b. Die Heranziehung der Volksdeutschen zum Dienst in der

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Waffen-SS.

Ebenso verhängnisvoll wie die Umsiedlungsaktionen wirkte sich die mehr oder weniger gewaltsame Einziehung der wehrpflichtigen Volksdeutschen aus den in fremden Staaten verbleibenden Volksgruppen in die deutsche Wehrmacht oder die ihr gleichgestellten Verbände der Waffen-SS aus, die nach anfänglichem Zögern auch in Rumänien rigoros durchgeführt wurde.

Die allgemeinen Verhältnisse in der rumänischen Vorkriegsarmee, die dort verbreitete Korruption, der Mangel an Disziplin und Organisation gaben den in ihren Verbänden dienenden Volksdeutschen oft berechtigten Anlaß zur Unzufriedenheit. Benachteiligungen der Volksdeutschen, die der rumänischen allgemeinen Wehrpflicht unterlagen, die deutliche Bevorzugung volksrumänischer Anwärter in der Offiziers- und Reserveoffizierslaufbahn


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erhöhten die Bereitschaft der Volksdeutschen, jede Gelegenheit zur Ableistung des Wehrdienstes in deutschen Formationen, in der ob ihrer Siege in den ersten Kriegsjahren bewunderten Deutschen Wehrmacht zu ergreifen.

Schon im Frühjahr 1940 wurde in Rumänien die erste größere Freiwilligenaktion für die damaligen „SS-Verfügungstruppen” abgewickelt56. Brigadeführer Berger, dem das Ersatzwesen der späteren Waffen-SS unterstand, betraute seinen Schwiegersohn Andreas Schmidt mit der Vorbereitung der Aktion, die unmittelbar nach der Ernennung Schmidts zum Stabsleiter der NAF im Oktober 1939 anlief. Durch die Volksdeutsche Jugendorganisation wurden besonders in Bessarabien und Siebenbürgen geeignete Jugendliche ausgewählt. Da die rumänischen Behörden den illegalen Grenzübergang unterbanden, wurde das Auswärtige Amt im Januar 1940 gebeten, in Rumänien die Ausreisegenehmigung für 1000 bis 1500 Freiwillige zu erwirken, die als landwirtschaftliche Arbeitskräfte getarnt werden sollten57. Nachdem der rumänische Außenminister Gafencu sich in der zweiten Aprilhälfte einverstanden erklärt hatte58, konnten die ersten 1000 Mann im Juni 1940 mit Dampfern der DDSG nach Wien gebracht werden, wo sie offiziell begrüßt, gemustert und bei Tauglichkeit SS- und Wehrmachtseinheiten zugeteilt wurden59.

Für Andreas Schmidt, der bald die Führung der Volksgruppe übernehmen sollte, mag bei dieser ersten Aktion der auch von Berger gelegentlich betonte Gedanke bestimmend gewesen sein, ein in der SS geschultes Führerkorps zu schaffen, das durch den gemeinsamen Kriegseinsatz noch stärker mit dem Reich verbunden werden sollte60. Wenn Berger die Aktion schon im Januar 1940 unter dem Gesichtspunkt der „Ersatzgestellung” betrachtete61, wenn er im August 1940 Rumänien unter den „noch zu bearbeitenden Nachersatzgebieten” für die Waffen-SS an bevorzugter Stelle nannte62, so muß man in diesen ersten 1000 Mann wohl doch in erster Linie Kader für spätere, weiter ausgreifende Werbungen sehen63. Darauf hingewiesen, daß die Volksdeutschen Freiwilligen ihrer rumänischen Staatsbürgerschaft verlustig gehen könnten, ließ der Reichsführer-SS ausdrücklich


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erklären, daß er „erforderlichenfalls mit dem dauernden Verbleiben im Reich einverstanden sei”64.

Der Bukarester Gesandte von Killinger gab angesichts weiterer Pläne 1941 zu bedenken, daß damit „bestes deutsches Blut aus der deutschen Volksgruppe herausgezogen”, daß „die Volksgruppe an ihrem Wert erheblich verlieren” werde65. Nicht zuletzt aus diesen Erwägungen heraus wird sich auch die Volksgruppenführung unter Bruckner im Sommer 1940 gegen die Werbungen gewehrt haben66. Nach dem Systemwechsel in Rumänien dürfte die Rücksichtnahme auf das Prestige des neuen Partners Antonescu die Reichsführung veranlaßt haben, die offene Werbung einzustellen67. Als ersten Punkt seines Jahresprogramms verkündete Andreas Schmidt im Februar 1941: „Jeder waffenfähige Mann dient auf Befehl des Führers in der rumänischen Wehrmacht.”68 Noch im März 1942 beschwerte sich Schmidt in Berlin über die immer häufiger werdenden Übernahmen Volksdeutscher Deserteure aus den rumänischen Verbänden an der Ostfront in deutsche Wehrmachts- und SS-Einheiten, da sie sein Verhältnis zur rumänischen Staatsführung belasten müßten69.

Trotz dieser Grundhaltung rissen die Freiwilligenwerbungen unter den Volksdeutschen Rumäniens auch in den Jahren nach 1940 nie völlig ab. Einzelne oder auch ganze Gruppen nutzten die zahlreichen Gelegenheiten, die sich durch die seit Oktober 1940 in Rumänien stationierten deutschen Lehrtruppen, mit durchfahrenden Lazarettzügen oder mit den Divisionen, die auf dem Wege nach Griechenland und Südslawien rumänisches Gebiet durchquerten, zum Verlassen des Landes boten70.


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Ende April 1941 wurden mit Wissen der Volksgruppenführung 600 rumänische Volksdeutsche mit der SS-Division „Das Reich” nach Wien gebracht71. Zahlreiche Volksdeutsche schlössen sich auch, zunächst als technisches Personal, deutschen Luftwaffen- und OT-Einheiten an und gingen bei ihrer Verlegung außer Landes72.

Für die Volksdeutschen in Ungarn wurde die Ableistung des Wehrdienstes in der deutschen Waffen-SS schon im Februar 1942 vertraglich geregelt73. Ein überdurchschnittlich großer Prozentsatz der auf Grund dieses Abkommens zur SS gemusterten Volksdeutschen entstammte den neu zu Ungarn gekommenen Gebieten, der Batschka und Nord-Siebenbürgen, dessen wehrfähige Deutsche sich fast vollzählig meldeten74. Für Rumänien wurde eine derartige Regelung erst nach der Zerschlagung der rumänischen Armeen im Kampf um Stalingrad ins Auge gefaßt. Bis Anfang März 1943 hatten sich bereits rund 10 000 Volksdeutsche „Versprengte” bei deutschen Wehrmachts- und SS-Stellen im Südabschnitt der Ostfront gemeldet. Ihre Rückführung in die rumänische Armee wurde vom deutschen OKW auf Befehl Hitlers untersagt75. Schon in diesem Befehl wird eine „spätere grundsätzliche Regelung” auch für „die Frage der Volksdeutschen in Rumänien” in Aussicht genommen.

Anfang April 1943 erklärte sich Marschall Antonescu grundsätzlich einverstanden mit einer großangelegten Werbungsaktion unter den Volksdeutschen in Rumänien, die daraufhin am 12. April anlief76. In der zweiten Monatshälfte begannen in Bukarest Verhandlungen zwischen Killinger und der rumänischen Regierung, die nach Hinzuziehung von Berger und Andreas Schmidt am 13. Mai zum Abschluß eines zwischenstaatlichen Abkommens „hinsichtlich der Einreihung rumänischer Staatsbürger Volksdeutscher


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Zugehörigkeit in die Deutsche Wehrmacht-SS” führten77. Alle „rumänischen Staatsbürger Volksdeutscher Zugehörigkeit78, die am 1. April 1943 das 17. Lebensjahr vollendet” hatten, konnten sich damit „freiwillig in die Deutsche Wehrmacht-SS einreihen lassen”79. Ausgenommen von dieser Freistellung, die grundsätzlich auch für die bereits in der rumänischen Armee dienenden Volksdeutschen galt, waren lediglich aktive Offiziere und Unteroffiziere, Soldaten der noch im Einsatz befindlichen Fronteinheiten sowie für die rumänische Rüstungsindustrie unentbehrliche Spezialkräfte.

Wichtig war, daß den Freiwilligen durch dieses Abkommen, anders als etwa in dem gleichzeitig abgeschlossenen deutsch-ungarischen Vertrag, die Beibehaltung der rumänischen Staatsbürgerschaft „mit allen sich daraus ergebenden Rechten” ausdrücklich verbürgt wurde80. Erst die Tatsache, daß allen „deutschstämmigen Ausländern, die der Deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS, der deutschen Polizei oder der Organisation Todt angehören”, durch Führer-Erlaß vom 19. Mai 1943 die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen wurde81, gab der rumänischen Regierung Sănatescu die Handhabe,


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die SS-Freiwilligen nach dem Umsturz als Deserteure der rumänischen Staatsbürgerschaft verlustig zu erklären.

Die Musterungen, die in Zusammenarbeit mit der Volksgruppenführung von einer Außenstelle des Ersatzkommandos Südost der Waffen-SS in Wien geleitet wurden, hatten in Rumänien schon mehrere Wochen vor Abschluß des Abkommens begonnen82. Nach dem 13. Mai wurden alle Volksdeutschen zwischen 18 und 35 Jahren in öffentlichen Anschlägen der Volksgruppe aufgefordert, sich den Musterungskommissionen zu stellen83. Ein großer Teil, insbesondere der Siebenbürger, meldete sich in der Tat „freiwillig”; man glaubte noch immer an die gute Sache des Reiches, zog überdies den deutschen dem rumänischen Militärdienst vor. In anderen Fällen wurde die „Freiwilligkeit” jedoch durch massiven moralischen und sogar physischen Druck erzwungen; Berger hebt lobend hervor, daß Rollkommandos der Volksgruppe den Zögernden im rumänischen Banat „die Häuser zusammengeschlagen” hätten84. Der unmittelbare Druck, den die Volksgruppen auf ihre Mitglieder ausübten, schien Berger die gelegentlich erwogene Verkündung einer „allgemeinen Wehrpflicht sämtlicher Volksdeutschen” überflüssig zu machen85.

Die in Rumänien Gemusterten wurden gemeindeweise einberufen und verladen. Die Abfahrt der mit Blumen und Inschriften geschmückten Transportzüge wurde vielerorts zum Volksfest86, eine Tatsache, die das an sich


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schon wache Mißtrauen der Rumänen noch vermehrt haben dürfte87. Nach Abgang des letzten Transportes meldete Berger am 30. Juli 1943 als Gesamtergebnis der Werbung in Rumänien 41 560 Mann88. In Wien wurden die Volksdeutschen — nach offizieller Begrüßung — einer Nachmusterung unterzogen, um anschließend verschiedenen Ausbildungs- und Ersatzeinheiten der Waffen-SS zugewiesen zu werden89. Den weiteren Verlauf des Krieges erlebten die rumänien-deutschen SS-Männer nach oft nur oberflächlicher Ausbildung zum Teil im Einsatz an der Ostfront, zum Teil in den Partisanen- und Abwehrkämpfen auf dem Balkan (Division „Prinz Eugen”)90. Vor allem unter den Banater Schwaben kam es in Serbien verschiedentlich zu Desertionen91. Die anfängliche Begeisterung war oft nur allzu rasch enttäuscht worden92.

Zusätzliche Verstimmung verursachten Nachrichten aus der Heimat über die unzureichende Versorgung der Angehörigen93. Devisenschwierigkeiten zwangen die SS-Versorgungsstellen, die Zahlung der Unterstützungsgelder, die laut Abkommen Sache des Reiches war, weitgehend zu sistieren. Auch die Volksgruppe konnte mit eigenen Mitteln nur beschränkt einspringen94. Hatten schon die Einberufungen zur Stillegung zahlreicher Volksdeutscher Handwerksbetriebe geführt, so kamen durch dieses Versagen viele Familien in ernste wirtschaftliche Bedrängnis.

Bei Jahresende 1943 befanden sich in den Verbänden der Waffen-SS 54 000 Volksdeutsche aus Rumänien, rund 10 % der damals in Rumänien


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lebenden Deutschen95. Die Zahl hat sich wahrscheinlich bis Kriegsende nicht mehr wesentlich erhöht, doch müssen noch wenigstens 5000 bis 6000 „Freiwillige” aus den Ungarn unterstellten Gebieten hinzugerechnet werden96. Weitere rund 15 000 Rumänien-Deutsche waren in Einheiten der deutschen Wehrmacht, in der Organisation Todt und der deutschen Rüstungsindustrie eingesetzt97. Schließlich müssen an dieser Stelle auch die Umsiedler aus Bessarahien, Bukowina und Dobrudscha erwähnt werden, die nach ihrer Einbürgerung gemäß der allgemeinen Wehrpflicht zu Wehrmacht und Waffen-SS eingezogen wurden98. Die Verluste der Volksdeutschen SS-Angehörigen in Krieg und Gefangenschaft waren verhältnismäßig hoch. Man wird sie nach kirchlichen Schätzungen mit fast 15 %, mit 8000 bis 9000 Toten also, in Rechnung stellen müssen99. Auch von den Überlebenden konnten nach dem Krieg nur wenige Tausend nach Rumänien zurückkehren, wo sie zunächst besonders schwerer Verfolgung ausgesetzt waren100.


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