgeführt; auch sie wurden zunächst an der Grenzstation Sighet von rumänischer Polizei übernommen und in Militärgefängnisse eingeliefert. Die Behandlung war jedoch korrekt; sie wurden im Frühjahr 1951 schubweise in ihre Heimatorte entlassen. Lediglich diejenigen, die unmittelbar zu ihren Angehörigen in Deutschland oder Österreich entlassen werden wollten, mußten länger, zum Teil bis März 1952, auf die Regelung aller Formalitäten warten129.


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