a. Die politische und kulturelle Situation.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Nachdem sich die tragenden Kräfte des neuen volksdemokratischen Rumänien nach Bildung einer sozialistisch-kommunistischen Einheitspartei, der „Rumänischen Arbeiterpartei”, in der am 27. Februar 1948 proklamierten „Demokratischen Volksfront” neu organisiert hatten1, kam es am 13. April 1948 zur Verabschiedung der ersten „Verfassung der Volksrepublik Rumänien”2. Die in Titel III der Verfassung niedergelegten „Grundrechte und Grundpflichten der Bürger” halten sich im Rahmen des auch weiterhin gültigen Nationalitätenstatuts von 1945: „Alle Bürger der rumänischen Volksrepublik sind, ohne Unterschied des Geschlechtes, der Nationalität, der Rasse, der Religion oder des Bildungsstandes, vor dem Gesetz gleich” und „haben das aktive und passive Wahlrecht für alle Organe des Staates” (Art. 16, 18); „jede Propagierung oder Manifestation von Rassen- oder Nationalitätenhaß wird gesetzlich bestraft” (Art. 17); „allen mitwohnenden Nationalitäten” wird „das Recht zugesichert, ihre Muttersprache zu gebrauchen und die gesamte Erziehung in ihrer Muttersprache zu organisieren” (Art. 24)3.


101E

Die Nationalitätenpolitik der seit dem Sturz des Königtums unumschränkt herrschenden rumänischen Kommunisten blieb bestimmt von dem Bestreben, die Nationalitäten für den kommunistischen Staat zu gewinnen, getreu dem Lehrsatz Stalins, daß der „Sieg des Proletariats ohne die Befreiung der nicht vollberechtigten Nationen und der Kolonien vom Joch des Imperialismus nicht von Dauer sein kann”4. Wichtig ist, daß sich der 2. Kongreß des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei (10./11. Juni 1948) in konsequenter Durchführung dieser Politik zu der Notwendigkeit bekannte, „das Problem der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen und dem Banat auf demokratische Weise zu lösen”5; nach „Ausmerzung des Einflusses, den der Hitlerismus in den Reihen der deutschen Bevölkerung in der Volksrepublik Rumänien gehabt hat”, sollte, so wollte es die Resolution, mit Hilfe des Zentralkomitees „eine Arbeiterpartei der deutschen Bevölkerung auf der Grundlage der Klassendifferenzierung” geschaffen werden.

Noch im Juni 1948 kam es an verschiedenen Orten des Landes zu organisierten deutsch-rumänischen Verbrüderungsfeiern6. Im Dezember nahm eine Entschließung des Politbüros der Partei zur nationalen Frage die Thesen der Juni-Resolution wieder auf7. Man sprach von ideologischer Umerziehung der deutschen Bevölkerung, von der Bedeutung der „deutschen werktätigen Massen” als eines aktiven Faktors beim sozialistischen Aufbau Rumäniens. Am 13. Februar 1949 wurde nach längeren Vorverhandlungen das „Deutsche antifaschistische Komitee für Rumänien” oder, wie es sich später nannte, „Antifaschistisches Komitee der deutschen Werktätigen in Rumänien” gegründet8. In Reschitza, Temeschburg und Kronstadt wurden in den nächsten Wochen und Monaten die ersten lokalen Organisationen eingerichtet. Vorsitzender des Komitees, das seinen Sitz in Bukarest hat, wurde zunächst Emmerich Stoffel, der zugleich als Ministerialrat ins Nationalitätenministerium berufen wurde. Sekretär war der Arader Tischler Philipp Geltz, Herausgeber des neugegründeten amtlichen Organs „Neuer Weg” Anton Breitenhofer aus Broos9. Das Komitee, dessen „antifaschistische” Sprecher zunächst völlig unbekannt waren, wurde von der deutschen Bevölkerung anfangs kaum zur Kenntnis genommen10; es ist seitdem die


102E

von der Regierung anerkannte offizielle Vertretung der Volksdeutschen Interessen.

Durch einen im Dezember 1948 ergangenen Erlaß wurden die rechtlichen Bestimmungen des Nationalitätenstatuts und die entsprechenden Klauseln der Verfassung ausdrücklich auch auf die deutsche Bevölkerung ausgedehnt, die bis dahin faktisch unter Ausnahmerecht gestanden hatte11. Bei den Wahlen für die durch Gesetz vom 15. Januar 1949 ins Leben gerufenen Volksräte der neu geschaffenen „Regionen” und „Rayons”12 am 3. Dezember 1950 wurden über 1000 Volksdeutsche Deputierte gewählt, die das „Deutsche Antifaschistische Komitee” vorgeschlagen hatte13. Schon seit 1949 unterlagen die Volksdeutschen wieder der rumänischen allgemeinen Wehrpflicht, wenn sie auch im allgemeinen Arbeitsbataillonen, nicht der eigentlichen Truppe zugeteilt wurden14. Bald konnte auch die deutsche Sprache wieder ungehindert in der Öffentlichkeit gebraucht werden; Schul- und selbst Ortsnamen in Gemeinden mit starkem deutschen Bevölkerungsanteil werden heute zweisprachig geführt.

Das neue Wahlgesetz vom 7. September 1950 schloß nicht mehr, wie das von 1946, alle ehemaligen Volksgruppenmitglieder, wohl aber, neben ehemaligen Großgrundbesitzern, ehemaligen Bankherren, ehemaligen Großkaufleuten und „anderen Elementen der Großbourgeoisie” auch die Kulaken (rumänisch: Chiabur), die enteigneten Groß- und Mittelbauern vom Wahlrecht


103E

aus15. Betraf dies in starkem Maße gerade auch enteignete deutsche Bauern16, so zeigt die Formulierung doch zugleich die seit 1948 vorherrschende Tendenz, Zwangsmaßnahmen nicht mehr kollektiv gegen die Deutschen an sich, sondern gegen bestimmte Klassen oder Individuen zu lenken. Die im Zuge der Bolschewisierung des Wirtschaftslebens in den Jahren 1948 bis 1950 verfügten Enteignungen und Verstaatlichungen richteten sich gleichermaßen gegen rumänische, deutsche und madjarische „Kapitalisten”17. Auch die in den nächsten Jahren immer häufiger werdenden Verhaftungen von „Saboteuren”, „Verrätern” und „Staatsfeinden”, die willkürlich, vielfach nur durch administrative Verfügungen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und in den Lagern am Donau-Schwarzmeer-Kanal zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden, betrafen die gesamte Bevölkerung des Landes. Hans Otto Roth, Rudolf Brandsch, Franz Krauter, Rudolf Spek und andere wurden weniger als Deutsche, denn als führende Persönlichkeiten des demokratisch-bürgerlichen Lagers verhaftet und ausgeschaltet18. Mit Bischof Pacha und seinen deutschen Mitarbeitern wurden Hunderte von rumänischen Geistlichen der römisch-katholischen Kirche inhaftiert und verurteilt19. Mittelbar richteten sich freilich all diese Maßnahmen gegen die geistige Selbständigkeit des Deutschtums, die der völligen Einfügung in das System des kommunistischen Staates im Wege stand. Die Umsiedlungen innerhalb Rumäniens in den Jahren 1951/52 zeigen zwar die noch herrschende Rechtsunsicherheit, sind jedoch kaum als primär „anti-deutsche” Aktionen zu werten20.

Sehr viel klarer konnte das kommunistische Grundkonzept der neuen rumänischen Nationalitätenpolitik auf kulturellem Gebiet realisiert werden. Der volksdemokratische Staat gewährleistet — nach den Worten der neuen rumänischen Verfassung vom 24. September 1952 — „die Entfaltung der Kultur des rumänischen Volkes sowie der Kultur der nationalen Minderheiten, die dem Inhalt nach sozialistisch, der Form nach national sind”21. Um „die Erziehung der Jugend im Geiste der Volksdemokratie” sicherzustellen, hatte schon das Schulreform-Dekret vom 2. August 1948 die Verstaatlichung „aller konfessionellen oder privaten Schulen” verfügt22. Noch immer waren


104E

es rund 260 deutsche Schulen, die mit dem gesamten zu ihrer Unterhaltung dienenden „Kirchen-. Kongregations-, Gemeinschafts- oder Privatvermögen” verstaatlicht wurden23. Die Verbindung von Kirche und Schule, die sich besonders im deutschen Schulwesen Siebenbürgens seit Jahrhunderten bewährt hatte, war damit endgültig zerstört. Der formale Protest der Kirchen hate keine Bedeutung. Selbst die Evangelische Landeskirche wäre allerdings nach den Verstaatlichungen in allen Zweigen der Wirtschaft kaum in der Lage gewesen, ihre Schulen weiterhin aus eigener Kraft zu erhalten24.

Rein äußerlich verlief die Entwicklung des — nunmehr staatlichen -— deutschen Schulwesens nach 1948 nicht ungünstig. Nach dem Schulreform-Dekret sollte „der Unterricht für die mitwohnenden Nationalitäten” „in allen Schulen in der entsprechenden Muttersprache” erfolgen; die Lehrpläne für die „Schulen der mitwohnenden Nationalitäten” sollten „den ihnen spezifischen Charakter berücksichtigen”, wenn auch die rumänische Sprache von der 1. Grundschulklasse, Russisch von der 4. Klasse an für alle Schulen vorgeschrieben war25. Im August 1950 gab es in Rumänien insgesamt 361 Elementarschulen, 2 pädagogische und 10 gewerbliche und technische Mittelschulen mit deutscher Unterrichtssprache26. Ende 1952 waren es neben 112 deutschen Kindergärten 231 vierklassige und 155 siebenklassige Volksschulen mit insgesamt fast 40 000 Schülern, sowie 6 pädagogische, 18 technische und 8 allgemeine Mittelschulen, die von 3164 deutschen Schülern besucht wurden27. Bei diesen Zahlen ist freilich zu berücksichtigen, daß der Unterricht in den „deutschen” Schulen oft nicht oder nur teilweise von deutschen Lehrern erteilt wurde28. Darüberhinaus war die Aufgabe all dieser Schulen


105E

eben nicht mehr die Pflege deutschen Kulturguts, sondern — neben der Ausbildung des dringend benötigten technischen Nachwuchses — vor allem die Erziehung der Volksdeutschen Jugend im Sinne des volksdemokratischen Regimes, das sie in den „Jungen Pionieren”29 und im „Verband der werktätigen Jugend” bald auch organisatorisch zu erfassen suchte. Die alten deutschen Lehrer mußten sich, soweit sie überhaupt im Amt blieben, kommunistischen Schulungskursen unterziehen30.

Im Lichte einer kommunistischen Durchdringung unter dem Deckmantel nationaler Volkstumspflege muß auch die von Staat und Partei geförderte Entwicklung des allgemeinen Volksdeutschen Kulturlebens in den folgenden Jahren gesehen werden, das dem Einfluß der Kirchen fast völlig entzogen wurde. Ende 1952 gab es in Rumänien 285 deutsche Kulturheime, 287 Volksdeutsche Chöre, 157 Laienspiel- und Theatergruppen, 200 Musik- und 235 Trachten- und Tanzgruppen31. Der Errichtung einer deutschen Sektion des Bukarester Staatstheaters in Hermannstadt im Jahre 1950 folgte 1953 die Eröffnung eines deutschen Theaters in Temeschburg32. Neben der Tageszeitung „Neuer Weg”, dem Organ des „Deutschen Antifaschistischen Komitees” (Auflage: etwa 60 000)33, erschienen bald auch die literarische Zeitschrift „Kultureller Wegweiser”, das von der Sektion Temeschburg des Schriftstellerverbandes herausgegebene „Banater Schrifttum” und die „Neue Welt”, eine von der Rumänisch-Sowjetischen Gesellschaft publizierte Illustrierte, in deutscher Sprache34. Im Jahre 1951 allein erschienen, zum großen Teil staatlich subventioniert, 206 deutschsprachige Bücher mit einer Gesamtauflage von 550000 auf dem rumänischen Büchermarkt35. Zahlreiche deutsche Schriftsteller und Künstler erhalten staatliche „Pensionen”. Die Tendenz


106E

dieses „Kulturbetriebes” ist offenkundig. Sächsische Trachtengruppen nehmen an den Umzügen zum 1. Mai und zum Tag der Roten Armee, an den politischen Demonstrationen gegen Tito teil36. Vom Staat geforderte Gemeinschaftsveranstaltungen der verschiedenen Nationalitätengruppen37 sollen nach außen demonstrieren, daß „die marxistisch-leninistische Nationalitätenpolitik ... in Rumänien einen neuen welthistorischen Sieg errungen” hat38.

Diese Tendenz bleibt auch den Volksdeutschen Rumäniens nicht verborgen, die es dennoch begrüßen, wenn im rumänischen Staatsverlag neben kommunistischen Propagandabroschüren deutsche Klassikerausgaben in manchmal mustergültiger Ausstattung erscheinen oder wenn die Saison des Temeschburger deutschen Theaters 1956 mit „Minna von Barnhelm” eröffnet wird. In den Literatvirzeitschriften kommen neben den marxistischen Propagandisten anerkannte Volksdeutsche Schriftsteller wie Erwin Wittstock oder Oskar Walter Cissek zu Wort. Mittelbar dient zweifellos auch diese Förderung dem kommunistischen System. Ohne Zweifel schafft die staatliche Unterstützung des evangelischen theologischen Seminars in Hermannstadt wie die staatliche Besoldung der Geistlichen aller rumänischen Konfessionen eine gewisse Abhängigkeit der Kirchen vom Staat39. Dennoch muß es unter den Aspekten von 1945 als Fortschritt erscheinen, daß deutsche Theater- und Konzertaufführungen in Hermannstadt, Kronstadt und Temeschburg überhaupt wieder stattfinden konnten und können, daß sich in Rumänien — wenn auch unter eindeutig politischen Vorzeichen — ein deutsches Kulturleben entwickeln konnte, das seinem Charakter nach allerdings bis zu einem gewissen Grade mit dem dirigierten Kulturleben der deutschen Sowjetzone verglichen werden kann.